Wird mein Beruf von KI ersetzt? Wo der Druck steigt: “Entweder Unternehmen treiben den Wandel aktiv mit oder sie werden überrollt”

Vorarlberg / 05.08.2025 • 05:50 Uhr
Wird mein Beruf von KI ersetzt? Wo der Druck steigt: "Entweder Unternehmen treiben den Wandel aktiv mit oder sie werden überrollt"
Wird mein Beruf von KI ersetzt? Wo der Druck steigt: "Entweder Unternehmen treiben den Wandel aktiv mit oder sie werden überrollt"Bin ich bald ersetzbar? Viele Menschen fragen sich, ob ihr Job der nächsten Welle technologischen Wandels standhält. Sabrina Schneider forscht mit ihrem interdisziplinären Team unter anderem an diesem Thema. Fotos: VN/Serra

Was Künstliche Intelligenz heute schon kann, was das für unterschiedliche Berufe bedeutet und wie sich Unternehmen vorbereiten sollten, erklärt Dr. Sabrina Schneider im Gespräch mit den VN.

Darum geht’s:

  • KI-Technologie verändert Berufe grundlegend und schnell.
  • KI verändert spezifische Tätigkeiten.
  • Unternehmen sollten KI-Strategien aktiv gestalten.

Dornbirn Stellen Sie sich vor, Sie betreten das Büro. Mails wurden bereits beantwortet, die Präsentation ist fertig, das Protokoll geschrieben. Alles von der Künstlichen Intelligenz (KI). Was einst wie ein Blick in die ferne Zukunft wirkte, ist heute zumindest in Teilen schon Alltag – wirft viele Fragen auf. Spätestens mit der Einführung von ChatGPT durch OpenAI 2022 ist die Technologie einer breiten Öffentlichkeit zugänglich geworden. Millionen Menschen nutzen seither KI-basierte Systeme, um Texte zu schreiben, Informationen zu beschaffen oder Entscheidungen vorzubereiten. Doch was bedeutet das für den Arbeitsmarkt? Und was für den eigenen Beruf?

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„Dort, wo KI gleich gut, besser und schneller als der Mensch ist, wird sie sich durchsetzen“, sagt Sabrina Schneider.

Was KI besser kann als wir

Sabrina Schneider, seit März Blum Stiftungsprofessorin für Digital Business Transformation an der Fachhochschule Vorarlberg (FHV), forscht seit über zehn Jahren zu Künstlicher Intelligenz. Ihr Fokus: Wie KI Arbeit verändert und was das für Beschäftigte, Unternehmen und die Gesellschaft bedeutet.

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Seit März hat Sabrina Schneider die Blum-Stiftungsprofessur für KI und Arbeitswelt inne. Ziel ist es, Unternehmen und Gesellschaft für den Wandel fit zu machen.

“Besonders betroffen sind Berufe mit vielen Tätigkeiten, in denen KI gleich gut, besser oder schneller ist als wir”, erklärt Schneider. In den vergangenen Jahren habe sich die Zahl solcher Tätigkeiten massiv erhöht. Laut Schneider muss unterschieden werden zwischen prädiktiver und generativer KI. Erstere analysiert große Datenmengen und prognostiziert Entwicklungen, etwa in der Medizin, beim Risikomanagement oder im Finanzsektor. Generative KI wiederum erzeugt Inhalte wie Texte, Bilder oder Videos. “Und davon sind fast alle Bereiche betroffen.”

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Im VN-Gespräch erklärt KI-Expertin Sabrina Schneider, warum gerade Empathie, Kreativität und situatives Handeln nicht einfach zu digitalisieren sind.

“Job-Futuromat”

Der „Job Futuromat“ zeigt, inwieweit Berufe in Zukunft automatisiert und Computer oder computergesteuerte Maschinen ersetzt werden können. Entwickelt wurde es vom Deutschen Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB).

Früher dominierte in der KI-Diskussion das Schreckensszenario der Jobvernichtung. Studien warnten, dass rund die Hälfte aller Jobs durch Automatisierung verschwinden könnte. Heute sehen Expertinnen und Experten die Lage differenzierter. Schneider spricht von einem Paradigmenwechsel: “Nicht der komplette Beruf fällt weg, sondern einzelne Tätigkeiten. Die Herausforderung liegt in der Transformation.” Viele Berufe werden sich also nicht auflösen, sondern stark verändern. Dies mit gravierenden Folgen für Ausbildung, Berufe und Unternehmen.

Microsoft-Studie “Working with AI”

Eine kürzlich erschienene Studie von Microsoft Research analysierte 200.000 reale Copilot-Nutzungen. Am häufigsten verwendeten Nutzer KI zur Informationsbeschaffung, zum Schreiben, für Hilfestellungen und Beratung. Besonders betroffen: sogenannte Knowledge-Work-Berufe wie Büroarbeit, Kommunikation, Verkauf, Mathematik und IT.
Die Studie gibt es hier: https://arxiv.org/pdf/2507.07935

Was Arbeitnehmer jetzt tun können

Beschäftigten und Studierenden empfiehlt die Professorin eine ehrliche Bestandsaufnahme: “Schauen Sie sich Ihren Job an und ordnen Sie Tätigkeiten zwei Farben zu: Rot für jene, die KI übernehmen kann, Grün für jene, die beim Menschen bleiben. Wenn das Rote überwiegt, lohnt sich ein genauer Blick.” Gerade dort, wo Routine überwiegt, sei der Wandel besonders spürbar: “Aber das bedeutet nicht, dass man automatisch verdrängt wird. Wer sich frühzeitig weiterbildet, wer neugierig bleibt, wer KI bewusst als Werkzeug einsetzt, bleibt wettbewerbsfähig.”

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Die Professorin beschäftigt sich mit den Chancen und Herausforderungen, die künstliche Intelligenz für Unternehmen, Beschäftigte und die Gesellschaft mit sich bringt.

Zur Person: Dr. Sabrina Schneider

Sabrina Schneider übernahm im März 2025 die Leitung der Forschungsgruppe Digital Business Transformation an der FHV – Vorarlberg University of Applied Sciences. Sie hat gleichzeitig die von der Firma Blum finanzierte Stiftungsprofessur inne. Mit der Stiftungsprofessur in „Digital Business Transformation“ geht es um gezielte Forschung für die Vorarlberger Betriebe. Zuletzt war die promovierte Betriebswirtin als Professorin am Management Center Innsbruck tätig.

Entscheidend sei auch der Umgang mit der neuen Technologie: “Es wird nicht KI sein, die den Menschen ersetzt, sondern es sind die Menschen, die mit KI umgehen können, die jenen die Jobs abnehmen, die es nicht können.”

Warum Unternehmen jetzt handeln sollten

Auch Unternehmen stehen vor einer strategischen Entscheidung: “Entweder sie treiben den Wandel aktiv mit oder sie werden überrollt.” Manche Firmen experimentieren bereits oder haben Strategien, andere hingegen verbieten KI oder warten ab. “Dabei braucht es genau jetzt Klarheit: Welche Tätigkeiten im Unternehmen haben Potenzial für Automatisierung oder Unterstützung? Wie können wir Mitarbeitende weiterentwickeln? Welche Rollen werden sich verändern?”

Ein einfaches Weiterarbeiten wie bisher sei keine Option. “Jedes Unternehmen, seien es Konzerne oder kleine Betriebe, sollte sich mit der Frage auseinandersetzen, was KI für das eigene Geschäftsmodell bedeutet.”

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Grafik aus der Microsoft-Studie: Die Top-40-Berufe, auf die KI am stärksten anwendbar ist.https://arxiv.org/pdf/2507.07935

“KI hat kein Gewissen”

Doch KI ist weit mehr als ein technisches Hilfsmittel, sie wirft auch grundlegende ethische Fragen auf. “Künstliche Intelligenz hat kein Gewissen. Sie kennt keine Moral, kein Mitgefühl, keine Intuition. Alles, was wie Empathie wirkt, ist letztlich Statistik”, betont Schneider. Zwar könne man Algorithmen gewisse Werte beibringen, etwa durch das Training auf bestimmten Daten. Doch Entscheidungen mit moralischem Gewicht sollten beim Menschen bleiben: “Gerade in Berufen, in denen Verantwortung getragen und weitreichende Entscheidungen getroffen werden, wird die Rolle von KI daher kleiner bleiben”, sagt sie.

Rasanter Wandel

Was den Anpassungsdruck zusätzlich erhöht: das Tempo, mit dem sich KI weiterentwickelt. “Die Qualität heutiger Tools war vor einem Jahr noch nicht denkbar”, so Schneider. “Es ist fast unmöglich vorherzusagen, was in zwei Jahren möglich sein wird.” Sicher ist nur: Die Entwicklung ist nicht mehr aufzuhalten.

Wie sich Berufe durch Künstliche Intelligenz verändern:

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Dolmetscherinnen und Dolmetscher
Der Wandel ist hier besonders deutlich spürbar: Immer häufiger werden Übersetzungen von KI übernommen – schnell, zuverlässig und in vielen Sprachen. Die Rolle des Menschen verlagert sich zunehmend auf das Nachbearbeiten und Prüfen maschinell erzeugter Texte. Gerade in Institutionen wie der EU sei der Bedarf an klassischen Übersetzern bereits rückläufig, sagt Sabrina Schneider. Trotzdem bleibe der Mensch in bestimmten Kontexten unverzichtbar – etwa wenn es auf Tonalität, juristische Genauigkeit oder kulturelle Feinheiten ankommt. Ihre Einschätzung: “Weniger Menschen werden künftig mehr Output liefern.” Canva
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Kundendienst
Im Kundendienst übernimmt KI längst einfache, standardisierte Anfragen – etwa zu Öffnungszeiten oder Formularen. Das steigert die Effizienz und entlastet Personal. Doch sobald Emotionen im Spiel sind – etwa bei Beschwerden – oder die Anliegen komplexer werden, stoßen Chatbots an ihre Grenzen. Laut Schneider birgt eine unzureichend betreute KI-Kommunikation sogar die Gefahr, Kundenbeziehungen nachhaltig zu beschädigen. Die Beziehungspflege, das aktive Zuhören, bleibt weiterhin menschlich. Canva
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Models
Auch der Modelberuf verändert sich. Erste große Unternehmen setzen bereits auf KI-generierte Avatare für ihre Werbekampagnen – kostengünstig, vielseitig und immer verfügbar. Besonders für standardisiertes Bildmaterial könnte sich dieser Trend laut Schneider durchsetzen. Doch wo echte Markenbotschafter gefragt sind – etwa mit biografischem Hintergrund, sportlichen Leistungen oder hoher gesellschaftlicher Relevanz – bleibe der Mensch klar im Vorteil. Canva
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Mathematikerinnen und Mathematiker
Mathematische Prozesse und Mustererkennung gehören zu den Stärken von KI. Viele Berechnungen werden ohnehin schon lange nicht mehr händisch ausgeführt. Trotzdem bleibe die Mathematik als Disziplin essenziell, betont Schneider – etwa beim Entwickeln von Algorithmen oder beim Verstehen komplexer Zusammenhänge. Das Berufsfeld wird sich also verändern, aber nicht verschwinden. canva
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Webentwicklerinnen und Webentwickler
Websites per Klick, Design per Knopfdruck – viele einfache Webprojekte kann KI mittlerweile automatisiert erstellen. Für Schneider ist das allerdings kein Grund zur Sorge: “Sobald es um komplexe Kundenanforderungen, kreative Umsetzungen oder strategische Zielsetzungen geht, braucht es weiterhin den Menschen.” Die Rolle werde sich wandeln – hin zu mehr Konzept, Kreativität und technischer Abstimmung –, aber der Beruf bleibe relevant. canva
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Journalistinnen und Journalisten
Standardisierte Texte wie etwa Agenturmeldungen lassen sich gut automatisieren. Doch Journalismus lebt von Kontext, regionalem Wissen und menschlicher Einordnung, betont Schneider: “Wo es um Recherche, Netzwerke, Vertrauen und Relevanz für eine Zielgruppe geht, ist KI nicht gleichwertig.” Wer journalistisch bestehen will, müsse sich durch Qualität und Einordnung abheben. canva
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Politikerinnen und Politiker
Eine Studie von Schneider während der Corona-Zeit zeigt: Die Bevölkerung kann sich KI als beratendes Werkzeug durchaus vorstellen – doch in zentralen Entscheidungsfragen bevorzugen die meisten weiterhin menschliche Politikerinnen und Politiker. Auch die befragten Politiker selbst sahen ihre Rolle unersetzbar – mit Verweis auf Verantwortung, Mandat und moralisches Abwägen. “KI hat kein Gewissen”, so Schneider. “Gerade in Berufen mit weitreichender Verantwortung sollte der Mensch entscheiden.” canva

Lesen Sie im zweiten Teil am 10. August 2025 auf V+: In diesen Berufen bleibt der Mensch unersetzlich – Wo KI an Grenzen stößt.