Johannes Huber

Kommentar

Johannes Huber

Verbindung verloren

Politik / 15.03.2024 • 14:00 Uhr

Bürgerliche hatten in der Stadt Salzburg davor gewarnt, die KPÖ zu wählen. Vergeblich: Fast ein Viertel der Stimmen entfiel am vergangenen Sonntag auf diese. 23,1 Prozent, um genau zu sein. Entsprechend stark wird sie künftig im Gemeinderat vertreten sein. Die ÖVP stürzte auf 20,8 Prozent ab, die FPÖ musste sich mit 10,8 Prozent begnügen. Außerdem: KPÖ-Mann Kay-Michael Dankl hat es in die Stichwahl um das Amt des Bürgermeisters geschafft. Am Palmsonntag wird sich entscheiden, ob er oder ein Sozialdemokrat die Stadt künftig führen wird.
Reaktionen: Für die ÖVP rückte der langjährige Obmann, Ex-Kanzler Wolfgang Schüssel, aus, um sich darüber zu empören, dass Dankl für die Kommunisten tätig ist: „Die Marke ist toxisch.“ Es sei unfassbar. Natürlich: Darüber kann, ja muss man sich wundern.

Man sollte jedoch genauer hinschauen: Weder in Salzburg noch in Österreich insgesamt gibt es eine Sehnsucht nach Kommunismus. Als Partei spricht die KPÖ kaum jemanden an. Ihr Erfolg ist ausschließlich durch das Wirken von Personen erklärbar. In Graz durch jenes von Bürgermeisterin Elke Kahr, in Salzburg das von Dankl.

Schüssel wäre gut beraten, sich weniger an Kommunisten abzureagieren. Wesentlich ist, was diese größer macht.

Das „Geheimnis“ des 35-Jährigen ist, dass er bei den Leuten ist, zuhört und hilft, wenn es nötig erscheint. Im Zentrum steht dabei das Problem, das vielen zu schaffen macht: Wohnen. Das wird geschätzt. Umso mehr als etwa Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) daherkommt und versucht, das Problem zu relativieren. Es ist tragisch. Wenn er schon nicht spüren mag, was eine Masse bewegt, könnte er zumindest eine aktuelle WIFO-Studie studieren: Wer wenig verdient, kann es sich kaum oder gar nicht leisten, in der Stadt zu leben. Zuwanderer finden keine Wohnung. Es ist zu wenig gebaut worden. Unterm Strich herrscht daher Abwanderung. Die Folge: ein verschärfter Arbeitskräftemangel. Salzburg hat ein echtes Standortproblem.

Dankl spricht nicht nur Linke an, sondern auch Anhänger von ÖVP und FPÖ. Das zeigen Wählerstromanalysen von der Landtagswahl 2023, bei der er auch schon dabei war. Ein Wunder? Nein: Er widmet sich Leuten unmittelbar und so, dass sie es glaubwürdig finden. Gerade in der Kommunalpolitik wäre es einfach, einen Blender zu durchschauen. Er hat offenbar mehr zu liefern. Wobei ihm hilft, was sonstige Politik zu bieten hat. Auch auf Bundesebene: Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) bemüht sich um eine Normalitätsdebatte oder die Verankerung von Bargeld in der Verfassung. Herbert Kickl (FPÖ) arbeitet mit Aggressionen und verspricht, „die da oben“ zu treten. Das geht an den Sorgen und Nöten all jener vorbei, die sich schwertun, über die Runden zu kommen. Es zeigt ihnen nur, dass sie vollkommen egal sind. Andreas Babler (SPÖ) würde gerne einspringen, er hat unter anderem jedoch mit eigenen Genossen zu kämpfen.

Alles in allem wäre Wolfgang Schüssel gut beraten, sich weniger an Kommunisten abzureagieren. Wesentlich ist, was diese größer macht: Zu viele etablierte Parteien und Politiker haben die Verbindung zu Menschen verloren. Sie sitzen in Büros und lassen sich im schlimmsten Fall von schlechten Beratern irgendwelche Botschaften einreden, die darüber hinwegtäuschen sollen. Genau damit jedoch verstärken sie die Wirkung von Einzelkämpfern wie Dankl erst recht, obwohl dieser Kommunist ist.

Johannes Huber
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Johannes Huber betreibt die Seite dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik.