„Was für uns verboten wird, darf auch nicht ins Regal“

ÖVP-Landwirtschaftsvertreter warnen: Österreich dürfe nicht mit Standards im Tierschutz oder beim Pflanzenschutz vorpreschen, wenn die billigeren Produkte anschließend aus dem Ausland importiert werden.
Darum geht’s:
- Bauern kritisieren Dimension von Rhesi
- Landwirtschaft fühlt sich auch in Brüssel zu wenig gehört
- Kritik vor allem an ungleichen Regeln für Produkte
Schwarzach Bauern, die Reifen anzünden und Straßen in Brüssel blockieren – ein Bild, das in den vergangenen Monaten mehrfach durch die Medien ging. Bauernproteste sind in Brüssel nicht neu. Trotzdem fühlt sich die Landwirtschaft zu wenig gehört, sagt EU-Abgeordneter Alexander Bernhuber von der ÖVP im VN-Interview. Zusammen mit Josef Moosbrugger kritisiert er das Renaturierungsgesetz, die Dimension von Rhesi und Regeln im Pflanzen- und Tierschutz, die für Produkte im Regal nicht gelten.
Die Landwirtschaft stellt sich vehement gegen das Renaturierungsgesetz. Warum soll es nicht beschlossen werden?
Alexander Bernhuber: Das Gesetz trägt den Titel “Gesetz zur Wiederherstellung der Natur”, es hat also einen wahnsinnig gut klingenden Namen. Aber wir reden von 40 Seiten Gesetzestext, der einige Punkte enthält, mit denen wir nicht mitkönnen. Wiesen müssen vernässt, manches Ackerland in eine andere Kulturlandschaften umgewandelt werden. Aber es wird nie erwähnt, wer es finanzieren soll. Wir sprechen von einem extremen Eingriff ins Eigentum, speziell im landwirtschaftlichen Bereich. Außerdem hat man schon 23 andere Richtlinien und Verordnungen, die sich mit dem landwirtschaftlichen Bereich auseinandersetzen, im Prinzip ist schon alles geregelt. Mit dem 24. Gesetz wird man auch nicht mehr so viel erreichen, wie sich manche vorstellen.
Die Landwirtschaft spricht teilweise sogar davon, dass das Gesetz die Versorgungssicherheit gefährdet. Besteht die Gefahr tatsächlich?
Bernhuber: Unter anderem dadurch. Man muss die Gesetze kombiniert sehen. Der Green Deal besteht aus 136 neuen Gesetzen. Da sind welche dabei, die Rote Linien überschreiten. Man wälzt sehr viele Vorgaben auf die Länder ab, von den Schmetterlingen angefangen. Bei solchen Fragen geht es aber um das Miteinander. Die Naturschutzbehörde kommt zum Bauern und sagt: ‘Wir haben eine seltene Art gefunden, könntest du nicht drei Wochen später mähen? Dafür bekommst du eine Entschädigung.’ Wenn es fair abläuft, wird jeder Bauer mitmachen. Aber mit einem Bescheid, in dem steht, dass ab kommenden Jahr nur noch einmal statt dreimal gemäht werden darf, wird es nicht funktionieren.
Josef Moosbrugger: Wir sind nicht gegen Renaturierung. Aber man sollte zuerst den Ist-Zustand erheben und die Situation regional beurteilen. Das Gesetz mag in unterschiedlichen Regionen in Europa seine Berechtigung haben. Aber man soll nicht alle über einen Kamm scheren, sondern regional stärker hinschauen.
Bernhuber: Außerdem klappt es mit der Renaturierung auch ohne Gesetz. In Vorarlberg ist kürzlich der Staatsvertrag für eines der größten Renaturierungsvorhaben überhaupt unterschrieben worden.

Sie sprechen Rhesi an. Damit hatte die Landwirtschaft doch auch keine Freude?
Bernhuber: Natürlich geht es da auch um den Konkurrenzdruck. Für Betriebe, die in diesem Gebiet ein Viertel oder die Hälfte ihrer Flächen haben, ist es existenzbedrohend. Und das in einer Zeit, in der die Flächen insgesamt schon weniger werden.
Moosbrugger: Wir stehen hinter Hochwasserschutz und hinter der Wasserversorgung, das hat höchste Priorität. Aber man kann eine differenzierte Betrachtung zum Projekt haben. Dort, wo Hochwassersicherheit nicht gegeben ist, braucht es den Ausbau. Ob das in dieser Dimension geschehen muss, sehen wir durchaus kritisch. Es gäbe auch einen größeren Kompromiss. Im oberen Abschnitt ist der Rhein schon für dreihundert-jährliche Hochwasser gerüstet. Man kann durchaus diskutieren, ob man dort in dieser Dimension renaturieren muss. Wenn jährlich der Landwirtschaft für die Produktion viele Flächen entzogen werden, sind wir immer stärker Importabhängig.
Beim Renaturierungsgesetz sind die Stimmen der Befürworter laut und zahlreich. 250 Wissenschaftler haben eine Aufforderung an die Regierung gerichtet. Fühlt sich die Landwirtschaft genug gehört?
Bernhuber: Wir haben im Europaparlament immer wieder die vielen Sorgen der Landwirtschaft vorgebracht. Wir in Europa schrauben unsere Standards nach oben, auch in der Landwirtschaft. Das spüren wir beim Tierwohl oder im Pflanzenanbau zum Beispiel. Die Produktion wird teurer oder unmöglich, weshalb wir Produkte importieren, die zu ganz anderen Standards hergestellt worden sind. Und hier fragt man sich dann, warum man sich das ganze bei diesen schwierigen Einkommensverhältnissen überhaupt noch antut.
Moosbrugger: Es ist schade, dass man es in den vergangenen Jahren zu wenig ernst genommen hat. Das mag vielleicht auch daran liegen, dass es einen starken Umweltkommissar gibt und wir einen sich in die Bedeutungslosigkeit zurückziehenden Agrarkommissar haben. Warum gibt es mittlerweile die Bauernproteste? Weil die Landwirte das Gefühl haben, dass das, was von der Kommission kommt, nicht mehr praktikabel ist.

Wird diese Abwägung zwischen Regeln und Wirtschaftlichkeit auch bei der Diskussion um Tiertransporte zu wenig berücksichtigt?
Bernhuber: Jeder Tiertransport, der nicht stattfindet oder so kurz wie möglich ist, ist das beste. Wir sind alle der Meinung, je regionaler und lokaler, desto besser. Aber man muss den Tatsachen ins Auge schauen: Was wird konsumiert?
Moosbrugger: Man kann nicht einen ungeregelten Import haben und kritisch betrachten, wenn Tiere exportiert werden. Das Billigste kommt von irgendwo auf der Welt ins Land und verdrängt die heimischen Produkte vom Vorarlberger Markt. Wenn Kalbfleisch nicht in der Dimension importiert wird, dann hätten wir viele Probleme nicht. Man kann nicht das eine verbieten und auf der anderen Seite ungezügelten Marktzutritt wollen. Wir können über viele Wünsche an die Tierhaltung und an die Produktion sprechen. Aber das, was bei uns verboten wird, darf nicht mit Importen ergänzt werden. Das ist dumm. Bei Vollspaltenböden ist es das Gleiche. Es ist niemandem geholfen, wenn wir das heute verbieten und morgen importieren. Vorarlberg hat beim Schweinefleisch nicht mal mehr fünf Prozent Selbstversorgungsgrad. Und was wird bei uns gegessen? Vollspaltenbödenfleisch. Der Markt will derzeit gar nicht so viel Nichtvollspaltenbödenfleisch, wie wir produzieren. Sondern das billigere. Und das ist das Dilemma. Das, was man von uns fordert, darf nicht ins Regal.
Bernhuber: Wichtig ist auch, dass wir in Österreich zu den EU-Regeln noch etwas drauflegen. Wir haben in Österreich die höchstens Standards bei der Putenhaltung und einen Selbstversorgungsgrad von 40 Prozent. In Österreich stehen Ställe leer, weil das Putenfleisch nicht gekauft wird, sondern nur das billigere. Bei den Hühnern ist in Europa die Käfighaltung verboten worden. Die Käfigställe werden abgebaut, in die Ukraine verkauft, dort aufgebaut und Eier zu Millionenfach aus der Ukraine importiert.
Moosbrugger: Was national gilt, muss eben auch für Waren gelten, die national geliefert werden. Man kann schon über strenge Standards sprechen, aber dann müssen sie für alle gelten.
