Klimapolitik kippt
Aus einer Position der Stärke heraus hat sich die ÖVP unter Sebastian Kurz vor viereinhalb Jahren mit den Grünen zusammengetan. 37,5 Prozent hatte sie bei der Wahl davor erreicht und sich daher in der Lage gesehen, ambitioniertere Klimapolitik zuzulassen. Sozusagen Notwendiges, aber Unpopuläres. Diese Zeiten sind vorbei. Die türkis-grüne Koalition existiert zwar noch, die ÖVP bereut aber, sich auf eine CO2-Bepreisung eingelassen zu haben. Von der vereinbarten Begrenzung der Bodenversiegelung will sie nichts mehr wissen. Und wenn auf europäischer Ebene verbindliche Renaturierungsziele geplant werden, legt sie sich ebenfalls quer.
„Das Verhindern verbindlicher Renaturierzungsziele steht beispielhaft dafür.“
Dafür gibt es Erklärungen: Bei einer Nationalratswahl würde die ÖVP derzeit eher nur auf rund 20 Prozent kommen. Es gibt außerdem Krisen, die dazu beitragen, dass die Bereitschaft zu Veränderungen bei einer Masse gegen null tendiert. Vereinfacht ausgedrückt: Wer heute jeden Cent zweimal umdrehen muss und befürchtet, morgen gar keinen mehr zu haben, mag nicht auch noch damit behelligt werden, dass er auf den ökologischen Fußabdruck achten sollte. Dass er sein Auto stehen lassen und vieles andere tun oder eben nicht mehr tun sollte.
Da kann man nachvollziehen, dass eine Partei, der ohnehin schon die Wähler davonlaufen, vorsichtiger wird. Aber muss sie deswegen eine regelrechte Verbrennungsmotoren-Offensive starten? Nein, da verfällt sie ins Populistische und gegenüber Kindern und Kindeskindern Verantwortungslose. Und überhaupt: Wer sich so gar nicht mehr darum bemüht, Notwendiges populär zu machen, muss sich die Frage stellen lassen, wozu er überhaupt noch politisch tätig sein möchte. Ist es nur die Macht? Offenbar.
Die SPÖ weicht graduell davon ab, die FPÖ insofern extrem, als ihr Klimapolitik schon immer ein Übel war. Alles in allem muss man davon ausgehen, dass die Sache vollends kippt: In der künftigen Regierung wird es von vornherein weniger Ambitionen geben, egal, ob es einen blauen, roten oder türkisen Kanzler geben wird.
Das Verhindern verbindlicher Renaturierungsziele steht dafür. Dabei wäre es so wichtig, dass man sich bei der Wiederherstellung von Wäldern und Mooren nicht auf Sonntagsreden oder den Verweis auf einen „Hausverstand“ beschränkt, der bloß als Vorwand dient, nichts zu tun; es wäre stattdessen wesentlich, sich europaweit dazu zu verpflichten, damit sich kein Land ausschließlich mit Blick auf irgendeinen kurzfristigen Vorteil zu Lasten der anderen rausnehmen kann.
Das sollte auch politisch verkraftbar sein. Zumal konkrete Projekte so darstellbar sein können, dass (praktisch) alle Menschen einen Vorteil darin sehen: „Rhesi“ steht unter anderem für eine Renaturierung des Alpenrheins und ist in einem ZIB2-Bericht am Donnerstagabend auch als solche beispielhaft wie prominent angeführt worden. „Rhesi“ ist in erster Linie aber ein Hochwasserschutzprojekt, das als solches den Lebens- und Wirtschaftsraum für die nächsten Generationen sichere, wie es in der offiziellen Beschreibung heißt. Sprich: Renaturierung ist eine Begleitgeschichte. Aber eine gute.
Johannes Huber betreibt die Seite dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik.
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