Immer weniger Zivildiener in Vorarlberg: „Das System ist am Anschlag“

Politik / 16.01.2024 • 11:25 Uhr
Im Einsatz für das Rote Kreuz in Feldkirch: Zivildiener Manuel Schilowsky, der sich von seiner Nachbarin dazu inspirieren ließ. <span class="copyright">Rotes Kreuz Vorarlberg</span>
Im Einsatz für das Rote Kreuz in Feldkirch: Zivildiener Manuel Schilowsky, der sich von seiner Nachbarin dazu inspirieren ließ. Rotes Kreuz Vorarlberg

Im Land standen 2023 deutlich weniger Zivildiener zur Verfügung als noch im Jahr zuvor. Die Einrichtungen orten beunruhigende Tendenzen. Ein aktiver Rettungssanitäter wirbt aber dafür.

Feldkirch, Wien Daniel Peter ist ratlos. Der Zivildienst-Koordinator des Roten Kreuzes in Vorarlberg würde ja eh gerne, er kann nur oft nicht. Er würde etwa gerne – angesichts des steigenden Bedarfs an der Rettungsorganisation – mehr Fahrzeuge mit mehr Zivildienern auf Vorarlbergs Straßen schicken: „Um die uns übertragenen Aufgaben zu bewältigen, benötigen wir unbedingt die uns bewilligten 250 Zivildiener pro Jahr“, sagt er den VN.

Aber, so Daniel Peter: „Die Tendenz zeigt, dass es immer schwieriger wird, diese Plätze vollständig zu besetzen.“

Deutlicher Rückgang in Vorarlberg

Untermauern lässt sich diese Tendenz mit den aktuellen Zahlen aus dem Bundeskanzleramt, das seit Juli 2022 für den Zivildienst zuständig ist. Demnach traten im Jahr 2022 noch 960 junge Männer eine der 1100 verfügbaren Stellen an, letztes Jahr waren es nur 891 Zivildiener für 1070 Stellen – das entsprach einem Rückgang in der Bedarfsdeckung von vier Prozentpunkten. Damit konnten 83,3 Prozent der ausgeschriebenen Stellen im Land besetzt werden; im Bund waren es rund 90 Prozent. Aktuell sind in Vorarlberg 731 Zivildiener im Dienst – 216 davon, also mehr als jeder Vierte, im Rettungswesen.

Beim Landesverband des Roten Kreuzes Vorarlberg ist Daniel Peter unter anderem für die Rekrutierung der Zivildiener verantwortlich. <span class="copyright">Rotes Kreuz Vorarlberg</span>
Beim Landesverband des Roten Kreuzes Vorarlberg ist Daniel Peter unter anderem für die Rekrutierung der Zivildiener verantwortlich. Rotes Kreuz Vorarlberg

Einer dieser 731 jungen Männer ist Manuel Schilowsky. Der 21-jährige Feldkircher absolviert seinen Zivildienst derzeit in der Rotkreuz-Abteilung in Feldkirch. Gegenüber den VN berichtet er von einer aus seiner Sicht tollen Sache: „Das langjährige Engagement meiner lieben Nachbarin hat mein Interesse für die Arbeit des Rotes Kreuzes schon in jungen Jahren geweckt. Jetzt habe ich als Zivildiener und somit als ausgebildeter Rettungssanitäter die Möglichkeit, dieses jeden Tag hautnah zu leben.“

Und das ist laut des Roten Kreuzes eben bitter nötig. Daniel Peter berichtet davon, dass Zivildiener ihre Dienstantritte aufschieben, sich zu anderen Einrichtungen versetzen lassen oder wegen zu vieler Krankenstandstage vorerst ausscheiden müssen: „Diese fehlen uns dann dementsprechend.“ Er betont jedoch gleichzeitig, dass diese Probleme schon seit vielen Jahren Thema seien: „Das ist keine aktuelle Modeerscheinung“, sagt er den VN. Aber: „Das System ist am Anschlag. Mehr geht nicht mehr.“

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Laut der Zivildienstserviceagentur gibt es beim Roten Kreuz in Vorarlberg noch offene Zivildienststellen im April (19) und Mai (13). Laut Daniel Peter wird versucht, diese vollständig von Amts wegen zu besetzen. Ob das klappt, stehe aber auf einem anderen Blatt: „Das kann ich aus aktueller Sicht noch nicht sagen.“ Erfahrungswerte würden zwar eher dafür sprechen, aber: „Sollte das dieses Jahr wider Erwarten nicht funktionieren, weil es keine passenden Kandidaten gibt, wäre die Problemstellung neu und akut.“

Keine Erhöhung möglich, aber: „Ich verstehe das“

Dass es Zivildiensteinrichtungen nicht möglich ist, mehr junge Männer als aktuell zu rekrutieren – obwohl sie gerne würden –, wird den VN auch aus anderen Organisationen zugetragen. So spricht Hans-Peter Bickel, Zivildienst-Koordinator bei der Aqua Mühle in Frastanz, davon, dass er die verfügbaren vier Stellen weiter gut besetzen kann und das auch während der Covid-19-Pandemie konnte, aber: „Abgewinkt hat man bei der Erhöhung auf acht Stellen. Das haben wir uns gewünscht, das war aber wegen der anderen Organisationen nicht möglich. Ich verstehe das, die Blaulichtorganisationen suchen händeringend, für uns passt das.“

Einen sinnvollen Zivildienst leistete Julian Ganahl (r.) aus St. Gerold bei der Caritas in Feldkirch – unter anderem im Lerncafé – ab, wie dieses Archivbild aus dem letzten Jahr beweist. Die Caritas berichtet auch von Extras, die man bei ihr erhalte – etwa Fahrsicherheitstrainings im Rahmen der Führerscheinausbildung: „Davon profitieren die jungen Menschen auch für ihr weiteres Leben.“ <span class="copyright">Caritas Vorarlberg</span>
Einen sinnvollen Zivildienst leistete Julian Ganahl (r.) aus St. Gerold bei der Caritas in Feldkirch – unter anderem im Lerncafé – ab, wie dieses Archivbild aus dem letzten Jahr beweist. Die Caritas berichtet auch von Extras, die man bei ihr erhalte – etwa Fahrsicherheitstrainings im Rahmen der Führerscheinausbildung: „Davon profitieren die jungen Menschen auch für ihr weiteres Leben.“ Caritas Vorarlberg

Auch die Caritas Vorarlberg beschwichtigt. Die Leiterin der Personalabteilung berichtet den VN, dass sie aktuell alle Stellen besetzen kann: „Vereinzelt ist in Tälern das Interesse der jungen Erwachsenen jedoch nicht so groß“, sagt Monika Kawaus. Die Planung laufe bei der Caritas ein- bis eineinhalb Jahre vor dem tatsächlichen Dienstantritt: „Auf Grund der Tatsache, dass sich der Bedarf an Einsatzstellen während dieser Zeit verändern kann, ist die Besetzung hin und wieder herausfordernd.“ Aber: „In der Vergangenheit haben wir immer eine passende Lösung gefunden.“

Und, das hält Monika Kawaus auch fest: „Die Grundangebote sind durch hauptamtliche Mitarbeiter*innen gesichert.“

Wer sich für die Ableistung eines Zivildienstes interessiert, findet alle notwendigen Informationen zu den weiteren Schritten hier.

In einer früheren Version des Artikels berichteten wir, dass aktuell 426 Zivildienern im Vorarlberger Rettungswesen arbeiten würden. Das war nicht korrekt. Laut Zivildienstserviceagentur arbeiteten am 1. Jänner 2024 nur 216 von insgesamt 731 Zivildienern im Land im Rettungswesen. Wir bedauern den Fehler.