“Dann wird es die Messenger-Überwachung in der Praxis auch nicht geben”

Neos-Klubchef Shetty über Pensionen, Föderalismus und die Software zur Messenger-Überwachung.
Schwarzach Die Bundesregierung möchte sich einem Thema widmen, an dem schon so manche Vorgängerregierungen gescheitert sind. Yannick Shetty, Klubobmann der Neos im Nationalrat, erläutert im VN-Interview, worauf es für den kleinsten Regierungspartner bei der Föderalismusreform ankommt. Und er erklärt, unter welchen Umständen die Messenger-Überwachung doch nicht kommt.
Sie haben kürzlich eine Pensionsreform präsentiert. Wie würden die Neos in Opposition diese Reform beurteilen?
Shetty Als einen wichtigen ersten Schritt, der noch nicht ausreicht. Es ist die größte Pensionsreform seit 20 Jahren. Das liegt freilich auch daran, dass in den letzten 20 Jahren sehr wenig passiert ist. Die Reformen, vor allem die Einführung des Nachhaltigkeitsmechanismus, sind ein echter Paradigmenwechsel, den es ohne Neos niemals gegeben hätte. Gleichzeitig müssen wir in den nächsten Jahren weiter an der Reformschraube drehen.
Soll das gesetzliche Pensionsalter erhöht werden?
Shetty Das Regierungsprogramm ist ausverhandelt und sieht keine Erhöhung des gesetzlichen Antrittsalters vor. Die Neos-Position ist aber klar und unverändert. Sie können sich vorstellen, dass es nicht an uns gescheitert ist. Aber wir haben den Nachhaltigkeitsmechanismus vereinbart, der vorsieht, dass, wenn die Ziele nicht erreicht werden, auch eine Erhöhung des Pensionsantrittsalters in Betracht kommt. Die Frage stellt sich also nicht jetzt, aber spätestens 2030, falls wir die nachhaltigen Ziele nicht erreichen.
Kürzlich haben die Parteien der Bundesregierung die Messenger-Überwachung beschlossen. Zwei Neos-Abgeordnete haben nicht zugestimmt: Nikolaus Scherak und Stefanie Krisper. Nehmen Sie deren Bedenken nicht ernst?
Shetty Doch, die nehme ich sehr ernst. Unsere Bedenken waren der Grund dafür, dass wir den ursprünglichen Entwurf nicht angenommen haben, der vom ÖVP-geführten Innenministerium gekommen ist. Wir haben ihn in zentralen Punkten entschärft und bei der parlamentarischen Kontrolle verschärft. Wir haben das Thema im Klub sehr respektvoll diskutiert und es war für niemanden eine Überraschung, dass sie nicht zustimmen. Ich nehme es auch zur Kenntnis, dass man in der medialen Debatte aus einer Stärke, nämlich, dass man in Einzelfällen das freie Mandat ausübt, eine Schwäche machen will.
Kann diese Besinnung auf das freie Mandat ein Vorbild für weitere Abstimmungen werden?
Shetty Das soll und wird nicht wöchentlich passieren, die Menschen erwarten ja auch, dass Vorhaben in einer Koalition konsequent umgesetzt werden. Aber bei einer Debatte wie dieser kann es schon einmal vorkommen. Es darf aber natürlich nicht zum ständigen Modus werden.
Sind Sie sicher, dass die beschlossene Regelung diesmal vor dem Verfassungsgerichtshof hält?
Shetty Ich bin zuversichtlich, dass das Gesetz verfassungskonform ist. Aber am Ende kann das nur der VfGH entscheiden und wir respektieren jede Entscheidung. Zentrale Aufgabe des Innenministeriums ist es jetzt, eine Software zu finden, die den strengen gesetzlichen Anforderungen entspricht. Wenn es diese Software nicht gibt, dann wird es die Messenger-Überwachung in der Praxis auch nicht geben.
Sollte der VfGH das Gesetz wieder kassieren, war’s das dann mit dem Vorhaben?
Shetty Ja.

Die Bundesregierung möchte sich auch dem Föderalismus annehmen, eine Reformgruppe soll im Sommer die Arbeit aufnehmen. Welche Punkte sind Ihnen besonders wichtig?
Shetty Wir haben vier Bereiche definiert: Bildung, Gesundheit, Energie und Verwaltungsvereinfachungen. Insbesondere bei der Bildung müssen wir weg vom föderalen System. Es hat zwar seine Stärken, führt aber zu Hemmnissen. Da müssen wir die Zuständigkeiten besser regeln und die Schulautonomie stärken.
Das heißt, Verantwortung und Finanzierung sollen stärker Richtung Bund wandern?
Shetty Auch die Finanzierung wäre eine Option, aber es wäre nicht geschickt, dem Prozess jetzt vorzugreifen. Das werden die Verhandlungen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden zeigen. Aber es könnte schon ein Gedanke sein, dass die Bildung den Kompetenzbereich wechselt, und in einem anderen Bereich wie der Gesundheit oder der Energie gibt es Verschiebungen in die andere Richtung. Man muss einfach mehr Klarheit schaffen.

Wie reformfähig ist das Gesundheitssystem?
Shetty Ich sage Ihnen ehrlich, von diesen vier Bereichen, die ich aufgezählt habe, bin ich bei der Gesundheit am skeptischsten. In den letzten Jahrzehnten ist eine intransparente Struktur geschaffen worden, die nur mit sehr viel Anstrengung wieder aufgelöst werden kann.
Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner möchte bei der Krankenkasse wieder mehr Spielraum für die Bundesländer.
Shetty Ich halte nicht viel von diesem Vorschlag. Das Problem der ÖGK ist nicht, dass wir zu wenig Föderalismus haben.
Sie sind mit 30 Jahren einer der jüngsten Abgeordneten. In Ihrer Generation und darunter sinkt das Interesse für Politik. Wie kann die Politik dem gegensteuern?
Shetty Indem man Themen aufgreift, die junge Menschen auch tatsächlich bewegen. Etwa die Frage der internationalen geopolitischen Entwicklung, also der Sicherheit. In meiner Schulzeit war das noch null Thema, Frieden war eine Selbstverständlichkeit. Heute steht Frieden zur Disposition und ich glaube, junge Menschen erwarten dazu Antworten von der Politik und nicht, dass man ihnen Sand in die Augen streut.
