Nach Medikamentenskandal: „Mir vergeht langsam der Hunger”

Politik / 27.06.2024 • 20:32 Uhr
ABD0117_20230603 – ALTAUSSEE – …STERREICH: ++ THEMENBILD ++ Eine Kuh mit einem Kalb auf der Blaa Alm im Ausseerland-Salzkammergut am Samstag, 3. Juni 2023. – FOTO: APA/BARBARA GINDL
Der Tiergesundheitsfonds sichert weiterhin viele Angebote für Landwirte. Eine neue Regelung sieht nur andere Bedingungen vor, was die Medikamentenabgabe durch den Landwirten betrifft. APA

Vertrag zwischen Tierärztekammer und Landwirtschaftskammer ist aufgelöst. Nachfolgelösung reicht nicht allen aus.

SChwarzach Ein Zufallsfund führte zu den Ermittlungen. Am 5. Juli steht ein Landwirt vor Gericht, dem Tierquälerei vorgeworfen wird. Er soll einem Rind im Zuge der Klauenpflege die Zunge ausgerissen zu haben. Bei den Ermittlungen entdeckte die Polizei auf dem Handy des Landwirtes Nachrichten, die darauf hindeuten, dass er Medikamente für Tiere illegal in Deutschland besorgt und damit gehandelt haben soll. Die Sache liegt bei der Staatsanwaltschaft, wie den VN bestätigt wird.

Nach Medikamentenskandal: „Mir vergeht langsam der Hunger"
Landesrat Christian Gannter (Mitte) mit Landwirtschaftskammerpräsident Josef Moosbrugger und dem Präsidenten der Tierärztekammer Robert Griss. Land Vorarlberg/Serra

Politisch führte der Fall zu ersten Konsequenzen. Bislang hatten Tierärztekammer und Landwirtschaftskammer ihre Zusammenarbeit vertraglich geregelt. Rund 3000 Landwirte waren über einen Rahmenvertrag Teil des Tiergesundheitsdienstes. Dieser Vertrag ist nun Geschichte und Einzelvereinbarungen zwischen Landwirten und Tierärzten notwendig. „Wenn ein Landwirt von seinem Tierarzt in die Anwendung von Medikamenten eingebunden werden soll“, erklärt der zuständige Landesrat Christian Gantner. Wer keinen Vertrag hat, wird keine Medikamente erhalten.

Überblick behalten

Normalerweise läuft es so: Ein Tierarzt besucht einen Landwirt, um dessen erkrankte Kuh zu untersuchen. Das ist auch ohne den Betreuungsvertrag möglich. Er erstellt eine Diagnose, macht den Therapieplan und behandelt. Benötigt die Kuh über mehrere Tage eine Therapie, kann der Tierarzt dem Landwirt Medikamente überlassen. Allerdings nur, wenn der Landwirt eine Weiterbildung hat.

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Anstelle des einstigen Rahmenvertrages braucht es dafür jetzt einen Einzelvertrag mit dem Tierarzt und einen Vertrag mit dem Tiergesundheitsdienst. „Es geht darum, dass wir einen Überblick haben, wohin die Medikamente gehen“, erklärt Robert Griss, Präsident der Tierärztekammer. „Jetzt sind wir Tierärzte mehr geschützt. Sonst hat sich nichts geändert“, sieht er Vor- und Nachteile. „Diesen ominösen Umgang mit den Medikamenten bekommt man damit sicher nicht in den Griff.“

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Die Gesundheitsprogramme hält Griss für sinnvoll. So gehören alle Nutztier haltenden Vorarlberger Landwirte unverändert dem Tiergesundheitsfonds an, berichtet Landesveterinär Norbert Greber. Die Leistungen aus dem Fonds bleiben unabhängig davon, ob sie einen Betreuungsvertrag mit einem Tierarzt geschlossen haben. Dabei geht es um Untersuchungen und Prophylaxe durch Impfung und Entwurmung.

ABD0014_20210809 – INZING – …STERREICH: ++ THEMENBILD ++ WanderhŸhner auf einer Wiese auf einem Bauernhof in Inzing, fotografiert am 22. Juli 2021. Um HŸhnern, die sich nur in einem engen Radius um ihren Stall bewegen, regelmЧig frisches GrŸnfutter zu bieten, wird der Stall per Traktor versetzt. – FOTO: APA/JOHANNES.BRUCKENBERGER
Ob Geflügel oder Kühe: Die Leistungen aus dem Tiergesundheitsfonds bleiben den Landwirten sicher. APA

Griss sieht das grundsätzliche Problem bis jetzt nicht gelöst. Hinter vorgehaltener Hand wisse jeder, dass es bei Medikamenten Missbrauch gebe. „Darüber will man nicht reden“, kritisiert der Tierarzt. „Das ist doch nicht normal. Da geht es um unsere Lebensmittel. Mir vergeht langsam der Hunger.“ Verabreiche ein Landwirt ohne Diagnose und Dokumentation planlos Antibiotika oder dosiere er diese falsch, könnten Resistenzen entstehen. „Das ist gefährlich.“ Rückstände drohen auch bei Hormonen oder Schmerzmittel.

Landwirtschaftskammerpräsident Josef Moosbrugger kritisiert die Aussagen von Griss. “Es ist niemandem geholfen, wenn aus unerfindlichen Gründen ständig irgendwelche Gerüchte gestreut und Keile zwischen Tierärzte- und Landwirtschaft hineingetrieben werden.” Vielmehr brauche es konstruktive Lösungsbeiträge und Unterstützung, anstatt einen „gesamten, hart arbeitenden und um praktikable Lösungen ringenden Berufsstand öffentlich in Misskredit zu bringen”, sagt Mossbrugger.

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