Nach Verdacht auf Medikamentenhandel schäumen die Tierärzte

Politik / 15.02.2024 • 18:35 Uhr
Nach Verdacht auf Medikamentenhandel schäumen die Tierärzte
Robert Griss, Präsident der Vorarlberger Tierärztekammer, warnt: Gehen die Medikamentenbestellungen an Vorarlbergs Tierärzten vorbei, fehlt die Kontrolle. DPA, VN

Nach Verdacht des Medikamentenkaufs in Deutschland droht Tierärztekammer mit Auflösung des Rahmenvertrages. Für Landwirte hätte dies große Konsequenzen.

Darum geht’s:

  • Die Bezirkshauptmannschaft Bregenz ermittelt wegen möglichen Medikamentenhandels bei Landwirten.
  • WhatsApp-Nachrichten über Medikamentenbestellungen in Deutschland wurden gefunden.
  • Die Tierärztekammer könnte den Vertrag mit der Landwirtschaftskammer kündigen.

Schwarzach Die Abgabe von Medikamenten an Vorarlbergs Landwirte ist streng geregelt. Die Milchbetriebe dürfen nur von Vorarlberger Tierärzten Medikamente bekommen – mit wenigen Ausnahmen, wie im Kleinwalsertal. Am Mittwoch ist bekannt geworden, dass die Bezirkshauptmannschaft (BH) Bregenz Ermittlungen aufgenommen haben, weil sich manche Landwirte vielleicht nicht daran halten. Die Tierärztekammer schäumt. Sollte sich der Vorwurf bewahrheiten, ist sie zum Äußersten bereit: Sie würde den Rahmenvertrag mit der Landwirtschaftskammer kündigen. Und das würde die Bauern vor große Probleme stellen.

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Aufgekommen ist der Verdacht eigentlich aufgrund einer Anzeige wegen Tierquälerei. Einem Landwirt im Vorderwald wird vorgeworfen, eine Kuh an der Zunge angebunden und so sehr daran gezogen zu haben, dass die Zunge abriss. Im Zuge der Ermittlungen sichtete die Polizei das Handy des Landwirts und fand in WhatsApp-Gruppen Nachrichten über Medikamentenbestellungen in Deutschland. Mittlerweile ermittelt die Bezirkshauptmannschaft in diesem Fall.

Warum?

Die Frage, die über allem schwebt: Einzelfall oder System? Tierärzte sprechen von der Spitze des Eisbergs, manche vermuten es schon lange. Aber es fehlen Beweise. Jetzt könnte es so weit sein. Zwar möchten die wenigsten offiziell sprechen – aber alle betonen: Auch wenn es System hat, handelt es sich höchstens um ein paar schwarze Schafe. Aber warum müssen Landwirte aus dem Vorderwald Medikamente in Deutschland holen?

Versorgung ist gut

An der Versorgung dürfte es nicht liegen. Zumindest sagen das die Tierärzte. Im Vorderwald sei jeder Landwirt versorgt, heißt es. Und wenn man in Deutschland bei Tierärzten aus den Nachbargemeinden anruft, erzählen sie: Die Versorgung im Bregenzerwald sei besser als bei ihnen. Zwei Gründe werden im Laufe der Recherche als Möglichkeiten angeführt: Der Preis, und dass man die Medikamente selbst verabreichen kann, ohne Kontrolle. Das bestätigt auch die Bezirkshauptmannschaft. Die Untersuchungen würden sich darum drehen, ob deutsche Tierärzte den österreichischen Landwirten Medikamente überlassen haben, die sie nicht selbst verwenden dürften.

Hilfe im Notfall erlaubt

Dass immer wieder deutsche Tierärzte im Bregenzerwald aushelfen, ist ein offenes Geheimnis. In Sulzberg etwa ist ein deutscher Tierarzt regelmäßiger Gast. Im Notfall dürfen sie das auch. Sonst allerdings nicht. Vorarlbergs Landwirtschaftskammer hat mit der Tierärztekammer die Zusammenarbeit vertraglich geregelt. Gemeinden sind Tierärzten zugeteilt, diese Tierärzte kümmern sich um die Betriebe, verabreichen Impfungen, entwurmen die Tiere und regeln die Medikamentenabgabe. Vor allem aber dokumentieren sie die Medikamente – alles, was die Tiere bekommen, wird kontrolliert und registriert. Bedienen sich Landwirte aber im Ausland, fällt diese Kontrolle weg, ärgert sich Robert Griss, Präsident der Vorarlberger Tierärztekammer. “Da geht es um unsere Lebensmittel, dass sie sauber sind! Wenn die Medikamente von woanders kommen, verlieren wir die Kontrolle.”

“Das wäre Vertragsbruch”

Griss betont, dass er die aktuellen Verdächtigungen nur aus den Medien kennt. Dennoch ist er verärgert. Und er warnt: “Wir warten die Ergebnisse ab. Aber sollten sie sich bewahrheiten, werden wir in der Härte reagieren, in der wir können.” Und das heißt? “Das wäre Vertragsbruch und wir wären gezwungen, den Vertrag per sofort aufzulösen.” Vorarlbergs Landwirte müssten dann selbst Behandlungsvereinbarungen mit den Tierärzten abschließen. Und sie würden aus dem Tiergesundheitsdienst fallen – dem eigentlich Grund für den Rahmenvertrag.

Konsequenzen für Landwirte

Der Rahmenvertrag regelt, dass alle Landwirte Teil des Tiergesundheitsdienstes sind. Wer Mitglied ist, erhält Förderungen für Impfungen, Wurmkuren und Ähnliches. Außerdem wird darin geregelt, dass die Abwicklung der regelmäßigen Arztbesuche über die Tierärzte läuft. “Für uns ist das eine unglaubliche Bürokratie, den Landwirten wird damit aber viel Arbeit erspart”, erläutert Griss. Ohne Vertrag würden den Landwirten also sowohl Förderungen für Arztbesuche verlieren als auch bürokratische Pflichten selbst erfüllen müssen. Der TGD-Beirat verhandelt zudem mit den Tierärzten alljährlich die Honorare.

Erhebungen laufen

Außerdem sieht der Rahmenvertrag vor, dass Tierärzte einem Landwirt Medikamente abgeben dürfen, wenn sie das Tier untersuchen, die Erstbehandlung übernehmen und wenige Tage später nach dem Tier sehen. Dazwischen darf der Landwirt den Tieren die Medikamente geben. Auch diese Möglichkeit fällt ohne Vertrag weg, sagt Griss. Aber er hält noch einmal fest: Noch gibt es nichts Konkretes, jetzt müsse man mal die Ermittlungen abwarten. Jetzt ist einmal die Bezirkshauptmannschaft am Zug.