Was die Politik gegen Muschel und Stichling ausrichten kann – und was nicht

Die Politik der Bodensee-Anrainerstaaten kann die Entwicklung im Bodensee nur teilweise beeinflussen.
Bregenz Der Bodensee befindet sich wieder einmal im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. Der See geht über, bisher verläuft aber alles relativ glimpflich. Anders als vor 25 Jahren, als es zu Pfingsten in zahlreichen Anrainergemeinden “Land unter” hieß. Der See kann eine Gefahr sein. Er kann aber auch zur Lebensader werden, wie die Politik ihren Bodensee beschreibt. Und noch viel mehr.

Thekla Walker ist Umweltministerin von Baden-Württemberg. Für sie ist der See vor allem ein riesiger Trinkwasserspeicher für vier Millionen Menschen im Bundesland. “Zugleich ist das Ökosystem Bodensee der biologische Lebensraum für eine Vielzahl von Tieren und Pflanzen.” Ihr Kollege in Vorarlberg, Agrarlandesrat Christian Gantner, ergänzt: “Der Bodensee ist der drittgrößte See in Mitteleuropa und in erster Linie ein natürliches Gewässer, ein Lebensraum für Pflanzen und Tiere, ein Natur- und Erholungsraum, prägend für unsere Region und für unser Klima seit Jahrhunderten.” Der St. Galler Regierungsrat Beat Tinner aus dem Volkswirtschaftsdepartement spricht von einem Naturjuwel von unschätzbarem Wert. Ein Naturjuwel, das sich in einer Zeit des Wandels befindet.
Die Vorarlberger Nachrichten, das St. Galler Tagblatt, die Thurgauer Zeitung und die Schwäbische Zeitung haben in dieser Artikelserie diesen Wandel ausführlich beschrieben: Der Felchenbestand ist so stark gesunken, dass ein dreijähriges Fangverbot ausgesprochen wurde. Der Stichling, die Quagga-Muschel, der Kormoran; neue Lebewesen machen sich breit. Der See verändert sich. Wie geht die Politik damit um?

Vorarlbergs Landesrat Gantner rechnet vor: “Vom über die letzten Jahrzehnte wichtigsten Wirtschaftsfisch der Berufsfischer, dem Felchen, wurden im vergangenen Jahr in Vorarlberg nur noch rund 700 Kilogramm angelandet. Diese Menge ist weniger als fünf Prozent des Zehn-Jahres-Mittels in Vorarlberg von 16,7 Tonnen.”
Der Grund: Stichling und Quagga-Muschel fressen den Felchen das Essen weg. Die Politik ist in dieser Entwicklung teilweise nur Passagier. “Gewisse Faktoren sind im Moment nicht zu beeinflussen, und diese werden den Felchenbestand weiterhin negativ beeinflussen”, ist Beat Tinner aus St. Gallen überzeugt. Für ihn ist das Fangverbot die einzige kurzfristig mögliche Maßnahme gewesen. Er hofft, dass die Begleitmaßnahmen wirken. Gantner hofft zudem, dass die Zahl der Stichlinge bald dezimiert werden kann. “Derzeit wird geprüft, ob und auf welche Weise der Stichling bewirtschaftet, also gefangen und verwertet werden kann.” In Bayern gibt es ein solches Projekt schon, erklärt die bayrische Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber. Die Stichlinge sollen mit Zugnetzen gefangen werden. „Darüber hinaus unterstützt Bayern die Bemühungen, im Rahmen eines Internationalen Kormoranmanagements auf die großen Kormoranbestände einzuwirken“, fährt die Ministerin fort. Eine Bestandsregulierung sei dringend notwendig.

Dieses gefiederte Tier sorgt nämlich ebenfalls seit Jahren für Diskussionen am See. 1997 brüteten vereinzelte Kormoranpaare am See, im Vorjahr wurden mehr als 1500 Brutpaare gezählt. “Bis zu über 7000 Vögel jagen gleichzeitig am See”, betont Gantner. Für ihn ist die EU mitverantwortlich dafür, weil der Kormoran geschützt ist. “Das war meiner Ansicht nach ein Fehler. Jedes Tier, das keinen natürlichen Feind hat, bringt die Natur aus dem Gleichgewicht.” Für Bayerns Ministerin Kaniber steht fest: „Unverständlich ist, warum die Vogelschützer trotz der inzwischen hohen Kormoranzahlen am Bodensee nach wie vor eine maßvolle Bestandsregulierung ablehnen.“
Bald könnte es soweit sein. In Baden-Württemberg ist im vergangenen Herbst der Dialogprozess “Kormoran und Fisch” abgeschlossen worden, berichtet Umweltministerin Thekla Walker. Daraus soll ein länderübergreifendes Pilotprojekt werden, fährt Walker fort. “Das Pilotprojekt soll die Grundlage für ein langfristiges Maßnahmenpaket zur Verbesserung des Fischartenschutzes und zu einem Kormoranmanagement bilden, das dann länderübergreifend am Bodensee umgesetzt werden soll.”
Das Naturjuwel Bodensee befindet sich im Wandel. Der Wandel gehört aber dazu, meint Christian Gantner. Denn: “Im See ist das einzig Beständige die Veränderung.”
Darum dreht sich unsere Serie „Wem gehört der Bodensee?“. Entstanden ist sie grenzübergreifend wie der See, seine Schönheit und seine Probleme, als Coproduktion von Vorarlberger Nachrichten, St. Galler Tagblatt, Thurgauer Zeitung und Schwäbischer Zeitung.