VN-Serie Teil 2: Vorarlberg in der EU – die EU in Vorarlberg

Politik / 08.04.2024 • 07:30 Uhr
VN-Serie Teil 2: Vorarlberg in der EU – die EU in Vorarlberg

Die Spuren der EU sind in Vorarlberg überall zu sehen. Kein Wunder also, dass Vorarlberg in Brüssel ein Wörtchen mitreden möchte – was auch möglich ist. Allerdings mit Lücken.

Von Sebastian Vogel aus Brüssel

Brüssel „Viele wünschen sich EU-Austritt“, titelten die VN kürzlich. Ein Detail dieser Umfrage: 35 Prozent der Vorarlbergerinnen und Vorarlberger sehen die EU negativ. Und das, obwohl vor allem Vorarlbergs Wirtschaft wesentlich von internationalen Märkten abhängig ist. Österreichweit hat Vorarlberg die zweithöchste Pro-Kopf-Exportquote. Europäische Normen, Richtlinien und Gesetze ermöglichen den freien Austausch von Waren, Dienstleistungen und Kapital über Grenzen hinweg – ohne teure und aufwendige Zollformalitäten. Viele Vorarlbergerinnen pendeln täglich nach Liechtenstein, Deutschland und in die Schweiz. Dieser „Arbeitnehmerfreizügigkeit“ haben sich die Schweiz und Liechtenstein weitgehend angeschlossen, wodurch Vorarlberger überhaupt erst dort arbeiten können. Man bedenke: Ohne die gleichen Regeln in der EU müssten grenzüberschreitenden Angelegenheiten mit jedem Land einzeln verhandelt werden. Die heimische Industrie wäre von diesem bürokratischen Aufwand gewaltig benachteiligt.

Wie sich die EU finanziert

EU-Bürokratie ist daher ‘per-se’ nichts Schlechtes, finanziert sich aus eigenen Erträgen und Beiträgen der Mitgliedsstaaten und muss daher Rechenschaft ablegen. Ein Großteil des Geldes fließt über Förderprogramme direkt und indirekt wieder zurück. Der Europäische Sozialfonds unterstützt Projekte zu Geschlechtergleichstellung, Armutsbekämpfung und sozialen Integration. Das Interreg-Programm fördert etwa Naturschutz am Bodensee und Erasmus ermöglicht den Austausch von Studierenden und jungen Berufstätigen. Andere Programme unterstützen Forschung und Entwicklung via Unternehmen und Fachhochschulen. Österreich zählt zwar zu den sogenannten Nettozahlern, bezahlt also mehr ins Budget, als es bekommt. Allerdings wird bei dieser Rechnung der marktwirtschaftliche und gesellschaftliche Nutzen nicht berücksichtigt. Und wer bestimmt, was mit dem Geld geschieht?

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Im europäischen Gesetzgebungsprozess vertritt die Bundesregierung Vorarlberg. Dabei hat Vorarlberg ein Mitspracherecht, allerdings nur als eines von neun Ländern. Vorarlberg ist zudem Mitglied im Ausschuss der 329 europäischen Regionen (AdR), welcher Empfehlungen zur EU-Gesetzgebung abgibt. Dort hat Vorarlberg seit 2023 den österreichischen Vorsitz. Folglich besucht der Landeshauptmann regelmäßig Brüssel, um die Interessen der Bundesländer zu vertreten.

Kein Verbindungsbüro

Alle anderen österreichischen und deutschen Bundesländer besitzen eigene Verbindungsbüros in Brüssel. Salzburg eröffnete es schon zwei Jahre vor Österreichs EU-Beitritt. Vorarlberg koordiniert die Brüsseler Aktivitäten hingegen aus Bregenz, womit jemand vor Ort fehlt, der sich dezidiert mit den europäischen Institutionen und Akteuren beschäftigt; um am Ball zu bleiben, individuelle Akzente zu setzen, Themen auf die politische Agenda zu heben oder sie in die gewünschte Richtung zu lenken.

Durch diese Lücke in der Vertretungsarbeit spielen indirekte Vertreterinnen und Vertreter Vorarlbergs eine wichtige Rolle auf europäischer Ebene; etwa die Schwarzenbergerin Claudia Gamon, die noch bis Juni im Europaparlament sitzt. Nach der EU-Wahl am 9. Juni wird wahrscheinlich keine Vorarlberger Stimme mehr im Europaparlament sitzen. Es finden sich jedoch zahlreiche Vorarlberger, die in Brüssel arbeiten, allerdings nicht die Interessen Vorarlbergs vertreten (was freilich auch für Gamon gilt). Und um Vorarlberg in Brüssel mehr Gewicht zu geben, ist der Verein der „Vorarlberger:innen in Brüssel“ aktiv – auch um den Weg für ein eigens Ländle-Länderbüro zu ebnen.