Brunner über höhere Gehälter für Polizisten im Westen: “So einfach ist die Lösung nicht”

Politik / 19.03.2024 • 20:47 Uhr
top 100, interview magnus brunner
Finanzminister Magnus Brunner war bei den VN Top 100 zu Gast. VN/Steurer

Finanzminister könnte sich aber Zuschläge in Vorarlberg vorstellen – wenn das Land mitzahlt.

INTERVIEW: ISABEL RUSS & MICHAEL PROCK

Lauterach Österreich und der Bodenverbrauch – eine schier endlose Diskussion. Am Rande der VN-Top-100-Veranstaltung nahm Österreichs Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) ebenfalls zu diesem Thema Stellung. Von einer verpflichtenden Hektargrenze hält er nichts. Außerdem sprach er im VN-Interview ausführlich über das Wohnbaupaket, die Hypo Vorarlberg und den Vorschlag, dass Vorarlberger Polizisten mehr verdienen sollen als ihre Kollegen im Burgenland.

Das BIP steigt langsam, die Teuerung liegt immer noch über vier Prozent. Ist unsere Wirtschaft für diese Situation eigentlich noch lange gerüstet?

Brunner: Wir sind nicht so schlecht aufgestellt. Wir sind natürlich ganz stark von Deutschland abhängig. Das betrifft Vorarlberg, aber auch Österreich insgesamt. Trotzdem haben wir es Gott sei Dank geschafft, uns etwas abzukoppeln. Deutschland liegt beim Wachstum bei 0,0 bis 0,2, wir liegen bei 0,5 bis 0,6, je nach Institut. Aber natürlich, die Herausforderung ist groß. Bei der Inflation liegen wir zwar mit 4,3 Prozent über dem europäischen Schnitt, aber man muss auch analysieren, weshalb, es hat mehrere Gründe. Und es geht runter. Die Nationalbank hat uns zuletzt für das Gesamtjahr 3,6 Prozent prognostiziert. Bei der Kaufkraft ist Österreich hingegen unter den Top drei in Europa. Die real verfügbaren Haushaltseinkommen werden heuer um 2,6 Prozent steigen.

Wie kann die Bundesregierung denn da noch eingreifen und die Unternehmen in dieser Situation unterstützen?

Brunner: Zum Teil damit, dass wir sie steuerlich entlasten. Das haben wir in den letzten Monaten eh schon gemacht. Die Senkung der Körperschaftssteuer von 25 auf 23 Prozent wird im Standortwettbewerb oft unterschätzt. Deswegen sind wir ja kein Niedrigsteuerland. Aber es ist im Wettbewerb in Europa durchaus ein Vorteil. Beim Kapitalmarkt haben wir hingegen noch Nachholbedarf aus meiner Sicht. Jetzt muss man das Thema Leistung vor den Vorhang holen. Etwa steuerlich erleichtern, dass man länger im Arbeitsleben bleiben kann. Wir haben etwa damit begonnen, die Überstunden steuerlich zu entlasten. Aber das reicht nicht aus, die Steuern auf Überstunden sollten komplett abgeschafft werden. Auch sollten noch mehr Anreize zur Vollzeitarbeit gesetzt werden.

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Brunner: “Ich bin froh darüber, dass Blum weiter in Österreich investiert.” VN/Steurer

In Vorarlberg sind nicht nur die Arbeitskräfte knapp, auch der Boden fehlt. Die Firma Blum musste nach Niederösterreich ausweichen, weil der Platz fehlt. Gleichzeitig wird über Bodenverbrauch diskutiert. Was würde ein Höchstwert von 2,5 Hektar pro Tag Bodenverbrauch für das Wirtschaftswachstum bedeuten?

Brunner: Vorarlberg ist da natürlich in einer speziellen Situation. Auf der einen Seite ist ein See, auf der anderen Seite sind Berge, da ist man natürlich etwas eingeschränkt. Umso notwendiger ist es, den Boden sinnvoll zu nutzen, damit Unternehmen wachsen können. Außerdem sind die Grundstückspreise über der Grenze in Deutschland wesentlich niedriger, weshalb die Konkurrenzsituation durchaus gegeben ist. Als österreichischer Finanzminister muss ich darum natürlich sagen, dass es für den Standort spricht, wenn sich ein Vorarlberger Unternehmen dafür entscheidet, innerhalb Österreichs zu wachsen. Ich bin froh darüber, dass Blum weiter in Österreich investiert.

Die 2,5-Hektar-Grenze wäre also kein Hemmschuh für das Wachstum?

Brunner: Man muss sich das schon genau anschauen. Es kann durchaus eine Bremse sein. Aber ich finde, die Bremse auf eine konkrete Zahl herunterzubrechen, ist etwas zu kurz gedacht. Man muss das zu Ende durchdenken. Ich bin zurückhaltend, wenn es um diese klaren Vorgaben geht. Nicht jedes Bundesland hat dieselben Voraussetzungen. Vorarlberg hat topografisch besondere Herausforderungen, andere Bundesländer haben vielleicht mehr Flächen. Darauf individuell zu achten, wäre wichtig. Wie auch, Dinge zu Ende zu denken und nicht von heute auf morgen.

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Brunner: “Insgesamt fließen aus dieser Milliarde 43,24 Millionen Euro nach Vorarlberg.” VN/Steurer

Auch Wohnungen brauchen Platz. Das Wohnpaket könnte also auch den Bodenverbrauch in die Höhe treiben. In Vorarlberg ist der Boden schon knapp, würden die Bodenpreise dadurch nicht noch weiter steigen?

Brunner: Das Wohnpaket hat mehrere Ziele. Einerseits soll es die Konjunktur unterstützen, die Baubranche weist eine Delle auf. Im letzten Quartal 2023 gab es in der Baubranche einen Rückgang von zehn Prozent. Es geht um Zulieferer, um das Baunebengewerbe, es geht um 350.000 Arbeitsplätze. Der zweite wichtige Punkt ist die Leistbarkeit von Eigentum. Da haben wir mit der Abschaffung der Nebengebühren etwas getan, was heute im Nationalrat beschlossen wird. Dritter Punkt ist der Zweckzuschuss für die Wohnbauförderung der Länder. Dazu kommen weitere Maßnahmen wie der Handwerkerbonus. Und natürlich der Zweckzuschuss von einer Milliarde Euro für den leistbaren Wohnbau.

Wie hoch ist der Anteil für Vorarlberg an dieser Milliarde für den gemeinnützigen Wohnbau?

Brunner: Der Verteilungsschlüssel ist eine Mischform zwischen pro Kopf und anderen Dingen. Es wird etwa eine Verpflichtung zur Fotovoltaik-Anlage dabei sein. Dann geht es um die Anzahl von gemeinnützigen Wohnungen insgesamt und den Anteil von Wohnungen mit fossilen Energieträgern im gemeinnützigen Bereich. Insgesamt fließen aus dieser Milliarde 43,24 Millionen Euro nach Vorarlberg.

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Brunner: “Aber bei der Entscheidung, ob ein Bundesland Anteile an einer Bank hält oder nicht, da möchte ich mich nicht einmischen.” VN/Steurer

Vorarlbergs Hypobank steht derzeit im Fokus der Öffentlichkeit, weil Kredite für Firmen aus dem Benko-Imperium auszufallen drohen. Ist es Aufgabe einer Landesbank, Kredite für Benko-Projekte in Wien oder Berlin zu vergeben?

Brunner: Da hat der Landeshauptmann als Eigentümervertreter schon alles gesagt. Wir haben im vergangenen November die Nationalbank gebeten, sich anzusehen, welche Auswirkungen die Signa-Pleiten auf die Finanzmarktstabilität hat. Das Ergebnis: Die Stabilität ist gewährleistet.

Macht eine Bank im öffentlichen Eigentum Sinn?

Brunner: Ehrlich gesagt kann ich das bei der Hypo nicht beurteilen, das muss der Eigentümer machen. Es gibt Bundesländer, die Anteile an einer Bank halten. Es gibt welche, die die Wohnbauförderung über bestimmte Banken abwickeln. Aber bei der Entscheidung, ob ein Bundesland Anteile an einer Bank hält oder nicht, da möchte ich mich nicht einmischen. Das ist Sache der Eigentümer.

Was hält der Finanzminister und politische Kopf Magnus Brunner grundsätzlich von Banken im öffentlichen Eigentum?

Brunner: Aus Bundessicht machen Anteile durchaus Sinn, wenn es Infrastruktur betrifft. Also alles im Strombereich, wie beim Verbund, auch Anteile an der OMV und der Telekom machen Sinn. Aber auch da mischen wir uns nicht ins operative Geschäft ein. Auch, was die Bundesimmobilien betrifft. Aber ich bitte um Verständnis, ich kann die Situation im Land mit der Hypo schwer beurteilen, weil ich die Details nicht kenne. Es kann schon Argumente für eine Bank im öffentlichen Eigentum geben, zum Beispiel im Wohnbereich. Außerdem ist die Dividende keine schlechte Einnahmequelle. Es wird nachvollziehbare Gründe geben, aber ich bin nicht der Eigentümervertreter.

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Brunner: “Ich verstehe schon, dass die Lebenshaltungskosten in Vorarlberg höher sind als im Südburgenland. Man muss den öffentlichen Dienst aber gesamthaft sehen.” VN/Steurer

Ein Themensprung: Polizeivertreter und auch der Vorarlberger Landtag fordern schon längere Zeit ein Kaufkraftausgleich für die Polizei im Land, also mehr Geld für Vorarlberger Polizisten als für Kollegen im Burgenland …

Brunner: … aber auch für Lehrer? Für andere im öffentlichen Dienst? Das ist das Grundproblem. Ich verstehe schon, dass die Lebenshaltungskosten in Vorarlberg höher sind als im Südburgenland. Man muss den öffentlichen Dienst aber gesamthaft sehen. Es hat ja eine kräftige Erhöhung gegeben, für die ich auch kritisiert wurde. Ein Ost-West-Ausgleich erscheint mir schwierig umzusetzen. Und im mittleren Bereich Österreichs wäre der Unterschied gar nicht so groß. Wo setzt man also die Grenze? Tirol? Salzburg? Das ist nicht so trivial. Ich verstehe das Ansinnen. Aber so einfach ist die Lösung nicht.

Wie könnte eine Lösung aussehen?

Brunner: Man könnte nur mit Zuschlägen arbeiten. Da müssten wir uns dann aber auch mit der Landespolitik unterhalten, die einen Betrag dazu leisten könnte. Es wäre ja ganz im Sinne des Standorts Vorarlberg. Ich bin zwar nicht zuständig, aber wenn wir das gemeinsam angehen können, bin ich für alle Gespräche offen.

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Brunner: “Ich bin extrem gerne Finanzminister.” VN/Steurer

Ob Landeshauptmann, ÖVP-Bundesparteiobmann oder EU-Kommissar. Ihnen werden immer wieder verschiedene zukünftige Positionen zugeschrieben. Wo sehen Sie sich in einem Jahr?

Brunner: Ich bin extrem gerne Finanzminister. Wenn die Gremien so entscheiden, werde ich in irgendeiner Form bei der Nationalratswahl in Vorarlberg kandidieren. Und dann hoffe ich, je nach Konstellation, dass ich als Finanzminister weiterarbeiten kann.

Werden Sie Vorarlberger Spitzenkandidat bei der Nationalratswahl?

Brunner: Das werden die Gremien entscheiden. Dem kann ich nicht vorgreifen. Aber wenn es nach mir geht, würde ich gerne in Vorarlberg kandidieren.

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Brunner: “Wenn es nach mir geht, würde ich gerne in Vorarlberg kandidieren.” VN/Steurer