Gewessler und die ÖVP-Landesräte: Boykott ist die halbe Wahrheit

Politik / 21.06.2024 • 10:06 Uhr
Pressekonferenz Gewessler
Am Freitag standen nur Vertreter der Grünen und SPÖ in Lochau auf der Bühne. VN/Rauch

Die ÖVP-Energielandesräte sagen, dass sie wegen Gewesslers Zustimmung zum Renaturierungsgesetz nicht an der Energiereferentenkonferenz teilnehmen wollen. Das ist aber nur die halbe Wahrheit.

Von Matthias Rauch und Maximilian Werner

Wien, Lochau, Brüssel Die ÖVP ist weiter entrüstet ob des Alleingangs von Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) in Sachen EU-Renaturierungsgesetz. Als Protest reisen heute, Freitag, die fünf von der Volkspartei gestellten Energielandesräte nicht zum Treffen mit ihren Amtskollegen in Vorarlberg an. Grund dafür ist die Anwesenheit Gewesslers. Diese habe bereits in der Vergangenheit mehrfach gezeigt, dass ihr die Länderinteressen egal seien, heißt es in einer gemeinsamen Aussendung.

ABD0075_20240607 – WIEN – …STERREICH: Energieministerin Leonore Gewessler (GrŸne) am Freitag, 07. Juni 2024, wŠhrend einer PK zum Thema “Made in Europe Bonus” in Wien. – FOTO: APA/GEORG HOCHMUTH
Leonore Gewessler konnte in Bregenz nicht auf die Energielandesräte der ÖVP treffen. APA/Georg Hochmuth

Das Fass zum Überlaufen gebracht habe nun „die verfassungs- und rechtswidrige Zustimmung“ zum EU-Renaturierungsgesetz trotz einer einheitlichen ablehnenden Stellungnahme der Bundesländer. Damit sei die nötige Vertrauensbasis für die politische Tagung der Energiereferentinnen und Energiereferenten heute nicht mehr gegeben, begründen die Landesräte Markus Achleitner (Oberösterreich), Stephan Pernkopf (Niederösterreich), Josef Geisler (Tirol), Josef Schwaiger (Salzburg) und Sebastian Schuschnig (Kärnten) ihre Absage. Die Vielzahl an offenen Gesetzesmaterien auf Bundesebene im Energiebereich belege ebenfalls, dass Gewessler nicht kompromissfähig sei, weil sie Ideologie über alle anderen Interessen und sogar über das Recht stelle, so die Landesräte weiters.

Gestaffelte Absagen

Den VN wurde aber zugetragen, dass drei Energiereferenten schon „vor Wochen“ ihre Teilnahme an der Konferenz in Lochau abgesagt hätten. Erst in dieser Woche – nach der Zustimmung Gewesslers zum Renaturierungsgesetz – sollen weitere Bundesländer ihre Teilnahme abgesagt haben. Jeweils aber, ohne einen Grund anzugeben – das passierte erst jetzt in der Aussendung für die Öffentlichkeit. Hinter den Kulissen wird immer wieder festgehalten, dass es sich bei der Konferenz der Energiereferenten um eine politische Arbeitsgruppe handelt, die wichtige Aufgaben zur Abstimmung zwischen den Ländern übernehme – etwa im aktuell relevanten Bereich der Diversifizierung von Energiequellen. Die Bundesministerin selbst ist in diesem Gremium nur zu Gast, nicht formelles Mitglied.

Das sagt die Ministerin

Am Freitagmittag traten der Gastgeber, Vorarlbergs Energie-Landesrat Daniel Zadra von den Grünen, Parteikollegin Gewessler und der Wiener Energiereferenten Jürgen Czernohorszky vor die Presse. “Es ist natürlich bedauerlich, wenn die politische Ebene nicht vollständig vertreten ist, weil es genug zu tun gibt”, bedauert Gewessler. Sie sei dennoch zuversichtlich, da auf der Konferenz dennoch gearbeitet wurde. “Ich gehe davon aus, dass sich die Verantwortung für Österreich durchsetzt”, erwartet die Ministerin für die Zukunft wieder eine Normalisierung der konstruktiven politischen Zusammenarbeit.

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Die politische Arbeit sei es nun einmal, Verantwortung zu übernehmen und Beschlüsse im Sinne der Bevölkerung zu fassen, betont sie im Laufe der Pressekonferenz. Auch ihren Beschluss für das Renaturalisierungsgesetz habe sie sich nicht leicht gemacht, sei aber nach Aussage ihrer Rechtsexperten so vertretbar gewesen. Diese Bundesregierung habe schon viele andere Situationen überstanden und werde trotz der kommenden Wahlen weiter zusammenarbeiten. So habe auch die ÖVP öfter gegen den Willen des Koalitionspartners gestimmt, etwa bei der Blockade des Schengenbeitritts von Rumänien und Bulgarien. Ein Treffen mit dem Landeshauptmann werde es nicht geben, dies sei bereits ursprünglich terminlich nicht möglich gewesen.

Pressekonferenz Gewessler
Die Ministerin betonte die Notwendigkeit der Politik, im Sinne der Bevölkerung zu arbeiten. VN/Rauch

Auch Czernohorszky zeigte sich irritiert, dass gerade diese Sitzung der Landesräte von der ÖVP genutzt wurde, um ein solches Zeichen zu setzen. Zadra betont, es sei Usus, dass die zuständigen Minister zu solchen Arbeitstreffen eingeladen werden – obwohl es sich um ein reines Arbeitstreffen der Länder handelt. Er bestätigt, dass von den fünf bereits drei vor Wochen vor allem aufgrund der langen Wege nach Vorarlberg und daraus entstehenden Terminschwierigkeiten abgesagt haben. Es habe sich ein ÖVP-Landesrat noch schriftlich gemeldet, dass er trotz Abwesenheit zu allen fachlichen Punkten zustimmen wolle und dies so festgehalten werden soll.

Pressekonferenz Gewessler
Am Freitag traten der aktuelle und der künftige Gastgeber gemeinsam mit der Ministerin vor die Presse. VN/Rauch

Das Ergebnis des nun aus vier roten und grünen Landesräte und der Ministerin seien “wertvolle Diskussionen und ein reger Austausch zwischen den LandesvertreterInnen” gewesen. Beschlossen habe man weitere Schritte zur Dekarbonisierung des Gebäudesektors, neue Förderungen für Photovoltaikanlagen gerade im alpinen Raum und die Forderung nach verbesserten Rahmenbedingungen für Geothermie an die Ministerien gewesen. Möglich war dies, da bereits seit Donnerstag die Fachexpertenschaft der Beamtenebene die Beschlüsse vorbereitet hatte – und hier tatsächlich Vertreter aller Bundesländer anwesend waren. Im Mai 2025 will man sich wieder treffen, dieses Mal in Wien. Die Bundeshauptstadt will bis 2040 klimaneutral sein.

Mit Material der Austria Presse Agentur (APA).