Gut Ding?
Gut Ding braucht Weile. Diese alte Volksweisheit ist eine Erinnerung daran, dass man nichts überstürzen und alles gut überlegen soll. Unsere Gesetzgebung ist allerdings oft von einer aktionistischen und fehleranfälligen Eile geprägt, die nicht selten durch den Verfassungsgerichtshof bereinigt oder durch Nichtanwendung neutralisiert werden muss. Dass die Schweizerinnen und Schweizer als bedächtige Menschen gelten, findet auch im Parlament seinen Niederschlag. Aber auch nach einem Gesetzesbeschluss heißt es zunächst einmal warten: 100 Tage lang können 50.000 Stimmberechtigte eine Volksabstimmung verlangen und die wiederum muss auf einen der vier Abstimmungssonntage im Jahr warten. Und kurzatmige Verfassungsänderungen gehen schon gar nicht, weil sie auf jeden Fall die Hürde einer Volksabstimmung nehmen müssen.
Andererseits ist es in der Schweiz undenkbar, dass wichtige Personalentscheidungen so lange wie bei uns auf die lange Bank geschoben werden. Drei Beispiele: Im November 2021 trat der langjährige Generaldirektor der Bundeswettbewerbsbehörde in den Ruhestand. Erst zwei Jahre später war die Nachfolge geregelt, es wurde letztlich dann doch die als sehr qualifiziert geltende Stellvertreterin. Dazwischen lag ein langes Tauziehen der beiden Regierungsparteien, für das es keinen sachlich nachvollziehbaren Grund gab. Auch für monatelange Nichtbesetzungen im Generalrat der Nationalbank wurden türkis-grüne Meinungsverschiedenheiten geltend gemacht.
„Hoffentlich muss man auf die Entscheidung nicht noch ein weiteres Jahr warten.“
Beim Bundesverwaltungsgericht ist nach dem Pensionsantritt des Präsidenten seine Funktion seit über einem Jahr unbesetzt. Das ist aus zwei Gründen unverständlich: Es gibt einen klaren Vorschlag der Besetzungskommission, die fachlich bestqualifizierte langjährige Präsidentin der Richtervereinigung zu ernennen. Und beim Bundesverwaltungsgericht handelt es sich mit 620 Beschäftigten und über 40.000 Verfahren im Jahr immerhin um das größte österreichische Gericht. Dabei gäbe es an der Spitze des Gerichts einiges zu tun. So hat der Rechnungshof im letzten Jahr gerügt, dass es hohe Erledigungsrückstände und eine viel zu lange Verfahrensdauer gebe. In über 60 Prozent der Fälle werde, obwohl gesetzlich anderes vorgeschrieben wäre, die Erledigungsfrist von sechs Monaten überschritten. In mehr als einem Drittel der Fälle dauern Verfahren sogar mehr als zwei Jahre. Besonders nachteilig ist das in den zahlreichen Asylverfahren, wo eine zügige Erledigung notwendig wäre. Hoffentlich muss man auf die Entscheidung, wer an der Spitze dieses Gerichts stehen soll, nicht auch noch ein weiteres Jahr warten – das wäre dann nach der Nationalratswahl.
Jürgen Weiss vertrat das Land als Mitglied des Bundesrates zwanzig Jahre lang in Wien und gehörte von 1991 bis 1994 der Bundesregierung an.
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