„Das Bordell in Hohenems war besonders interessant“

Politik / 07.02.2024 • 16:30 Uhr
Nikolaus Brandtner ist seit zehn Jahren an der Spitze des Landesverwaltungsgerichts.<span class="copyright"> VN/Stiplovsek</span>
Nikolaus Brandtner ist seit zehn Jahren an der Spitze des Landesverwaltungsgerichts. VN/Stiplovsek

Der Präsident des Landesverwaltungsgerichts, Nikolaus Brandtner, blickt zum Zehnjährigen auf die interessantesten Fälle zurück.

Bregenz Heuer vor zehn Jahren ist in Österreich die Landesverwaltungsgerichtsbarkeit eingeführt worden. Was kompliziert klingt, war ein Meilenstein für jede Bürgerin und jeden Bürger. Seitdem können sich alle, die mit einer Entscheidung einer Behörde nicht einverstanden sind, an das Landesverwaltungsgericht in Bregenz wenden. Nikolaus Brandtner ist seit Beginn Präsident des Landesverwaltungsgerichts. Im VN-Interview blickt er auf die letzten zehn Jahre zurück und berichtet von den spannendsten Fällen.

Zehn Jahre Landesverwaltungsgericht. Wie hat sich Ihre Arbeit in dieser Zeit verändert?

Brandtner: Die Schwerpunkte ändern sich ständig. Bis zuletzt hatten wir viel mit dem Covid-19-Maßnahmengesetz zu tun. Vorletztes Jahr sind sowieso die meisten Fälle seit Bestehen angefallen. Im vergangenen Jahr waren es 1600 Verfahren. Momentan wandelt es sich wieder, es geht vermehrt um Klimaaktivisten und Versammlungen in der Bannmeile des Landtags. Zuvor hatten wir Häufungen wegen des Bettelverbots, und ein anderes Mal, weil die Polizei verstärkt Glücksspielkontrollen durchgeführt hat.

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Das heißt, es wird auch nach zehn Jahren nicht langweilig?

Brandtner: Nein, kein bisschen. Wir sind theoretisch für 300 Gesetze zuständig, bisher haben wir uns mit rund 200 beschäftigt. Es könnte also immer etwas Neues dazu kommen.

In dieser Zeit haben Sie einiges erlebt und stehen immer wieder in der Öffentlichkeit. Ich erinnere mich etwa an einen Mann, der bei Ihnen einen Akt angesehen hat und mit diesem Akt verschwinden wollte. Kommt so etwas öfter vor?

Brandtner (lacht): Nein, das war ein einmaliges Ereignis. Für Aufsehen sorgte auch die Strafe für KHBG-Chef Gerald Fleisch. Wir haben uns relativ lange mit der Messepark-Erweiterung beschäftigt. Das Bordell hat uns zweimal beschäftigt, dann eben Bettler, die Raststätte Hörbranz, der Rohrspitz, die Apotheke Weidach mehrfach, der Speicherteich, die Teststraßenvergabe, die Enteignung für einen Radweg …

Das war ein besonders interessantes Verfahren.

Brandtner: Ja, sehr außergewöhnlich. Da war strittig, ob der Bescheid mitgeschickt wurde. Unstrittig war, dass ein Kuvert verschickt wurde und dort mehrere Unterlagen drin waren. Und darüber, ob der Bescheid drin war, ist dann gestritten worden.

Brandtner erzählt: „Wir hatten richtig große Verfahren, wie jenes über die Raststätte Hörbranz. Da gab es rund 250 Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer. Wir haben extra einen Saal gemietet.“ <span class="copyright">VN/Stiplovsek</span>
Brandtner erzählt: „Wir hatten richtig große Verfahren, wie jenes über die Raststätte Hörbranz. Da gab es rund 250 Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer. Wir haben extra einen Saal gemietet.“ VN/Stiplovsek

Wie hoch ist die Erfolgsquote bei Beschwerden?

Brandtner: Die liegt bei rund 25 Prozent. Das klingt zwar nach relativ viel. Aber in Anbetracht der Gesamtzahl der Verfahren ist das ein sehr geringer Prozentsatz. Die Bezirkshauptmannschaften erledigen sicher über 400.000 Verfahren pro Jahr. Wenn davon 1200 Verfahren bei uns landen, werden 250 teilweise oder ganz aufgehoben. Das sind nicht viel.

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Welcher Fall war aus Sicht eines Juristen besonders interessant?

Brandtner: Wir hatten richtig große Verfahren, wie jenes über die Raststätte Hörbranz. Da gab es rund 250 Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer. Wir haben extra einen Saal gemietet. Üblicherweise kann man in so einem Fall eine Gemeinde anrufen. Aber da die Gemeinde in das Verfahren involviert war, konnten wir nicht in einen Gemeindesaal gehen. Das hätte kein gutes Bild abgegeben. Am Ende haben wir uns dann beim Kolpinghaus eingemietet. Ein anderes besonders interessantes Thema war das Bordell in Hohenems.

Da ging es um Sicherheitsfragen, oder?

Brandtner: Ja, die Rechtsfrage war schwierig zu beantworten. Das Recht ist bei uns so: Wenn ein Bordell zur Eindämmung von negativen Auswirkungen der Prostitution sinnvoll oder erforderlich ist, kann man es genehmigen. Es hat sich aber schnell herausgestellt, dass es gar nicht einfach ist, das herauszufinden.

Wie ermittelt man da?

Brandtner: Man sucht Studien, holt Stellungnahmen von der Polizei ein und überall dort, wo es Erfahrungen gibt. Interessant war zu sehen, dass mit einem Bordell die Begleitkriminalität nicht zurückgeht. Das hat man auch in Deutschland beobachtet. Also kann sie mit dem Bordell auch nicht eingedämmt werden.

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Wo orten Sie in Österreichs Verwaltungsgerichtsbarkeit Verbesserungsbedarf?

Brandtner: In der Präsidentenkonferenz sind alle elf Verwaltungsgerichte vertreten. Da erarbeiten wir immer wieder Vorschläge, viele sind auch umgesetzt worden. Zum Beispiel, dass die Videoverhandlungen ins Dauerrecht übernommen werden. Verbesserungsbedarf gibt es beispielsweise bei den Beweismitteln, also dass die Parteien möglichst zeitnah bekannt geben, welche Beweise sie erhoben haben möchten. Das würde der Verfahrensbeschleunigung dienen. Auch den Umgang mit Menschen, die unentschuldigt nicht zur Verhandlung kommen, könnte man ändern. In Deutschland kann unter Umständen das Verfahren beendet werden, wenn offenkundig kein Interesse daran besteht, weil ein Beschwerdeführer einfach nicht erscheint.

„Verbesserungsbedarf gibt es beispielsweise bei den Beweismitteln, also dass die Parteien möglichst zeitnah bekannt geben, welche Beweise sie erhoben haben möchten. Das würde der Verfahrensbeschleunigung dienen.“ <span class="copyright">VN/Stiplovsek</span>
„Verbesserungsbedarf gibt es beispielsweise bei den Beweismitteln, also dass die Parteien möglichst zeitnah bekannt geben, welche Beweise sie erhoben haben möchten. Das würde der Verfahrensbeschleunigung dienen.“ VN/Stiplovsek

Die Politik ist mit der Arbeit der Gerichte nicht immer zufrieden. Bei der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zur dritten Piste in Wien haben sich Landeshauptleute darüber beschwert, dass die Politik solche Entscheidungen treffen sollte, nicht die Gerichte. Zurecht?

Brandtner: Das ist eine grundsätzliche Frage der Verwaltungsgerichtsbarkeit. Darüber ist schon diskutiert worden, als sie eingeführt wurde. Durch Entscheidungen des Gerichts geht natürlich auch die politische Verantwortlichkeit verloren. Nach der Entscheidung des Gerichts ist niemand mehr da, der politisch verantwortlich eine Entscheidung ändert. Zum Beispiel jetzt beim Abschussbescheid des Wolfes. Das bringt für Politiker aber auch eine gewisse Entlastung von Verantwortung.

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Das ist dann ja speziell der Verfassungsgerichtshof, der immer wieder Entscheidungen der Regierung ändert, bei der Sozialhilfe oder der passiven Sterbehilfe war das der Fall.

Brandtner: Das ist seine Aufgabe, deshalb wird er auch als negativer Gesetzgeber bezeichnet. Unsere gesetzgebenden Organe sind der Nationalrat und der Landtag. Und der VfGH prüft dann die Verfassungsmäßigkeit der Entscheidungen. Das hat natürlich einen gewissen politischen Einfluss.

„Unsere gesetzgebenden Organe sind der Nationalrat und der Landtag. Und der VfGH prüft dann die Verfassungsmäßigkeit der Entscheidungen. Das hat natürlich einen gewissen politischen Einfluss.“ <span class="copyright">VN/Stiplovsek</span>
„Unsere gesetzgebenden Organe sind der Nationalrat und der Landtag. Und der VfGH prüft dann die Verfassungsmäßigkeit der Entscheidungen. Das hat natürlich einen gewissen politischen Einfluss.“ VN/Stiplovsek

Manche Ihrer Entscheidungen werden veröffentlicht, andere nicht. Wie entscheiden Sie das?

Brandtner: Wir veröffentlichen die Fälle, die aus unserer Sicht eine grundlegende Rechtsfrage betreffen. Das ist eine reine Personalfrage. Wir haben einen juristischer Mitarbeiter, der das macht, aber nur in 30 Prozent seiner Tätigkeit. Man könnte schon alles veröffentlichen, aber der Aufwand wäre relativ hoch, weil jede Entscheidung anonymisiert werden muss. Die Transparenz ist trotzdem hoch, weil Verhandlungen öffentlich sind. Und dort, wo keine Entscheidungen verkündet werden, kann danach jeder Einsicht in die Entscheidung nehmen.

Brandtner war bereits mehr als zwei Jahre Präsident des Unabhängigen Verwaltungssenats (UVS), dem Vorgänger des Landesverwaltungsgerichts. <span class="copyright">VN/Stiplovsek</span>
Brandtner war bereits mehr als zwei Jahre Präsident des Unabhängigen Verwaltungssenats (UVS), dem Vorgänger des Landesverwaltungsgerichts. VN/Stiplovsek

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