Was ist eigentlich das Renaturierungsgesetz?

Politik / 05.06.2024 • 18:03 Uhr
Was ist eigentlich das Renaturierungsgesetz?
Wallner und Gewessler sind beim Renaturierungsgesetz unterschiedlicher Meinung. APA

Vor der Wahl dominiert eine EU-Verordnung die politische Diskussion: das Renaturierungsgesetz. Auch im Landtag war es wieder Thema. Worüber wird eigentlich gesprochen?

Schwarzach Ein Gesetz zur Wiederherstellung der Natur – das klingt zunächst einmal gut. Doch für einige Gruppen – Bauernbund, ÖVP, Landeshauptleute – ist es zum roten Tuch geworden. In Österreich haben sich einige gegen das europaweite Renaturierungsgesetz gestellt. Warum eigentlich? Und was sieht das Gesetz vor? Ein Erklärungsversuch.

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Wie ist das Gesetz entstanden?

Im Jahr 2020 zeichnete die Europäische Umweltagentur ein düsteres Bild. 80 Prozent der Lebensräume sind in einem schlechten Zustand. Zehn Prozent der Schmetterlingsarten sind vom Aussterben bedroht. 70 Prozent der Böden befinden sich einem ungesunden Zustand. Also verpflichtete sich die EU-Kommission, im Rahmen des Green Deals ein Gesetz vorzulegen, um zerstörte Ökosysteme verpflichtend wieder herzustellen. Am 22. Juni 2022 legte die Kommission einen Vorschlag vor. Mehrere Ausschüsse im EU-Parlament lehnten den Vorschlag aber ab. Am 12. Juli beschloss das Parlament einen eigenen Text, der sich von jenem der Kommission maßgeblich unterscheidet. Am 9. November 2023 einigten sich die Mitgliedsländer mit der Kommission und dem Parlament schließlich auf einen Text. Seitdem wäre eigentlich nur noch ein Formalakt notwendig.

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Was ist nach dem ersten Vorschlag 2022 verändert worden?

Der erste Vorschlag der EU-Kommission enthielt verbindliche Wiederherstellungsziele und eine Liste mit Gebieten, die davon betroffen sind. Bis 2030 sollen zudem mindestens 20 Prozent der Land- und Meeresfläche der EU abgedeckt werden. Die Mitgliedstaaten sollen Pläne zur Wiederherstellung erstellen und der Kommission vorlegen, die sie genehmigen muss. Das Parlament lehnte einige Punkte allerdings ab. Es folgte in mehreren Fragen der Argumentation des Rates – also der Mitgliedsländer. Der Gesetzestext enthält mehrere Ausnahmen und flexiblere Grenzen. Außerdem wurden quantitative und zeitliche Ziele gestrichen. Und: Die Verordnung darf nur gelten, wenn die Kommission alle Vorhaben mit wissenschaftlich belastbaren Daten unterlegt. Zudem soll die Verordnung mit einer Notbremse ausgestattet werden, sollte es die aktuelle Situation erfordern. Neu waren aber auch Vorgaben: Mitgliedsländer müssen bis 2030 drei Milliarden zusätzliche Bäume pflanzen. Die Kommission soll Geld für die Finanzierung der Renaturierungsmaßnahmen zur Verfügung stellen.

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Die Einigung am 9. November sieht vor: Bis 2030 soll mindestens 20 Prozent der Land- und 20 Prozent der Meeresfläche restauriert werden. Und bis 2050 müssen alle wiederherstellungsbedürftigen Ökosysteme restauriert werden. Dazu zählen auch Moore, die entwässert worden sind. Ziele sind im Vergleich zum ersten Vorschlag wesentlich flexibler geworden. Maßnahmen sollen sich zunächst vor allem auf Räume in schlechtem Zustand und auf Natura2000-Gebiete beschränken. Ausnahmen soll es für Projekte im Bereich der erneuerbaren Energie und der Landesverteidigung geben. Die vom Parlament geforderte Notbremse wurde ebenfalls eingezogen. Sollte ein Engpass bei der Lebensmittelversorgung drohen, kann diese gezogen werden.

Auch eine Maßnahme gegen das Bienensterben ist vorgesehen. Mit den neuen Vorschriften soll der Rückgang der Bestäuber umgekehrt werden, sodass ihre Populationen bis 2030 wieder steigt.

Was bedeutet das konkret?

Laut dem Europäischen Rat sind Beispiele für die konkrete Anwendung:

  • das Entfernen nicht heimischer Gewächse auf Grünland, in Feuchtgebieten und in Wäldern
  • die Wiedervernässung trockengelegter Torfmoore
  • die bessere Vernetzung von Lebensräumen
  • ein verringerter Einsatz chemischer Pestizide und Düngemittel bzw. der Verzicht darauf
  • die Förderung der Erhaltung unberührter Natur

Was steht nicht im Gesetz?

Landeshauptmann Markus Wallner argumentiert zum Beispiel, dass die Verordnung in die Kompetenzen der Bundesländer eingreife, zum Beispiel bei der Raumplanung. Allerdings widmet sich die Verordnung nur Zielen – die Ausgestaltung und damit auch die Kompetenz bleibt in den Mitgliedsländern. Eingriffe in die Raumordnung sind also nicht vorgesehen. Auch Enteignungen sind kein Thema, allerdings ist es den Mitgliedsstaaten überlassen, wie stark sie eingreifen, um die Ziele zu erreichen.

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Wie geht es jetzt weiter?

Am 27. Februar 2024 stimmte das EU-Parlament für die Verordnung. Nun muss noch im Europäischen Rat eine qualifizierte Mehrheit unter den Mitgliedsländern hergestellt werden. Das heißt, mindestens 55 Prozent der EU-Staaten, die mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren, müssen zustimmen. Das ist bisher nicht der Fall. Einige Mitgliedsländer, darunter Österreich, haben noch Bedenken. In Österreich ist die Umweltministerin Leonore Gewessler an die Stellungnahme der Bundesländer gebunden. Die Landeshauptleute haben auf 21 Seiten ihre Bedenken recht konkret geschildert, berichtete kürzlich das Nachrichtenmagazin “profil”. Laut “profil” werden die “geforderten Wiederherstellungsmaßnahmen für die landwirtschaftlich genutzten organischen Böden, bei denen es sich um trockengelegte Torfmoorflächen handelt, […] abgelehnt“. Fragen der Umsetzbarkeit seien offen geblieben. Diese Stellungnahme gilt, solange sich kein Bundesland explizit gegen die Stellungnahme ausspricht. Sollte dies der Fall sein, könnte Gewessler doch noch zustimmen.