Der Bodensee bewegt: Freizeitsportler haben das Gewässer fest im Griff

Politik / 26.06.2024 • 17:42 Uhr
Bodenseeserie für Mobilität am See
Die größten Häfen am Bodensee sind im Bodenseekreis zu finden: die Marina Meichle & Mohr in Kressbronn-Gohren mit etwa 1500 und direkt daneben der BMK-Hafen in Langenargen mit 750 Liegeplätzen. DPA

Nächster Teil der Bodenseeserie: Manchertags ist das Wasser vor lauter Booten nicht zu sehen. Maßlose Übertreibung oder Tatsache? Was auf dem See wirklich los ist und welche Probleme dadurch entstehen.

Text: Tanja Poimer, Schwäbische Zeitung

Friedrichshafen Das Wasser glitzert tausendfach im Sonnenlicht. Eine Brise Wind verschafft nicht nur Abkühlung, sondern fängt sich im Tuch, bewegt Segelschiffe und die Menschen darauf. Motorbootfahrer genießen eine Ankerpause in der Badebucht oder ziehen jauchzende Kinder auf einer knallgelben Gummi-Banane hinterher. Im Uferbereich tauchen Schwimmer genussvoll ein. Stand-Up-Paddler, zumindest die Könner unter ihnen, gleiten geschmeidig dahin.

Nicht zu vergessen Urlauber und Einheimische, die von einem Schiff der Weißen Flotte aus die Eindrücke aufsaugen, die ihnen das beeindruckende Alpenpanorama und malerische Orte bieten. Was sich anhört, wie der gefühlsselige Einstieg in einen Heimatroman, beschreibt am Bodensee die Wirklichkeit – zumindest, wenn das Wetter mitspielt.

Gegenseitige Rücksichtnahme

Besonders an schönen Sommertagen haben Freizeitsportler das weit über die Region hinaus geschätzte Wasser offensichtlich fest im Griff. Damit alle ihre Freude am See haben und trotzdem gut aneinander vorbeikommen, ist vor allem eins gefragt: „gegenseitige Rücksichtnahme“, wie Markus Bertele, Leiter des Schifffahrtsamtes des Bodenseekreises in Friedrichshafen, betont.

Bodenseeserie für Mobilität am See
 Längst vergangene Zeiten: Eisenbahnfähren schipperten früher Güterwagen über den See. Der Trajektbetrieb zwischen Romanshorn und Friedrichshafen wurde 1974 eingestellt. SBB

Denn für Millionen Menschen ist der Bodensee zwar Freizeitrevier, aber auch Trinkwasserspeicher, Arbeitgeber und vor allem geliebte Heimatregion. Das hehre Ziel, das die Internationale Bodensee-Konferenz (IBK) gesetzt hat: Bis 2040 soll die Schifffahrt emissionsfrei erfolgen.

Alle drei Jahre zum Boots-TÜV

Laut Schiffsstatistik liegen 60.591 Boote am und im Bodensee – Stand: 31. Dezember 2023. Deutschland hat einen Anteil von 43.495 Booten, die Schweiz 11.323 und Österreich 5.773. Zum Vergleich: Im Jahr 2014 waren es 59.970 registrierte Wasserfahrzeuge.

Das Passagierschiff "Karlsruhe" fährt am 18.08.2013 auf dem Bodensee die Anlegestelle von Langenargen an, während im Hintergrund einige Boote segeln. Foto: Felix Kästle/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++
Voll, Voller, Bodensee: An schönen Sommertagen kreuzen sich häufig die Wege von Freizeitsportlern und Berufsschifffahrt. DPA

„Wir haben ein großes und sehr interessantes, aber doch begrenztes Wassersportrevier“, sagt Markus Bertele. Sein zufriedener Blick schweift über den Hafen des Segel-Motorboot-Clubs in Friedrichshafen, der sich nach der Winterpause nach und nach füllt. Eine neue Wassersportsaison beginnt.

Keine neuen Liegeplätze

Sieben Schifffahrtsämter gibt es am See – auf deutscher Seite in Friedrichshafen, Konstanz und Lindau, im österreichischen Bregenz sowie in Schaffhausen, Thurgau und St. Gallen in der Schweiz. In ihre Zuständigkeit fällt unter anderem die Zulassung von Personen und Booten zum Schiffsverkehr, erklärt der Friedrichshafener Chef. Das heißt, die Ämter sind Anlaufstellen, wenn es um die Prüfung zum Bodenseeschifferpatent geht und nehmen die technische Untersuchung, sozusagen den Boots-TÜV ab, zu der Eigner alle drei Jahre vorfahren müssen.

Bodenseeserie für Mobilität am See
Damit alle gut aneinander vorbeikommen, ist vor allem eins gefragt: „gegenseitige Rücksichtnahme“, wie Markus Bertele, Leiter des Schifffahrtsamtes in Friedrichshafen, betont. Poimer

Die Einteilung der Boote erfolgt in zwei Kategorien. In die der zulassungspflichtigen mit Motor (41.106) und die der registrierungspflichtigen wie Jollen oder Ruderboote, wenn sie mindestens 2,50 Meter lang sind (19.485). Der erste Bereich stagniert seit einiger Zeit. Ein Grund: „Aus Gewässerschutzgründen dürfen seit mehr als 20 Jahren in der Regel keine neuen Liegeplätze geschaffen werden“, berichtet Markus Bertele.

Ballungsgebiet im Bodenseekreis

Außerdem hätten die Menschen immer mehr Interessen und Hobbys. Planungen erfolgten kurzfristiger, sich zu binden, sei weniger zeitgemäß. Eine weitere Entwicklung, die der Amtsleiter ausmacht: Die Zahl der Motorboote steigt, die der Segelyachten sinkt. Was nichts daran ändert, dass die Listen mit den Namen derer, die auf einen Liegeplatz warten, fast überall lang sind.

Die größten Häfen befinden sich im Bodenseekreis: die Marina Meichle & Mohr in Kressbronn-Gohren mit etwa 1500 und der BMK-Hafen in Langenargen mit ungefähr 750 Liegeplätzen. Bemerkbar macht sich das Ballungsgebiet, wenn die Boots-Karawanen in Ferienzeiten am Morgen hinaus auf den See und am Nachmittag zurück in die beiden benachbarten Anlagen ziehen.

52.000 Tonnen CO pro Jahr

Der Machbarkeitsstudie „Klimaneutrale Schifffahrt auf dem Bodensee“ zufolge sind mehr als 38.000 Boote mit einem klassischem Verbrennungsmotor zugelassen, die etwa 52.000 Tonnen CO₂ pro Jahr produzieren. Die Emissionen werden demnach hauptsächlich durch PS-starke Sportboote, die großen Fähren auf den wichtigen Verkehrsrouten und die touristischen Passagierschiffe verursacht. Der Freistaat Bayern, der 2023 den Vorsitz der IBK innehatte, gab die Untersuchung in Auftrag.

Interboot 2020 - Interboot Trophy
Regattarevier Bodensee: Im Rahmen der Wassersportmesse Interboot treten vor Friedrichshafen Segler gegeneinander an. DPA

Bei einer Tagung im Dezember erklärte Bayerns Europaminister Eric Beißwenger (CSU): „In der Studie wird deutlich, dass unter Beibehaltung der heutigen Fahrprofile, also betreffend Geschwindigkeit und Entfernungen, die Klimaneutralität für die meisten Boote langfristig vorwiegend mit flüssigen, CO₂-neutralen Kraftstoffen, bevorzugt E-Methanol, erreichbar ist.“

Klimaneutralität als Mammutaufgabe

Und weiter: Dies könne auch die Lösung für die Umrüstung der Bestandsflotte sein, „die eminent wichtig ist. Ziel muss es sein, bis 2040 eine klimaneutrale Schifffahrt auf dem Bodensee zu haben. Das hätte Modellcharakter für alle europäischen Binnenseen.“ In diesem Jahr führt der Schweizer Kanton Appenzell Innerrhoden die IBK, der die Verkehrswende weiter vorantreiben will.

Markus Bertele bezeichnet eine klimaneutrale Schifffahrt bis 2040 als „Mammutprojekt“, bei dem die Politik das Sagen habe, jedoch auch die Expertise von Fachleuten zum Beispiel aus den Schifffahrtsämtern gefragt sei. Nachdem die Machbarkeitsstudie vorliegt, gelte es, sich in einem nächsten Schritt auf eine Strategie zu einigen und verschiedene Technologien zu prüfen: „Die Frage ist, was wollen wir und wie kommen wir dort hin?“

Kaum E-Motoren

Boote mit Verbrennermotoren könnten sicher nicht von heute auf morgen verbannt werden. Der Bestandsschutz sei ein hohes Gut, so der Amtsleiter. Eine Feststellung, die einen Großteil der Bootseigner erleichtern dürfte.

Es bleibt bei der Kurtaxe für Boote von Auswärtigen in Kressbronn. Sie wird aber niedriger ausfallen.Foto: Felix Kästle
Geschätztes Gewässer: Laut Schiffsstatistik liegen 60.591 Boote am und im Bodensee. DPA

Die Elektrifizierung spielt in der Freizeitschifffahrt eine noch eher untergeordnete Rolle. Das Problem: Die Batterien sind groß und schwer und die Infrastruktur, sprich: Stromversorgung und Ladestationen in den Häfen, ist überwiegend noch nicht hergestellt, führt Markus Bertele aus.

Der Anteil an Booten mit E-Motoren steigt zwar. Laut Schiffsstatistik liegt er aktuell allerdings bei gerade einmal 2270. Zum Einsatz kommt die Technologie vorerst bei Flautenschiebern, also Hilfsmotoren beispielsweise auf Segelbooten.

Schiffsbetriebe wollen vorlegen

Ein Projekt der Bodensee-Schiffsbetriebe (BSB), einer Tochtergesellschaft der Stadtwerke Konstanz: Seit 2022 ist auf dem Bodensee das erste Elektro-Passagierschiff, die „Insel Mainau“, im Einsatz. Der Antrieb funktioniert per Akku und Photovoltaik. Das Schiff transportiert bis zu 300 Fahrgäste zwischen Unteruhldingen und der viel besuchten Blumeninsel.

Die BSB wollen mit ihrer Flotte sogar bis zum Jahr 2035 klimaneutral unterwegs sein. Aktuell können auf dem E-Schiff im Jahresdurchschnitt aber nur 20 Prozent des Strombedarfs über die Solarzellen abgedeckt werden. Der größte Teil der Energie muss am Stecker geladen und in der 1000-Kilowatt-Batterie an Bord gespeichert werden.

Vorerst keine E-Fähre von Arbon aus

Auf Eis liegen die Pläne für eine E-Fähre der Gemeinde Arbon, die den Ort in der Schweiz mit der deutschen Kommune Langenargen gegenüber verbinden soll. Eine Machbarkeitsstudie kam zu dem Ergebnis, dass dieses Vorhaben Stand heute wegen der Kosten nicht realisierbar ist, berichtete die Thurgauer Zeitung Anfang 2024.

ARCHIV - 17.07.2022, Baden-Württemberg, Insel Mainau Im Bodensee: Der neue batteriebetriebene E-Katamaran "Insel Mainau" fährt nach der Taufe im Juli vom Landesteg vor der Insel Mainau über den Bodensee Richtung Unteruhldingen (Aufnahme mit einer Drohne
Die Bodensee-Schiffsbetriebe legen vor: Die „Insel Mainau“, die erste E-Fähre am Bodensee, soll ein Schritt in Richtung klimaneutrale Zukunft sein. DPA

Eine der größten Herausforderungen auf dem Bodensee ist, dass es sich um ein internationales Gewässer handelt. Damit Regeln möglichst einheitlich ausgelegt und angewendet werden, arbeiten Markus Bertele und sein Team mit den anderen Schifffahrtsämtern eng zusammen.

Zusammenarbeit der Schifffahrtsämter

„Wir treffen uns halbjährig und telefonieren bei Bedarf. Einmal im Jahr im September haben wir mit Wasserschutzpolizei und technischen Sachverständigen eine große Besprechung auf der Messe Interboot in Friedrichshafen“, sagt der Chef des Schifffahrtsamtes, das im Landratsamt des Bodenseekreis angesiedelt ist.

Abzustimmen gebe es zum Beispiel Vorgaben beim Thema Emissionen, Fragen zum Bodenseeschifferpatent, internationale Genehmigungen und Regatten oder der Umgang mit Trendsportarten wie Stand-Up-Paddling (SUP). Markus Bertele: „Wir teilen uns mitunter die Arbeit und profitieren gegenseitig von der Praxis der Kolleginnen und Kollegen.“

Freizeitsport statt Warentransport

Die Zeiten, in denen Kähne Waren wie Salz und Getreide oder Eisenbahnfähren Güterwagen über den See geschippert haben, sind längst vorbei. Der Trajektbetrieb zwischen Romanshorn und Friedrichshafen wurde 1974 eingestellt. Die Zahl der Berufsfischer nimmt wegen der Fangerträge, die zuletzt drastisch gesunken sind, seit Jahren ab.

Heutzutage beherrschen Freizeitsportler das Bild. Sie setzen Segel, schmeißen Motoren an, rudern, paddeln, treten, werfen Angelruten aus, tauchen ab. Und wenn ganz großes Kino angesagt ist, schwimmt zudem ein stolzes Schwanenpaar mit seinen putzigen Jungen vorbei, zieht der Zeppelin majestätisch am Himmel vorüber und stößt das geschichtsträchtige Dampfschiff Hohentwiel in sein historisches Horn.

Die gute Nachricht, die Amtschef Bertele hat: „Auf dem Wasser geht es auch an schönen Sommertagen, an denen es gefühlt voll ist, überwiegend harmonisch zu. Wir haben ein gutes Miteinander.“ Schiff ahoi! Oder um es auf Schwäbisch, Schweizerisch oder Österreichisch zu sagen: Hoi a Schiff!

Darum dreht sich unsere Serie „Wem gehört der Bodensee?“. Entstanden ist sie grenzübergreifend wie der See, seine Schönheit und seine Probleme, als Coproduktion von Vorarlberger Nachrichten, St. Galler Tagblatt, Thurgauer Zeitung und Schwäbischer Zeitung.

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