Claudia Gamon verabschiedet sich in Rankweil von der europäischen Bühne

Politik / 27.01.2024 • 12:13 Uhr
Noch bis Juni Europaabgeordnete, dann steht Gamons Bühne in Bregenz. <span class="copyright">VN/Stiplovsek</span>
Noch bis Juni Europaabgeordnete, dann steht Gamons Bühne in Bregenz. VN/Stiplovsek

Die Neos küren bei Mitgliederversammlung mit 84 Prozent Helmut Brandstätter zum Spitzenkandidaten für die Europawahl. Gamons Blick gilt jetzt Bregenz.

Rankweil Freude, schöner Götterfunken! Die Europahymne als musikalische Untermalung eines Abschieds und eines Beginns im politischen Leben der Claudia Gamon. Die Neos haben am Samstag in Rankweil ihren Spitzenkandidaten für die Europawahl am 9. Juni gewählt: Helmut Brandstätter, 84 Prozent stimmen für ihn. Für Claudia Gamon endet damit bald die fünfjährige Amtszeit im Europaparlament. Um im Herbst in ihre neue parlamentarische Rolle zu schlüpfen. Als wahrscheinliche Spitzenkandidatin und spätere Landtagsabgeordnete wechselt sie von Brüssel nach Bregenz. Ihre Begrüßungs- und Abschiedsworte widmen sich deshalb beiden Orten.

Rund 150 Menschen sind nach Rankweil gekommen, 50 weitere wählen online.<span class="copyright"> VN/Stiplovsek</span>
Rund 150 Menschen sind nach Rankweil gekommen, 50 weitere wählen online. VN/Stiplovsek

Dort, wo in Rankweil regelmäßig Ü30-Partys gefeiert werden, sitzen an diesem Tag Menschen, einige noch U30, in Hemd, Sakko, mit gestriegelten Haaren, hören abwechslungsweise zu oder klatschen. Auch als Gamon die große politische Bühne betrat, wäre sie bei der Ü30-Party am Türsteher gescheitert. Die Nenzingerin war 26 Jahre alt, als sie im Jahr 2015 in den Nationalrat nachrückte. Für eine gewisse Beate Meinl-Reisinger, die sich in Wien in den Landtagswahlkampf stürzte und ihr Mandat zurücklegte.

An diesem Samstag in Rankweil stehen sie beide auf der Bühne. Meinl-Reisinger ist Parteichefin, Gamon wird sich in den Landtagswahlkampf stürzen. Gamon, mittlerweile 35, schwört die Mitglieder auf das Superwahljahr ein: EU-Wahl, Nationalratswahl, Landtagswahl. Aus Brüssel könne sie einiges mitnehmen, sagt die Neos-Landesvorsitzende. Vor allem: “Das Gespür für Zukunft. In der Europäischen Union wird Zukunft gemacht. Das ist das, was Österreich braucht. Das ist das, was Vorarlberg braucht.” Blick nach vorn.

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Momentan dominiere aber der Blick auf Umfragen, ärgert sich Gamon. Die Wählerinnen und Wähler würden sehen, wie die FPÖ vorn liegt und deshalb die ÖVP wählen. “Die ÖVP wird uns das zumindest das ganze Jahr erzählen”, ist sie überzeugt und fordert: “Wir müssen raus aus diesem Teufelskreis.” Die Neos seien momentan die beliebteste zweite Wahl – was sich ändern müsse, sagt Gamon. Deshalb müsse den Menschen klargemacht werden, diesmal Neos zu wählen. “Es ist Zeit für neue Mehrheiten!”, ruft Gamon den 150 Gästen im Saal entgegen. Deren Dank: Applaus und Freude! Der Götterfunken springt über.

Fünf Jahre EU-Parlament, jetzt geht's für Claudia Gamon in den Landtag. <span class="copyright">VN/Stiplovsek</span>
Fünf Jahre EU-Parlament, jetzt geht's für Claudia Gamon in den Landtag. VN/Stiplovsek

Noch stärker, als nach ihr Beate Meinl-Reisinger die Bühne betritt, über Europa, die Ukraine, die Bundesregierung und den Wahltermin spricht. “Ich kann mich noch an deinen Europawahlkampf erinnern”, wendet sich die Parteichefin an Gamon. Plötzlich sei über ein europäisches Heer und die Vereinigten Staaten von Europa gesprochen worden. Europahymne, Europafahnen, Europastrampler bei Babys; die EU ist in Rankweil allgegenwärtig. Eine Österreich-Fahne sucht man vergebens, trotzdem wird auch über die Nationalratswahl gesprochen. Meinl-Reisinger thematisiert einen möglichen vorgezogenen Wahltermin. Will sie früher wählen? “Es is ma Wuascht!”, ruft sie ins Mikrofon. Die Regierung bringe eh nichts mehr zustande, dann solle man besser sofort wählen. Die Regierung sei völlig planlos. “Taktiererei ist mittlerweile das bestimmende Element der politischen Parteien.” Die Neos seien ein Gegenmodell, fährt sie fort. Die Partei der Mitte. Man merkt: Superwahljahr.

Beate Meinl-Reisinger und die Vision der Neos: Die Vereinigten Staaten von Europa.<span class="copyright"> VN/Stiplovsek</span>
Beate Meinl-Reisinger und die Vision der Neos: Die Vereinigten Staaten von Europa. VN/Stiplovsek

Und so wandert der Funken durch die verschiedenen Wahlschauplätze. Während die Stimmen ausgewertet werden, folgen Grußworte aus Salzburg, Grußworte aus Innsbruck … Dann 11:25 Uhr. Große Freude, das Ergebnis ist da. Claudia Gamon und Beate Meinl-Reisinger auf der Bühne, auf der Leinwand das Abstimmungsergebnis: 84 Prozent der 200 abstimmenden Mitglieder wählen Helmut Brandstätter zum Neos-Spitzenkandidaten der EU-Wahl. Claudia Gamon wurde vor fünf Jahren mit 95,2 Prozent gekürt.

Die ukrainische Parlamentsabgeordnete Kira Rudyk (Mitte) wurde als Stargast auf der Bühne begrüßt. <span class="copyright">VN/Stiplovsek</span>
Die ukrainische Parlamentsabgeordnete Kira Rudyk (Mitte) wurde als Stargast auf der Bühne begrüßt. VN/Stiplovsek

Brandstätter bedankt sich, spricht über seine Entscheidung vor fünf Jahren in die Politik zu wechseln, widmet sich Europa. Er blickt in die Vergangenheit, auf Kriege, auf Verbrechen, auf den Mauerfall und eine “wunderbare Geschichte”, wie er die Integration des Kontinents nennt. Jetzt sei Europa aber wieder bedroht. Wie schon Meinl-Reisinger widmet er sich der FPÖ-Vorstellung einer Festung Europa. “Aber wer ein Patriot ist, der ist für Europa”, sagt er. Man werde sich gegen Chauvinisten und Nationalisten wehren. ÖVP und FPÖ hätten die Energieversorgung ausschließlich an Russland verkauft, fährt er fort. Und warnt vor einer rechts-rechts-Regierung. Auch er spricht über die Ukraine, in englischen Worten wendet er sich direkt an die ukrainische Parlamentsabgeordnete Kira Rudyk, die an diesem Tag in Rankweil im Publikum sitzt und später selbst das Wort ergreift, um emotional über die Schrecken des russischen Angriffs zu berichten. Brandstätter streift zahlreiche Themen: Klimawandel, Sicherheit, Bildung. Der neue Spitzenkandidat hat nach Gamon und Meinl-Reisinger zwar einen schweren Stand auf der Bühne, aber jetzt gehört sie ihm. Die Menge erhebt sich, applaudiert und jubelt.

Auf Platz 15 findet sich mit Christoph Gruber der erste Vorarlberger auf der Liste.

Gamon und Meinl-Reisinger mit ihrem neuen EU-Spitzenkandidaten. <span class="copyright">VN/Stiplovsek</span>
Gamon und Meinl-Reisinger mit ihrem neuen EU-Spitzenkandidaten. VN/Stiplovsek

Mit 68 Jahren hat Brandstätter einiges erlebt. Jetzt möchte er ins Europaparlament. Den Einzug ins Ü30-Clubbing in Rankweil dürfte er schon jetzt ohne Probleme schaffen.