Gratis-Verhütung in Vorarlberg ab September

Pilotprojekt startet im September. Gesundheitsminister will auch Schwangerschaftsabbrüche frei zugänglich machen.
Julia Schilly-Polozani, Birgit Entner-Gerhold
Schwarzach Ohne Verhütung würde eine sexuell aktive Frau in ihrem Leben durchschnittlich zehn Kinder gebären. Wem das zu ambitioniert ist, der verhütet. Doch Verhütung kann teuer werden. Wer eine Hormon- oder Kupferspirale möchte, muss mit Ausgaben von rund 500 Euro rechnen. Die Pille kann sich für drei Monate auf bis zu 60 Euro summieren. Die Dreimonatsspritze beläuft sich auf rund 30 Euro. Anders als in Ländern wie Frankreich oder Großbritannien werden die Kosten in Österreich nicht von der öffentlichen Hand getragen. Das soll sich künftig ändern. Sozial- und Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) startet ein Pilotprojekt für kostenlose Verhütung inklusive Beratungsleistungen.

Als Pilotregion wurde Vorarlberg auserkoren, eine Million Euro stehen zur Verfügung. “Vorarlberg ist ein Bundesland, das nicht nur ländlich ist, sondern auch mit dem Rheintal einen urbanen Raum hat. Daher eignet es sich gut als Projektgebiet”, sagte Rauch bei einem Pressegespräch in Wien.
Zielgruppe sind Frauen und Mädchen ab 14 Jahren. Das Konzept stammt vom Fraueninformationszentrum femail. Zusätzlich soll es ein ausführliches, ebenfalls kostenloses Angebot zur Verhütungsberatung geben, erklärt femail-Geschäftsführerin Lea Putz-Erath. Auch die “aks gesundheit GmbH” ist in die Umsetzung involviert. Die wissenschaftliche Begleitung kommt von Gesundheit Österreich GmbH (GÖG). Über ein Formular auf der femail-Homepage kann man sich als Interessentin bewerben. Im Sommer läuft die Testphase an, ab September soll das Projekt in den Normalbetrieb gehen.
Finanzielle Aspekte bestimmen Verhütungsart
In Österreich verhüten derzeit rund 1,2 Millionen Frauen im reproduktiven Alter zwischen 14 und 45 Jahren. Die Kosten liegen je nach Verhütungsmittel zwischen rund 30 und 230 Euro pro Jahr. Fast die Hälfte der Frauen (46 Prozent) trägt die Kosten ganz allein, zeigt der erste österreichische Verhütungsbericht des Gesundheitsministeriums. Im europäischen Contraception Policy Atlas belegt Österreich einen der hinteren Plätze – vor allem aufgrund fehlender Kostenübernahme für Verhütungsmittel und eines erschwerten Zugangs zur Verhütungsberatung.
37 Prozent der Frauen würden anders verhüten, wenn sie die Kosten nicht selbst tragen müssten: Sie würden überhaupt beginnen zu verhüten, anders verhüten oder häufiger verhüten. Die gängigsten Verhütungsmethoden sind laut Bericht die Pille (42 Prozent), das Kondom (40 Prozent) und die Spirale (17 Prozent).
Für mehr als 95 Prozent der Befragten ist Zuverlässigkeit der entscheidende Faktor bei der Wahl der Verhütungsmethode. Die wirksamsten Methoden sind jedoch laut internationalen Studien Langzeitmethoden wie Spirale, Hormonstäbchen oder -implantat. Diese schützen über mehrere Jahre, allerdings fallen hohe Kosten am Beginn der Nutzungsdauer an. „Eine Hürde für viele Frauen“, so Studienautorin Sylvia Gaiswinkler von der Gesundheit Österreich GmbH.

„Die Frauen können sich nach einem medizinischen oder psychosozialen Beratungsgespräch individuell und frei zwischen den am Markt erhältlichen Langzeit- oder Kurzzeitverhütungsmitteln entscheiden“, führt Putz-Erath aus. Die Beratung wird von femail angeboten, ist aber nicht verpflichtend. Alle Gynäkologen und Gynäkologinnen mit Kassenvertrag sollen in das Projekt eingebunden sein. Die Entscheidung, ob auch Wahlärzte umfasst sind, sei noch offen.
Putz-Erath lobt das kostenlose Angebot auch als emanzipatorischen Schritt. „Es ist auf jeden Fall das Ziel, die Frauen dadurch zu stärken und ihre Gesundheit zu verbessern.“
Sozialminister Rauch betont einen weiteren Aspekt: “Es braucht auch einen freien Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen. Nur so wird die selbstbestimmte Sexualität von Frauen sichergestellt. Wer das in Frage stellt, treibt Frauen in den Untergrund und in eine medizinische Notlage.”
Rauch: “Verhütung auch Männersache”
„Verhütung muss auch Männersache werden“, ergänzt Rauch. Obwohl der Mann eigentlich 24 Stunden am Tag zeugungsfähig ist, wurde die Verhütung immer auf den weitaus komplexeren weiblichen Körper und Zyklus ausgelegt. Und der Frauenkörper sei immer noch ein Politikum, so Rauch, der damit auch an die Ergebnisse der Europawahl erinnert: “Seit Sonntag ist dieses Thema noch verschärft worden. Rechtsextreme Parteien tendieren dazu, Frauenrechte und ihr Selbstbestimmungsrecht relativ unverhohlen in Frage zu stellen. Es kann nicht sein, dass wir hier einen Backlash erleben und hinnehmen, wie er etwa auch in manchen US-Bundesstaaten an der Tagesordnung ist.“ Es gehe daher neben dem Ausbau von Rechten und Freiheiten auch um die Verteidigung bereits erworbener. Julia Schilly-Polozani, Birgit Entner-Gerhold