Tierärzte: Es droht ein Totalausfall

Tierärztekammer warnt: In den kommenden vier Jahren erreicht über ein Drittel der Ärzte für Groß- und Nutztiere das Pensionsantrittsalter.
Schwarzach Der Job kann schon dreckig werden, körperlich anstrengend, heiß oder bitterkalt. Hinzu kommen lange Arbeitstage und teils ungeregelte Arbeitszeiten inklusive langer Arbeitswege. Tierarzt für Groß- bzw. Nutztiere zu sein, ist nicht unbedingt sozial kompatibel, sagt Robert Griss. Auch er betreut das Vieh von Landwirten auf abgelegeneren Alpen. Gleichzeitig betreibt Griss eine Praxis für Pferde in Rankweil und ist Präsident der Vorarlberger Tierärztekammer.
Ein Drittel vor Pensionsantrittsalter
Aktuell ist die tierärztliche Versorgung im Land noch gesichert. Diese droht für die Großtiere aber einzubrechen. „In Vorarlberg betreuen insgesamt 25 Tierärzte mit 18 Praxen den Nutztierbereich“, berichtet Griss. Sie werden von acht Assistentinnen und Assistenten unterstützt. Das Durchschnittsalter liegt bei knapp 55 Jahren. „Neun Tierärzte erreichen in den nächsten zwei bis vier Jahren das Pensionsantrittsalter.“ Das ist mehr als ein Drittel. „Wir werden in bestimmten Regionen einen Totalausfall bei der Versorgung haben“, warnt Griss. Ballungszentren seien nicht davon betroffen, ebenso nicht der Bregenzerwald. Für abgelegene Betriebe in den Talschaften oder auf den Alpen sind die Perspektiven aber schlecht.

Die Suche nach Nachfolgern oder Nachfolgerinnen sei im Gange. „Dafür braucht es aber jemanden, der kommen will. Es bewegt sich hier im Moment aber gar nichts.“ Gingen die besagten neun Tierärzte heute in Pension, wäre niemand da, der ihnen folgen würde.
Zu wenig Nachwuchs
Im Land ist man sich des Problems bewusst. „Den angehenden Pensionistinnen und Pensionisten steht eine zu kleine Zahl an Neueinsteigenden gegenüber“, heißt es aus dem Büro des zuständigen Landesrats Christian Gantner. „Aufgrund des geringen Nachwuchses kann es längerfristig zu besonderen Herausforderungen in der tierärztlichen Versorgung im Großtierbereich kommen.“

Grundsätzlich absolvieren jährlich ausreichend Tierärzte ihre Ausbildung, glaubt Kammerpräsident Griss. Das Betätigungsfeld nach dem Studium sei allerdings riesig, weshalb es schwierig sei, die Absolventinnen und Absolventen für den Nutztierbereich zu begeistern. Das sieht auch Landesrat Christian Gantner: „Landesseits weisen wir seit Jahren die Veterinärmedizinische Universität Wien auf diesen Umstand hin.“ Bei den Eingangskriterien zum Studium sollten die möglichen Kandidatinnen und Kandidaten, die in Großtierpraxen arbeiten wollen, verstärkt berücksichtigt werden, lautet der Vorschlag. „Bis heute ist dies aber ohne merklichen Erfolg geblieben.“ Ein Stipendium mit mehrjähriger Arbeitsverpflichtung im Nutztierbereich erscheine schwierig. Vielmehr brauche es weitere Maßnahmen, um die Ausübung des Berufes in der Großtierpraxis interessant und lukrativ zu gestalten. So fördere das Land die tierärztliche Notversorgung auch am Wochenende mit einer finanziellen Abgeltung für Bereitschaftsdienste. „Die Einstellung von Assistenten in der Nutztierpraxis wird einmalig in drei Jahren mit 6000 Euro unterstützt, weil sich immer mehr zeigt, dass junge Tierärztinnen und Tierärzte am ehesten im Umfeld einer Gemeinschaftspraxis tätig werden“, sagt Gantner.
Wer soll das zahlen?
Griss hält auch das Kinderbetreuungsangebot in der Region für zentral. Die Bereitschaftsdienste am Wochenende sollten anders abgegolten werden, fordert er. “Die aktuelle Lösung ist halbherzig. Wer Bereitschaft hat, muss jeden Fall genau dokumentieren.” Wer während der Bereitschaft nichts zu tun habe, bekomme nichts. “Deshalb sollte die Bereitschaft finanziell abgegolten werden”, hält Griss fest. Zudem müssten die Preise angehoben werden. Derzeit könne man als Großtierpraktiker kaum eine vierköpfige Familie ernähren. „Aber wenn Fleisch und Milch so billig sind, verdient der Landwirt auch fast nichts. Wie soll er dann einen Tierarzt zahlen? Da beißt sich die Katze in den Schwanz.“
An den Arbeitsbedingungen selbst könne man nichts ändern. Bei Großtieren werden die Visiten im Stall des Betriebes durchgeführt, was auch weite Wege auf teils unwegsamem Gelände nach sich ziehen kann. Da braucht es laut Griss für das Dienstauto gleich mehrere Reifensätze pro Jahr. „Auch Hitze, Kälte, Dreck und Stallgeruch gehören einfach dazu.“ Und Idealismus – anders geht es nicht. „Wer diesen Beruf macht, macht ihn aus Leidenschaft.“