Große Hürden für Ärzte aus dem Ausland trotz Fachkräftemangels

Politik / 04.07.2024 • 17:39 Uhr
WEM - 1
Zwischen Fachkräftemangel im Gesundheitsbereich und einem Hürdenlauf durch alle Instanzen: Saju Khan will in Feldkirch als Arzt arbeiten. Aber die Berufsanerkennung in Österreich ist kompliziert.

In Vorarlberg herrscht Ärztemangel. Ein indischer Neurologe will in Feldkirch arbeiten, muss aber einen Hürdenlauf zurücklegen.

Feldkirch Schuld sind die Berge. “Ich fühle mich hier wohl”, sagt Saju Khan, der in Indien geboren wurde. “Mein Traum ist es, mich in Vorarlberg niederzulassen und hier den Rest meines Lebens zu verbringen.” Ob der Wunsch des 38-jährigen Mediziners in Erfüllung geht, ist offen. Im Landeskrankenhaus Feldkirch wartet eine Stelle als Neurologe auf ihn. Angesichts des Fachkräftemangels im Gesundheitsbereich eine win-win-Situation für beide Seiten.

Aktuell muss Khan aber einen anderen Berg erklimmen, jenen aus bürokratischen Hürden. Eine halbe Stunde dauert es, bis er den VN geschildert hat, was er in den letzten Jahren erlebt hat. Seine Laufbahn als Arzt begann in Delhi, wo er Medizin studierte und sein klinisch-praktisches Jahr absolvierte. 2015 kam er nach Deutschland, erlernte die Sprache und machte seine Facharztprüfung. Der Prozess dauerte ein halbes Jahr, anschließend arbeitete er fast vier Jahre als Assistenzarzt in der Neurologie.

EU-Rechnungshof kritisiert unnötige Hürden

Im Urlaub begann die Begeisterung für Vorarlberg und er beschloss den Schritt zu wagen. “Am Anfang ist es sehr schwierig, alle Informationen zu finden”, berichtet Khan. Bereits der erste Schritt, um den Prozess überhaupt startet zu können, führt über eine große Hürde. Es braucht einen Meldezettel oder einen bevollmächtigten Empfänger in Österreich. “Es ist nicht so einfach jemand zu finden, der das für eine fremde Person macht”, sagt der Mediziner. Der Grund: Die zuständige Behörde verwendet die Postanschrift, um Originaldokumente in Papierform an die Antragsteller zurückzusenden.

Ein Punkt, der zuletzt auch im Bericht des EU-Rechnungshof zu Nostrifizierungen innerhalb des EU-Raums kritisiert wurde. Denn etwa auch Krankenpfleger, die händeringend gesucht werden, brauchen eine Postanschrift in Österreich, um einen Antrag zur Berufsanerkennung stellen zu können. Khan konnte über private Kontakte eine bevollmächtige Person in Österreich für den Schriftverkehr finden.

Hunderte Kilometer umsonst gefahren

Erst danach konnte er die notwendigen Dokumente der Ärztekammer und in der Folge dem Uniklinikum Wien übermitteln. Dabei war die lange Bearbeitungsdauer oftmals ein Problem. In Wien angekommen fehlte aber eine Original-Bescheinigung der Ärztekammer, er hatte nur die Bestätigung in E-Mail-Form. “Das Original kam mit der Post, das dauerte wieder einen Monat”, schildert er. Das führte dazu, dass er umsonst die 600 Kilometer von Deutschland nach Wien fuhr.

Als nach weiteren Wochen alle Dokumente übermittelt waren, folgte die richtige Herausforderung: Prüfungen des bereits absolvierten Studiums müssen in Österreich nachgeholt werden. Die summative Integrierte Prüfung (SIP) ist eine Gesamtprüfung des Jahresstoffes des Medizinstudiums. Khan musste die SIP 4 und SIP 5, die neun Fächer umfassen, die Gerichtsmedizin, Pharmakologie und ein Wahlfach nachholen. Zwei Jahre hat man dafür Zeit, währenddessen zahlt man Studiengebühren. Die Formalitäten der Prüfungen sind zudem von der Teilnehmerzahl abhängig. Bei mehr als 100 Interessenten ist es ein Multiple-Choice-Test zum Ankreuzen von Antwortmöglichkeiten, darunter ist es eine schriftliche Prüfung.

203 Berufe in Österreich reglementiert

Nach einer Berechnung, die die Prüfer des EU-Rechnungshofs anhand von Daten aus dem Jahr 2023 vorgenommen haben, werden aus Gründen der öffentlichen Gesundheit und Sicherheit durchschnittlich 212 Berufe je Mitgliedstaat reglementiert, was hochgerechnet auf die gesamte EU rund 5700 Berufen entspricht. In Österreich betrifft es 203 Berufe.

Österreich war einer von vier Mitgliedstaaten, in denen die Prüfer die Verfahren zur Anerkennung von Berufsabschlüssen genauer unter die Lupe genommen haben. Der Bericht bezieht sich zwar nur auf das EU-Ausland, zeichnet aber ein allgemeines Bild der Schwachstellen bei den Berufsanerkennungen. “Entgegen dem Ziel der EU-Richtlinie, die Anerkennung zu erleichtern und überbordende Anforderungen zu verhindern, gibt es nach wie vor Verfahren, in denen physische Dokumente bzw. manchmal sogar die persönliche Anwesenheit der Antragsteller erforderlich ist”, heißt es im Bericht. Der Länge der Verfahrensdauer wird zudem kein ausreichendes Augenmerk geschenkt, sie wird auch in Österreich nicht automatisch überwacht.

Wissenschaftlicher Mitarbeiter statt Arzt

Saju Khan kann den Gipfel des Berges schon sehen. Ende Juni hat er die letzte Prüfung absolviert und wartet nun auf das Ergebnis. Danach ist es aber noch nicht vorbei: Es wartet die Facharztprüfung. Ist auch diese geschafft, muss der Arzt, der bereits in Intensivstationen, Notaufnahmen und der Neurologie in zwei Ländern praktiziert hat, noch einmal die Basisausbildung machen. In Deutschland konnte er nach der Facharztprüfung gleich als Assistenzarzt anpacken. “Auch viele Österreicher gehen nach dem Studium nach Deutschland, wo das Basisjahr abgeschafft wurde. Man will doch gleich arbeiten”, sagt er.

Zur Überbrückung der Zeit, bis er wieder als Neurologe arbeiten kann, ist Khan als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Landesklinikum Feldkirch an der Abteilung für Neurologie beschäftigt. Khan, der in Deutschland bereits als Assistenzarzt im OP stand, pflegt nun Datenbanken ein oder klärt Patienten auf.

Tausende Euro Kosten

Insgesamt summieren sich die Kosten bis zur Berufsanerkennung auf bis zu 4.000 Euro, schätzt er. “Hätte ich gewusst, wie kompliziert es wird, hätte ich es nicht gemacht”, meint er gegenüber den VN.

Überall gibt es an Vorarlbergs Spitälern zu wenig Personal, das betreffe nicht nur die Neurologie, wird im Landeskrankenhaus Feldkirch bekrittelt. “Wir haben Hürden und verlieren Leute ohne Ende”, heißt es von Seiten eines Mitarbeiters.