VN-Sommergespräch: “Ist Ihre Pension gesichert, Frau Gamon?”

Neos-Chefin Claudia Gamon im Sommergespräch mit Werner Huber über das Pensionssystem in Österreich.
Schwarzach Berichte über das Pensionssystem gleichen manchmal einer Beschreibung der budgetären Apokalypse. Werden wir uns das System leisten können? Bricht es zusammen? Ist die Pension langfristig gesichert? Speziell die Neos finden regelmäßig harte Worte und machen sich seit vielen Jahren für eine umfassende Reform stark. Braucht es diese Reform wirklich? Im VN-Sommergespräch diskutiert Neos-Parteichefin Claudia Gamon mit Werner Huber (Vorarlberg 50Plus) über das Antrittsalter und was Pensionisten brauchen.
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Frau Gamon, Sie waren im Nationalrat, im EU-Parlament und sitzen seit bald einem Jahr im Landtag. Wie haben Sie den Rollenwechsel verdaut?
Gamon Es ist viel einfacher, sich die Namen zu merken, weil weniger Leute im Landtag sitzen, dafür tue ich mir mit Französisch mittlerweile schwer (lacht). Im Landtag gibt es ganz andere Themen. Deswegen ist der Landtag nicht weniger interessant oder weniger wichtig. Es sind jene Themen, die die Menschen wirklich direkt betreffen. Es geht nicht um die Zölle von Trump, sondern um den Kinderbetreuungsplatz.

Ein Thema, für das das Land zwar nicht zuständig ist, aber alle betrifft, sind die Pensionen. Herr Huber, wie geht es den Pensionistinnen und Pensionisten im Land?
Huber Grundsätzlich leben wir in Vorarlberg in einer guten Umgebung, in guten und sicheren Verhältnissen. Das ist schon einmal viel Wert. Selbstverständlich haben auch Pensionistinnen und Pensionisten teilweise mit finanziellen Verhältnissen zu kämpfen. Wir spüren die Teuerung genauso wie alle anderen und sind darauf angewiesen, wie die Pensionserhöhungen ausfallen.

Frau Gamon, Sie haben das österreichische Pensionssystem vor einigen Jahren als schrottreif bezeichnet. Bleiben Sie bei dieser Analyse?
Gamon Wenn man sich anschaut, wie sich die Kosten und das faktische Pensionsantrittsalter entwickelt haben, ist die Analyse immer noch dieselbe. Ich stimme zu, dass viele Pensionistinnen und Pensionisten in sehr bescheidenen Verhältnissen leben und wir uns darum kümmern müssen. Aber mir geht es um die Gesamtheit des Systems. Da gibt es nicht nur unzählige Experten, die seit Jahren kritisieren, dass wir grundlegende Dinge ändern müssen, sondern auch viele Menschen, die das selbst klar sehen.
Huber Das Ziel der Pensionsreform lautet ja eigentlich, das faktische Alter ans gesetzliche Antrittsalter anzunähern. Das ist ein hehrer Anspruch, muss aber gelingen. Die generelle Anhebung des gesetzlichen Alters, wie es auch Ihrerseits gewünscht wird, ist aber sehr problematisch. Es kommt darauf an, was die Menschen bisher gemacht haben. Sehr viele sind mit 65 Jahren wirklich verbraucht. Die Wirtschaft trommelt außerdem immer wieder, dass das Alter weiter hinauf muss. Dann muss sie aber auch die nötigen Arbeitsplätze zur Verfügung stellen.
Gamon Da stimme ich Ihnen zu, natürlich ist es auch eine Frage, wie gut die Arbeitsplätze auch für ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind. Aber wir müssen der Realität ins Auge schauen. Und die lautet, dass man in Österreich im Schnitt fast im selben Alter in Pension geht als vor 50 Jahren. Wir werden aber viel älter. Ich verstehe die Argumente, die dagegen sprechen, dass man das gesetzliche Antrittsalter anhebt. Aber man darf solche Dinge nicht kategorisch ausschließen. Wir haben im Bund eine Pensionsreform auf den Weg gebracht, mit dem Nachhaltigkeitsmechanismus als Kernstück.
Huber Dieser Mechanismus wird eh bewirken, dass sehr wahrscheinlich im Jahr 2030, 2035 das gesetzliche Pensionsantrittsalter angehoben wird. Ich verweigere diese Diskussion nicht. Aber für einen 65-Jährigen ist es wirklich ein Problem, heute im Beruf zu bestehen.

12 Prozent der Männer über 60 sind arbeitslos. Muss man die Unternehmen stärker in die Verantwortung nehmen, wie Kanzler Christian Stocker im VN-Interview betonte?
Gamon Es sollte immer ein Anreizsystem sein. Es ist sicher ein guter Weg, wenn wir es schaffen, dass Unternehmen sich stärker dafür interessieren, ältere Arbeitnehmer anzustellen. Aber es geht auch um das System. In Skandinavien sind viel mehr ältere Menschen beschäftigt, gleichzeitig ist das Pensionsantrittsalter viel höher. Die Pensionsreform sieht eine Teilzeitpension vor. Das ist ein wesentliches Instrument, um Arbeit im Alter zu ermöglichen.
Huber Unternehmen sollten jedenfalls animiert werden. Das kann über steuerliche Änderungen gehen, über ein Bonus-Malus-System, über andere Regelungen. Es muss sich für Firmen finanziell auch auszahlen. Es braucht aber auch ein Bewusstsein in den Chefetagen, dass ältere Menschen ein Kapital darstellen. Sie haben viel Erfahrung und sind verlässlich, man kann sie gut brauchen.

Sie sind ein alter Hase in der Politik. Wann haben Sie zum ersten Mal davon gehört, dass das faktische Antrittsalter an das gesetzliche angeglichen werden soll?
Huber Schon oft. Man rede schon so manche Jahre darüber, immer wieder. Aber jetzt wird es natürlich krasser, weil die Kosten ausufern. Deshalb ist entscheidend, dass wir zumindest zwei Jahre hinauf kommen mit den Zahlen. Deswegen muss man aber nicht gleich das gesetzliche Alter auf 70 heben.

Die Kosten ufern aus. Frau Gamon, ist Ihre Pension trotzdem gesichert?
Gamon Das ist ein schwieriges Beispiel, weil ich schon lange in der Politik bin und immer gut in meine ASVG-Pension eingezahlt habe. Aber ich kann mir natürlich nicht sicher sein, ob das, was ich eingezahlt habe, auch tatsächlich herausbekomme. Die Zahl der Einzahlerinnen sinkt, die der Pensionsbezieherinnen steigt. Wir reden gerade über Einzelmaßnahmen, die ändern aber nichts an dieser grundsätzlichen Problematik. Deshalb bin ich dafür, die zweite und dritte Säule zu stärken.
Huber Bei der Demografie sitzen wir vor einem generellen Problem. Mitte 2040 wird es irgendwann mehr Verstorbene als Geborene geben. Und schon jetzt werden die Geburtenzahlen eigentlich von der Migration gerettet.
Gamon Und vor diesem Problem können wir entweder den Kopf in den Sand stecken oder es ehrlich aussprechen, was es für Menschen bedeutet, die in den nächsten Jahren in Pension gehen. Angefangen von kleineren Dingen wie Solidarbeiträge für Pensionen über der ASVG-Höchstpension. Aber auch über Zu- und Abschläge, wenn man früher in Pension geht.

Wann wird Frau Gamon in Pension gehen?
Gamon Wahrscheinlich nach 65.
Huber Das glaube ich auch, ich bin auch nach 65 in Pension gegangen. Wichtig ist, dass es eine positive Lebenseinstellung braucht. Nicht alles auf der Welt ist schlecht. Und die Generationen dürfen sich nicht aus den Augen verlieren und auseinanderdividieren lassen. Wir brauchen uns alle gegenseitig.