“Ich würde der Ärztekammer raten, aufzupassen.”

Politik / 21.12.2023 • 18:00 Uhr
KHBG-Direktor Gerald Fleisch weist die Forderungen der Ärztekammer zurück und rechnet vor, was Ärzte momentan verdienen. <span class="copyright">KHBG/Mathis</span>
KHBG-Direktor Gerald Fleisch weist die Forderungen der Ärztekammer zurück und rechnet vor, was Ärzte momentan verdienen. KHBG/Mathis

KHBG-Direktor Gerald Fleisch hält nichts von der Forderung nach 30 Prozent mehr Gehalt für alle Spitalsärzte.

Darum geht’s:

  • Vorarlbergs Spitalsärzte fordern 30% mehr Gehalt für Versorgungssicherheit
  • Krankenhaus-Chef lehnt Forderung ab, sieht Verhältnismäßigkeitsproblem
  • Gesundheitssystem in Schieflage: Überlastung der Ambulanzen, Korrekturbedarf im System

Feldkirch 30 Prozent mehr Gehalt ist keine schmale Forderung. Vorarlbergs Spitalsärzte sind aber überzeugt: Nur mit dieser Erhöhung ist die Versorgung in den Krankenhäusern des Landes auch in Zukunft gesichert. Jetzt meldet sich der Krankenhaus-Chef zu Wort. Er erteilt den Wünschen eine klare Absage. Man soll den Boden der Realität nicht verlieren, fordert er.

Aufgrund Ihrer Datenschutzeinstellungen wird an dieser Stelle kein Inhalt von Iframely angezeigt.

85 Prozent aller Vorarlberger Spitalsärzte haben die Petition der Initiative Mittelbau unterschrieben. Sie fordern 30 Prozent mehr Grundgehalt in allen Gehaltsklassen. Ansonsten würde Personal abwandern, was sowohl Ausbildung als auch Versorgung gefährde, heißt es. Schließlich würden Ärzte in anderen Bundesländern wesentlich mehr verdienen. In der Krankenhausbetriebsgesellschaft (KHBG) widerspricht man dieser Aussage. KHBG-Chef Gerald Fleisch betont: “Hier kursieren Zahlen, die einfach nicht stimmen. Beim Turnusarzt liegen wir über anderen Bundesländern. Beim Facharzt mit zehnjähriger Erfahrung sind wir auf dem Level des Burgenlandes, danach knapp darunter.”

“Kann der Bevölkerung niemand erklären”

Fleisch hält zwar fest: “Ein Arzt soll gut verdienen. Das ist ein äußerst ehrbarer Beruf mit langer Ausbildung und einer ganz hochwertigen Dienstleistung für die Gesellschaft. Aber die Frage ist, wie viel?” Deshalb müsse man sich die Gehälter im Detail anschauen. Schließlich gehe es um die Frage der Verhältnismäßigkeit im Vergleich mit anderen Berufsgruppen. Fleisch bringt mehrere Beispiele – etwa bei den Turnusärzten. “Im dritten Jahr der Ausbildung hat ein Turnusarzt ein Brutto-jahresgehalt von 94.000 Euro. Und das als Berufsanfänger. Das ist ein Vielfaches dessen, was andere akademische Berufe bekommen. Wenn man jetzt noch die Forderung der Ärztekammer hernimmt, also 30 Prozent mehr, kommt der Turnusarzt auf 120.000 Euro. Das kann man in der Bevölkerung niemandem erklären. Wir sind an einem gesellschaftsethischen Knackpunkt angekommen. Ich würde der Ärztekammer raten, aufzupassen”, fährt der KHBG-Direktor fort.

Er hat weitere Beispiele: Im sechsten Jahr der Facharztausbildung erhält der Arzt inklusive Dienste 107.000 Euro. 30 Prozent mehr wären 139.000 Euro. “Das ist nur die absolute Zahl. Diese Erhöhung wäre wahnsinnig”, ärgert sich Fleisch. Ein Facharzt, der 30 Jahre im Dienst ist, verdient 166.000 Euro pro Jahr. “Da sind die Privatordination, Privathonorare und sonstige Sonderzahlungen noch gar nicht dabei”, führt Fleisch weiter aus. “Wenn man da noch 30 Prozent raufknallt, dann liegen wir bei 215.000 Euro.” Es gebe auch andere hoch qualifizierte Berufe mit viel Verantwortung. Und die Schere zu deren Verdienst dürfe nicht auseinandergehen.

Aufgrund Ihrer Datenschutzeinstellungen wird an dieser Stelle kein Inhalt von Iframely angezeigt.

Als Krankenhaus-Geschäftsführer müsse er viele Faktoren berücksichtigen. Zum Beispiel die öffentlichen Budgets – speziell die Gemeinden kämpfen mit der aktuellen finanziellen Situation. Nach der Lohnerhöhung von 9,15 Prozent im öffentlichen Dienst machen die Personalkosten in den Krankenhäusern an die 400 Millionen Euro aus. Ein Viertel davon wird für die Ärzte-Gehälter ausgegeben. 30 Prozent Lohnerhöhung machen noch einmal mehr als 30 Millionen Euro aus, rechnet Fleisch vor und erläutert, was schon die aktuelle Gehaltserhöhung bedeutet. “Ein Facharzt, der 30 Jahre da ist, erhält dadurch einfach 15.000 Euro mehr pro Jahr. Das ist ein erheblicher Betrag. Letztes Jahr waren es auch schon sieben Prozent mehr. Das ist verrückt viel Geld. Wir befinden uns in einem sozialpolitischen Spannungsfeld, und die Ärztekammer kommt einfach so mit völlig überzogenen Forderungen. Das ist schon ein bisschen ignorant gegenüber anderen Einkommensgruppen.”

Korrekturbedarf im System

Innerhalb der Belegschaft werde diese Forderung sehr kritisch beäugt, erzählt der KHBG-Chef. Dass Ärztinnen und Ärzte mit überlasteten Ambulanzen kämpfen, kann er aber nachvollziehen. “Da trifft die Ärzteschaft schon einen Punkt. Das Gesundheitssystem befindet sich in einer immensen Schieflage, in der die Krankenhäuser für alles verantwortlich sind. Außerhalb zieht man sich zurück.” Fleisch nennt ein Beispiel: “Es gibt Disziplinen, da hat in der Weihnachtszeit kein Arzt offen. Die Patienten kommen ins Krankenhaus. Da sind die Systempartner gefordert, also Ärztekammer und ÖGK, ein System aufzustellen, das die Vorarlberger ansprechen kann. Ärzte gäbe es genug. Man muss sie nur anders einsetzen.” Darum müsse das Krankenhaus die eigenen Ärzte schützen. “Da geht es weniger darum, dass man mit dem Gehalt durch die Decke geht, sondern dass unsere Ärzte nur jene Tätigkeiten haben, für die sie ausgebildet sind, nämlich die hochwertige komplexe Medizin.” Er bestätigt auch: “Der Zustrom in die Ambulanzen ist so hoch, dass die Ausbildungsqualität leidet.” Dazu komme, dass zwischenzeitlich mehr als 100 Betten in den Vorarlberger Spitälern von Menschen belegt werden, die eigentlich in ein Pflegeheim sollten.

Kammerpolitik = Blockadepolitik?

Auf die Ärztekammer ist Fleisch nicht gut zu sprechen. “Die Kammerpolitik lädt dazu ein, dass man alles so belässt, wie es ist. Es ist zum Beispiel für mich überhaupt nicht logisch, warum nicht in den Apotheken geimpft wird. Die Blockadepolitik bringt uns nicht weiter.” Fleisch fordert zudem, dass das Wahlarztsystem unattraktiver wird, um die Kassenärzte und Spitalsärzte zu stärken.

Der Krankenhausdirektor sehe zwar die Probleme und ist mit den Ärzten darin einer Meinung. Mit mehr Gehalt würden sie sich aber nicht lösen lassen. Etwas soll sich gehaltstechnisch aber tun, und zwar bei den Kaderärzten. “Wir erarbeiten im Jahr 2024 ein Modell, dass wir bei erfahrenen Oberärztinnen und Fachärztinnen mit Spezialisierungen oder sonstigen besonderen Aufgaben mit dem Gehalt nachziehen.” Hier müsse man sich tatsächlich dem Markt anpassen – aber das gelte auch für den IT-Bereich zum Beispiel. Einfach mit der Gießkanne über alle 30 Prozent zu schütten, sei aber nicht zielführend. Fleisch: “Da verliert man ja jeden Bezug zur Realität.”