Vorarlberger noch klar proeuropäisch

In Ostösterreich ist die EU-Stimmung gekippt: Experte Schmidt sieht eine Krisenfolge.
SCHWARZACH. „Es gibt so viele Krisen und große Fragen, da fühlt man sich geborgen in der kleinen Einheit“, sagt Paul Schmidt, Generalsekretär der „Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik“ (ÖGfE), zu Veränderungen, die in Teilen der Bevölkerung laufen. Kurz vor der Europawahl am 9. Juni zeigen Umfragen, die die Gesellschaft in sämtlichen Bundesländern durchführen ließ, dass sich die EU-Stimmung alles in allem eintrübt und es zu einer Rückbesinnung zu Nationalem kommt. Wobei man unterscheiden muss: Im Osten ist es extrem stark der Fall, im Westen wenig bis gar nicht. Vorarlbergerinnen und Vorarlberger sind in Summe etwa noch klar proeuropäisch. Auch dafür hat Schmidt eine Erklärung.
In Ostösterreich ist die EU-Stimmung gekippt: Im türkis-blau geführten Niederösterreich finden 48 Prozent der Menschen, dass es mehr nationales Handeln braucht. Nur noch 36 würden mehr gemeinsamem Vorgehen auf europäischer Ebene den Vorzug geben. Wenn überhaupt, dann nehmen die Menschen die EU-Mitgliedschaft dort außerdem eher negativ wahr (33 Prozent) als positiv (28).
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In Vorarlberg ist es anders: Von 600 Männern und Frauen, die das Meinungsforschungsinstitut „Market“ vom 7. bis zum 14. Mai befragt hat, geben 47 Prozent an, die Mitgliedschaft im Land vor allem positiv zu sehen. 24 Prozent berichten von einem negativen Eindruck. Das sind zwar mehr als bei einer Erhebung vor drei Jahren (19 Prozent), es handelt sich aber noch immer um eine Minderheit. Abgesehen davon sind hierzulande nach wie vor ganze 51 Prozent der Überzeugung, dass mehr gemeinsames Handeln auf europäischer Ebene notwendig ist. 38 Prozent würden sich mehr Entscheidungen auf nationaler Ebene wünschen. Das ist kein Vergleich zu Niederösterreich, wo die Verhältnisse eben ziemlich genau umgekehrt sind.
Im Westen seien europapolitische Debatten wohl weniger negativ und „populistisch aufgeladen“, meint Schmidt zur Stimmungslage in Vorarlberg. Er ortet hier auch weniger Polarisierung. Andererseits scheinen die Entwicklungen kaum jemanden unberührt zu lassen. Die Bereitschaft, an der Europawahl teilzunehmen, sei in Vorarlberg mit 71 Prozent besonders groß, erklärt Schmidt. Auch wenn das noch nicht bedeute, dass so viele wählen gehen, könnte die Beteiligung steigen. 2019 lag sie bei der Europawahl im Land bei 53 Prozent, 2014 bei überhaupt nur 39,2 Prozent.

Das Wahlergebnis ist schwer abschätzbar: Umfragen sehen die FPÖ bundesweit vorne, und zwar deutlich vor ÖVP und SPÖ. Freiheitlichen gelinge es offenbar, ihr Wählersegment zu mobilisieren, so Schmidt. Das sei ihnen in der Vergangenheit schwerer gefallen.
Die Umfrage der Gesellschaft für Europapolitik zeigt, dass das Interesse für europäische Politik erheblich ist. 70 Prozent der Vorarlbergerinnen und Vorarlberger erklären, sehr oder eher ein solches zu haben. Allerdings: Über die Arbeit des Europäischen Parlaments fühlen sich nur 37 Prozent sehr oder eher gut informiert.

Inhaltlich hohe Priorität für die EU sollte nach Ansicht von 59 Prozent der hierzulande Befragten die Verringerung der Kluft zwischen Arm und Reich haben. Gefolgt von einer einheitlichen Migrations- und Asylpolitik (53 Prozent), einer stärken Zusammenarbeit bei Sicherheit und Verteidigung (48) sowie Klima- und Umweltschutz (45 Prozent).
Bemerkenswert: Auch hierzulande vertrauen die meisten Menschen (74 Prozent) bei politischen Entscheidungen, die ihre Zukunft betreffen, Vertretern des Landes. Bundes- und EU-Repräsentanten müssen sich mit 14 bzw. zwölf Prozent begnügen.