Ukrainische Krankenschwester in Hohenems: “Es ist kein einfacher Weg”

Politik / 08.07.2024 • 17:02 Uhr
natalia chmil ukrainische pflegerin
Seit einanhalb Jahren lebt Chmil in Vorarlberg. vn/pem

Krankenschwester Natalia Chmil steht wie viele andere vor den Herausforderungen der Nostrifikation.

Petra Milosavljevic, Julia Schilly-Polozani

Schwarzach, Hohenems “Ich verstehe, dass ich die deutschen Wörter und Begriffe lernen muss. Aber der Körper in der Ukraine ist derselbe wie in Österreich”, sagt Natalia Chmil den VN. Die 45-jährige Ukrainerin hat fast die Hälfte ihres Lebens als Krankenschwester in der Chirurgie gearbeitet – insgesamt 22 Jahre. Aufgrund des Kriegs lebt sie nun in Hohenems und möchte hier ihren Beruf weiter ausüben. “Aber es ist kein einfacher Weg”, berichtet sie.

natalia chmil ukrainische pflegerin
Die ukrainerin hat 22 Jahre Berufserfahrung als Krankenschwester in der Chirurgie. vn/pem

Sie hatte sich bereits zur Oberschwester in einer privaten Klinik für plastische Chirurgie in Kiew hochgearbeitet. Dann fielen die Bomben Russlands auf die ukrainische Hauptstadt. Sie muss mit ihrem Sohn weg. Einige Monate verbrachte sie im Westen des Landes, in Lemberg half sie bei der gesundheitlichen Versorgung in einem Flüchtlingsheim. “Dann bin ich nach Vorarlberg gekommen. Ich wollte eigentlich nur über den Sommer bleiben, damit mein Sohn und ich uns erholen können.” Als ihr bewusst wurde, dass der Krieg nicht schnell zu Ende sein wird, entschloss sie sich ihren Beruf in Österreich anerkennen zu lassen.

Heiratsurkunde

Alle relevanten Dokumente übermittelte sie übersetzt und mit Apostille, einer Echtheitsbestätigung, der Vorarlberger Landesregierung. Dazu zählte das Diplom, die genau Stundenanzahl von Unterrichtseinheiten und die jeweilige Benotung. “Und meine Heiratsurkunde”, ergänzt Chmil, da sie ihr Diplom vor der Hochzeit machte. Sie hatte dabei unter anderem Unterstützung vom Österreichischen Integrationsfond (ÖIF) und Connexia. Zudem haben ihr viele Menschen aus Österreich beim Gang zu den Ämtern geholfen, ebenso war die Familie in Hohenems, bei der sie wohnt, eine große Unterstützung. Auch Ukrainerinnen, die seit mehr als zehn Jahren hier leben und diesen Prozess bereits durchgemacht haben, hätten ihr geholfen.

Anträge auf nehmen zu

Im Jahr 2023 wurden in Vorarlberg insgesamt 52 Verfahren zu Nostrifikationen nach dem Gesundheits- und Krankenpflegegesetz abgeschlossen. Das beinhaltet 40 Nostrifikationen in der Pflegefachassistenz und zwölf Nostrifikationen in der Pflegeassistenz, liefert das Büro von Landesrätin Martina Rüscher (ÖVP) die Zahlen auf VN-Nachfrage. Die Länder sind für Nostrifikationen von Drittstaatsangehörigen zuständig, der Bund für jene von EU- und EWR-Bürgerinnen und -Bürgern. Trends in Bezug auf einzelne Länder konnten nicht erkannt werden. Generell nehme die Anzahl an Nostrifikationsverfahren aber zu. Im vergangenen Jahr betrafen sie Menschen aus Bosnien und Herzegowina, Brasilien, Indonesien, Indien, Kosovo, Nordmazedonien, Philippinen, Serbien, Thailand, Tunesien, Türkei und der Ukraine.

Da die gesetzlichen Regelungen über die Nostrifikationen Bundesangelegenheit sind, gebe es keine Möglichkeit des Landes, diese legistisch abzuändern. “Die Abläufe der Nostrifikationsverfahren, die in unserer Zuständigkeit liegen, wurden deutlich beschleunigt und unterschreiten nun regelmäßig die zulässige Erledigungsdauer”, heißt es aus dem Büro Rüscher. Dies gelinge primär durch die gute Zusammenarbeit mit den Amtssachverständigen sowie connexia, welches die zukünftigen Nostrifikanten bei der Antragstellung und den Behördenwegen unterstützt.

Aufgrund Ihrer Datenschutzeinstellungen wird an dieser Stelle kein Inhalt von APA Livecenter angezeigt.

“Unterstützung, um Frust zu vermeiden”

Das Welcome Center Pflege & Soziales der connexia ist eine Anlaufstelle in Vorarlberg, die Beratung zu Anerkennungen von im Ausland absolvierten Pflege- oder Sozialbetreuungsberufs anbietet. Seit vergangenen April wird der Service angeboten, seitdem gab es etwa 100 Anfragen. Relativ viele Menschen aus dem osteuropäischen Raum, aber auch Heimleitungen suchen Unterstützung, um potenzielles Personal aus Drittstaaten nostrifizieren zu lassen. Es gebe ein enges Netzwerk mit dem AMS, dem Land Vorarlberg. Ziel ist es, den Prozess zu verkürzen, wird den VN bestätigt.

“Es kann nicht damit enden, die Menschen nur nach Vorarlberg zu holen und anerkennen zu lassen. Auch die bestehenden Teams benötigen Unterstützung, alle stehen unter einem großen Stresslevel”, sagt Reingard Fessler, Leiterin des Welcome Centers. Ziel sei es, den Prozess zu verkürzen, aber auch Frust auf beiden Seiten zu vermeiden. Und, ergänzt sie, die Nostrifikationen können nur ein Teil der Lösung zu sein, um den Fachkräftemangel im Gesundheitsbereich zu beseitigen.

Ukrainische Krankenschwester in Hohenems: "Es ist kein einfacher Weg"

Matura müsste nachgeholt werden

Mittlerweile hat die 45-Jährige auch das Sprachniveau B1 erlangt. Aufgrund des neuen Gesetzes kann Natalia Chmil jedoch nicht als diplomierte Krankenschwester in Vorarlberg arbeiten. Ab 2024 ist die Ausbildung zur diplomierten Pflegekraft nur noch mit Matura zugänglich. “Ich müsste erst die Matura nachmachen und dann noch einmal für zwei Jahre in die Schule gehen.” Das kommt für sie nicht in Frage. In diese Zeit würden die finanziellen Mittel fehlen, um sich um ihren Sohn zu kümmern.

natalia chmil ukrainische pflegerin
Sie hat als Oberschwester in einer privaten Klinik für plastische Chirurgie gearbeitet. vn/pem

“Von der Landesregierung habe ich den Bescheid bekommen, dass ich als Pflegefachassistentin arbeiten darf”, sagt sie. Doch auch das wird noch dauern. Dazu ist es noch notwendig, innerhalb von zwei Jahren einen viermonatigen Nostrifikationskurs abzuschließen. Zudem muss sie 100 praktische Stunden in einem Krankenhaus absolvieren.