Wie das Gesetz Elementarpädagoginnen im Land zur Verzweiflung treibt

Politik / 24.01.2024 • 16:55 Uhr
Kindergärten sollen wieder mehr als erste Bildungseinrichtung verstanden werden, fordert die Initiative „Zukunft elementare Bildung“ und Eva Graf. <span class="copyright">APA/dpa/Armin Weigel</span>
Kindergärten sollen wieder mehr als erste Bildungseinrichtung verstanden werden, fordert die Initiative „Zukunft elementare Bildung“ und Eva Graf. APA/dpa/Armin Weigel

Elementarpädagoginnen begehren auf. Kindergärten sollen wieder primär als Bildungseinrichtungen verstanden werden. Eine betroffene Lustenauerin berichtet aus ihrem Alltag.

Lustenau, Bregenz Eva Graf bricht es das Herz. Sie habe ihren Job geliebt. Die Zeit mit den Kleinkindern. Sie sei gerne zur Arbeit gegangen.

„Ich habe alles geschluckt. Die unbezahlten Ferien. Dass wir lange nur spielende Kindergartentanten waren.“ Doch jetzt ging es nicht mehr.

„Meinen Traumberuf gibt es nicht mehr.“

Nach 30 Jahren als Elementarpädagogin hing Eva Graf im vergangenen Jahr diesen, ihren, Traumberuf an den Nagel. Es konnte einfach nicht mehr klappen, erzählt die Lustenauerin im Gespräch mit den Vorarlberger Nachrichten: „Ich kann die geforderte Bildungsqualität nicht mehr gewährleisten.“

Neues Gesetz als Problem

Ihr und vielen Kolleginnen hätte das Ende 2022 vom Landtag beschlossene Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz den Rest gegeben. Eva Graf hält zwar fest, dass der Beruf schon immer anstrengend gewesen sei. Was nun aber auf sie zugekommen wäre, sei nicht mehr tragbar: „Die Gruppen werden größer, außerdem können sie sogar noch mit viel älteren Schülerinnen und Schülern gefüllt werden“, sagt die 49-Jährige den VN. „Wenn Kindergärten zur Tagesinstitution werden, sind wir immer mehr in einer Babysitter-Rolle. Obwohl ich dachte, dass die Elementarbildung anerkannt wird. Es geht einfach viel mehr an die Grundbedürfnisse eines Kindes, zum Beispiel um emotionale Aspekte.“

Wie das Gesetz Elementarpädagoginnen im Land zur Verzweiflung treibt
Eva Graf war 30 Jahre lang Elementarpädagogin in Lustenau, mittlerweile arbeitet sie an einer Volksschule. Eva Graf/zur Verfügung gestellt

Ein Blick in die Erläuterungen zum Gesetz zeigt, dass solche Konstellationen vor dem Beschluss durchaus bedacht wurden: Von einer Gruppe, in der vier 2-Jährige, sechs 4-Jährige und sechs Schüler gleichzeitig betreut werden, ist darin die Rede. Eva Graf fragt sich: „Wem soll ich da noch gerecht werden? Kleinkindern, die ich wickle und gleichzeitig Mädchen, die vielleicht ihre erste Periode haben?“

Bildungslandesrätin Barbara Schöbi-Fink betont in einer Aussendung zum heutigen „Tag der Elementarbildung“, dass besonders relevant sei, „dass die Kinder von qualifiziertem und motiviertem pädagogischem Personal betreut und begleitet werden“.

Bildungslandesrätin Barbara Schöbi-Fink war für das neue Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz federführend zuständig. <span class="copyright">APA/Georg Hochmuth</span>
Bildungslandesrätin Barbara Schöbi-Fink war für das neue Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz federführend zuständig. APA/Georg Hochmuth

Unterdessen hielten die Gesetzesmaterialien fest: „Dem Grundsatz, wonach jedes Kind unter Achtung seiner Würde, seiner Bedürfnisse und Rechte individuell unterstützt und betreut werden soll, wird nur schwer entsprochen werden können, wenn in einer Gruppe der Altersunterschied zwischen den Kindern zu groß ist“, hieß es vonseiten der Landesregierung.

Beschlossen wurde das Gesetz von ÖVP und Grünen so dennoch. Sozialdemokraten, Freiheitliche und Neos stimmten dagegen.

Betreuung und Geringschätzung

Der Rankweiler Rechtsanwalt Alexander Jehle ortet außerdem weitere Schwachstellen im Kinderbildungs- und Betreuungsgesetz, wie er im VN-Gespräch erzählt. Unter anderem Jehle vertritt die Interessen des Vereins „Zukunft Elementare Bildung“, der morgen, Donnerstag, in Götzis ein Präsentationspapier präsentiert. Teilnehmen wird etwa Barbara Schöbi-Fink, wie es aus der Landespressestelle heißt. Kindergärten sollen laut Verein als Bildungsinstitution behandelt werden, nicht als reine Aufbewahrungsstätten.

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Für Alexander Jehle wurde das vom Landtag aber nicht ausreichend abgebildet, ganz im Gegenteil. „Zweck des Gesetzes ist nicht die Bildung unserer Kinder sondern die Schaffung von Betreuungsplätzen und die Erweiterung der Öffnungszeiten. Das mag seine Berechtigung haben, Betreuung ist allerdings vornehmlich Betreuung und eben nicht Bildung“, sagt er und zieht einen Vergleich zum Schulwesen: „Auch Maturanten werden im Realgymnasium betreut, keiner würde allerdings von einem Betreuungsplatz sprechen.“

Alexander Jehle ist Rechtsanwalt in Rankweil und vertritt den Verein „Zukunft Elementare Bildung“. <span class="copyright">Elke Kager-Meyer</span>
Alexander Jehle ist Rechtsanwalt in Rankweil und vertritt den Verein „Zukunft Elementare Bildung“. Elke Kager-Meyer

Der Jurist ortet außerdem eine Geringschätzung gegenüber Elementarpädagoginnen: „Das ergibt sich bereits daraus, dass dieser Begriff als solcher im Gesetz gar nicht mehr vorkommt, sondern nur jener des ‚Betreuungspersonals‘ oder der ‚pädagogischen Fachkraft‘.“ Letztere kann laut Gesetz jede Person sein, „welche die Mindeststandards einer elementarpädagogischen Ausbildung erfüllt”.

Für Jehle und den Verein ist das nicht nachvollziehbar: Es sei seit Langem bekannt, „dass die Elementarpädagogik der erste und für die Allgemeinheit wichtigste Bereich des Bildungssystems ist, da er die Basis für spätere Chancengleichheit und Entwicklung darstellt”.

Kinderbildung pur

Und davon ist auch Eva Graf überzeugt. Nach 30 Jahren im Kindergarten – mit 19 begann sie dort zu arbeiten – hat die Lustenauerin nun eine Vorschulklasse übernommen: „Hier bin ich Quereinsteigerin. So gut ich kann, fördere ich hier die Kinder ganzheitlich.“ Eigentlich ging sie davon aus, im Kindergarten in Pension zu gehen, der Job sei immer noch ihre große Liebe. Seit September kümmert sie sich nun aber an der Volksschule wirklich um die Kinderbildung, die Betreuung übernehmen andere: ab 11 Uhr 40 in der Schülerbetreuung.

Und Eva Graf muss auch nicht mehr am Wochenende ihren privaten Rasenmäher zum Kindergarten schleppen.

„Das war auch nie mein Job.“

Das Positionspapier des Vereins „Zukunft Elementare Bildung“ finden Sie hier.