Zivildiener in Hohenems: “Ich lerne fachlich und menschlich viel”

Vorarlberg sucht Zivildiener, im ersten Halbjahr konnte der Bedarf zu einem Viertel nicht gedeckt werden. Ein 20-Jähriger erzählt, warum die Aufgabe beim Roten Kreuz für ihn erfüllend ist.
Birgit Entner-Gerhold, Julia Schilly-Polozani
Schwarzach Wer kurzfristig eine Stelle als Zivildiener sucht, wird bei der Lebenshilfe fündig. 33 freie Plätze listet die Organisation für ihre Werkstätten und Wohnhäuser im Portal der Zivildienstserviceagentur auf. Startzeit: 1. September 2024. So drastisch wie bei der Lebenshilfe ist es bei den anderen Organisationen nicht. Dennoch sind viele auf der Suche: Pflegeeinrichtungen, die Caritas oder auch das Integrative Ausbildungszentrum. Das Rote Kreuz Vorarlberg konnte in diesem Jahr hingegen alle zugewiesenen Zivildienststellen besetzen.

In der ersten Hälfte dieses Jahres waren in Vorarlberg 496 Zivis im Dienst. Die Top 3 Einsatzgebiete sind das Rettungswesen mit 35,3 Prozent, die Sozial- und Behindertenhilfe mit 31,7 Prozent und die Altenbetreuung mit 17,5 Prozent, berichtet die zuständige Staatssekretärin Claudia Plakolm. Gleichzeitig haben 532 junge Männer im Land Zivildiensterklärungen abgegeben, was bedeutet, dass sie in den Startlöchern stehen.

Zivildienst als “ideale Vorbereitung” aufs Studium
Das Rote Kreuz kann heuer übers Jahr gesehen auf die Unterstützung von 240 Zivildienstleistenden zählen. Einer von ihnen ist Linus Häusle aus Koblach. Aktuell ist der 20-Jährige im Kranken- und Rettungstransport für die Rotkreuz-Abteilung Hohenems im Einsatz. Er berichtet, dass er sich für den Zivildienst beim Roten Kreuz entschieden habe, da er mit Menschen und für Menschen arbeiten will. Zudem plant er, Medizin zu studieren: “Der Zivildienst beim Roten Kreuz ist eine ideale Vorbereitung darauf.” Er könne fachlich, wie auch menschlich sehr viel lernen. Obendrein sieht er den Zivildienst als willkommene Alternative zum Wehrdienst.
Über seine Zeit kann er bislang nur Positives berichten. Es gefalle ihm “sehr, sehr gut”. Er schätze es vor allem, dass er für Menschen da sein kann, indem er ihnen vielleicht nur zuhören, aber auf jeden Fall konkret helfen und fachlich, wie auch menschlich beistehen kann. Zudem fühlt er sich in seinem sozialen Engagement bestärkt, gerade da er Einblicke in die “nicht so schöne Seite des Lebens, also von Menschen mit ihren Nöten, Sorgen und Schicksalsschlägen”, bekommt.

Schlechteste Bedarfsdeckung
Doch nicht überall läuft es so reibungslos wie beim Roten Kreuz: Mit 77,7 Prozent hat Vorarlberg österreichweit die schlechteste Bedarfsdeckung nach Kärnten (73,5 Prozent). Bis Jahresende sollten 84 Prozent der Stellen mit Zivildienern besetzt worden sein. Dass die Richtung unterjährig stets nach oben geht, zeigt auch die Zivildienstbilanz 2023. „Die Bedarfsdeckung ist im Laufe eines Jahres ausbildungsbedingt unterschiedlich hoch“, heißt es darin. „Während im Frühling teilweise zu wenige Zivildiener zur Verfügung stehen – da viele junge Männer noch in Ausbildung sind – gibt es von August bis Jänner österreichweit meist ausreichend Zivildiener.“ 2023 meldeten die Zivildiensteinrichtungen einen Bedarf von 1070 Personen. Am Ende wurden 891 zugewiesen, was einer Quote von 83,3 Prozent entsprach. 2022 lag die Bedarfsdeckung bei 87,3 Prozent.
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Geburtenschwach, Aufschub, Freiwilligendienst
Auf Nachfrage beim Zuständigen Landesrat Christian Gantner, was die Gründe für die mangelnde Zivildienst-Bedarfsdeckung im ersten Halbjahr sein könnten, wird aus seinem Ressort auf folgende Faktoren hingewiesen: Geburtenschwache Jahrgänge, weniger taugliche Stellungspflichtige, Befreiungen aus wichtigen persönlichen Gründen, Aufschub wegen Schulausbildung, kurzfristige Ausfälle etwa wegen Erkrankung und alternative Freiwilligendienste. Auch Gantner verweist darauf, dass die Jahresstatistik aussagekräftiger sei.
Zivildiener erhalten seit 1. Jänner 2024 eine Grundvergütung von 585,10 Euro, das sind um 9,14 Prozent oder 49 Euro mehr als 2023. Hinzu kommt ein KlimaTicket, Verpfelgsgeld oder Verpflegung und bei Bedarf Wohnkostenbeihilfe. Die Dauer des ordentlichen Zivildiensts beträgt neun Monate. Im Land können sie sich bei 142 anerkannten Zivildiensteinrichtungen melden. 2021 waren es noch 185. Meldet eine Einrichtung drei Jahre keinen Bedarf mehr ein Widerruf der Anerkennung.