VN-Sommergespräch mit Landeshauptmann Markus Wallner: “Wir sind keine kleine schnuckelige Regionalbank”

Politik / 12.07.2024 • 17:00 Uhr
Sommergespräche, Fotos vom Sommergespräch mit Markus Wallner. Interview führen Isabel und Birgit.
Wallner wünscht sich mehr Kompetenzen und Geld für Länder und Gemeinden. VN/Steurer

Der Landeshauptmann spricht über die Rolle der Hypo, eine Westzulage für Polizisten und Pädagogen sowie den Plan, Landesgehälter um maximal drei Prozent anzupassen.

Isabel Russ, Birgit Entner-Gerhold

Schwarzach Landeshauptmann Markus Wallner sieht keine Notwendigkeit für radikale Sparpakete, aber dennoch für maßvolles Handeln. So seien für die Lohnrunden von Landesbediensteten nun drei Prozent Erhöhung budgetiert worden, was der Landeshauptmann auch als Signal für die Sozialpartner sieht. An der Landesbank will er nicht rütteln. Was den künftigen Koalitionspartner betrifft, lässt er hingegen alles offen. Vom Bund fordert Wallner mehr Spielraum für den Westen.

Die ÖVP ist seit 1945 in der Landesregierung, seit zehn Jahren mit den Grünen in der Koalition. Welches Gesetz hätten Sie umgesetzt, wären Sie nicht in dieser Koalition gewesen?

Wallner Wenn ich könnte, würde ich in die Bundesverfassung eingreifen und den Ländern und Gemeinden deutlich mehr an Kompetenzen geben, auch deutlich mehr an Finanzmitteln bis hin zur Steuerautonomie. Pflege, Gesundheit, Kinderbetreuung, Bildung, Wohnen, Mietrecht: Das sind alles Bereiche, wo die Länder mehr zu sagen haben sollten. Das wäre mit oder ohne Grüne schwierig, sogar in der eigenen Partei. 

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Welchem Gesetz hätten Sie so nicht zugestimmt, wenn Sie nicht in der Koalition mit den Grünen gewesen wären?

Wallner Vermutlich der Zentralisierung der Sozialhilfe. Auch das habe ich für einen Fehler gehalten. Da waren wir praktisch gezwungen, auf Bundesebene zuzustimmen.

War das nicht ein Prestigeprojekt von Sebastian Kurz in der ÖVP-FPÖ-Koalition?

Wallner Ja, aber es ist auch von der grünen Seite sehr begrüßt worden. Ich habe da meine eigene Meinung. Eine regionale Mindestsicherung ist besser als eine bundesweite, weil sie uns mehr Spielraum lässt. Es wird auch in anderen Bereichen zu wenig auf die Lage im Westen reagiert, zum Beispiel was die Bundesbediensteten angeht. Polizisten und Pädagogen müssen besser bezahlt werden. Es braucht eine Westzulage in diesen Bereichen.

Die Rücklagen des Landes haben sich deutlich reduziert. Sind 126 Millionen Euro genug?

Wallner Man muss darauf achten, Ausgaben und Einnahmen in den Ausgleich zu bringen. Auf die Reserven achten heißt auch, auf das Vermögen des Landes zu schauen, zum Beispiel keine einzige Aktie bei den Illwerken zu verkaufen, auch nicht die Wohnbauförderungsdarlehen.

Sommergespräche, Fotos vom Sommergespräch mit Markus Wallner. Interview führen Isabel und Birgit.
Im VN-Sommergespräch betonte Wallner, dass die Schulen in Vorarlberg rückläufig sind. Dieser Trend müsse fortgesetzt werden. VN/Steurer

Der Fiskalrat rät auf Bundesebene zu einem Sparpaket. Wie funktioniert es auf Landesebene, Reserven aufzustocken und gleichzeitig auf Einnahmen und Ausgaben zu achten?

Wallner Vorarlberg ist das Bundesland mit der geringsten Pro-Kopf-Verschuldung. Bei allen anderen steigen die Schulden. Bei uns gehen sie zurück. Es kann immer eine Krise eintreten, bei der man mehr ausgeben muss und man der Bevölkerung direkt helfen muss. Aber es kann kein Dauerzustand sein. Wenn es besser wird, müssen die Dinge angepasst werden. Maßvolle Lohnabschlüsse müssen im Herbst kommen. Wir sind jetzt mit einem Wert von drei Prozent ins Budget gegangen. Das geht auch an die Adresse aller Sozialpartner.

Das heißt, Landesbedienstete werden eine Anpassung von drei Prozent erhalten?

Wallner Wir planen mit diesen drei Prozent, werden dann in die Verhandlungen eintreten, schon mit dem Signal, dass wir der jetzigen Inflationsrate entsprechen. In Wahrheit müssten wir sogar darunter sein, um eine weitere Stabilisierung zu erreichen. Das wird in allen Branchen diskutiert werden müssen.

Sie sagen aber, eine Kehrtwende ist ohne Sparpaket möglich?

Wallner Es braucht keine radikalen Sparpakete, aber man muss maßvoll vorgehen.

Sommergespräche, Fotos vom Sommergespräch mit Markus Wallner. Interview führen Isabel und Birgit.
Von radikalen Sparpaketen nimmt Wallner Abstand. Es gehe um maßvollen Umgang mit dem Geld.VN/STeurer

Im Landtag kritisierte Grünen-Klubobfrau Eva Hammerer, dass ein Schulprojekt in Hittisau keinen Kredit von der Hypo Landesbank erhalten hat, René Benko für seine Signa aber schon. Inwieweit kann man einer Landesbank hier Vorschriften machen?

Wallner Gar nicht. Man hat eine gewisse Eigentümerfunktion in der Kontrolle. Was man auch tun kann, machen wir, indem wir mit der Bank eine Art Zielbild vereinbart haben. Da steht zum Beispiel drinnen, wir wollen eine starke Wohnbaubank bleiben, wir wollen die Unternehmen im Land begleiten und uns auf die Region konzentrieren. Das sind Grundsätze, die der Eigentümer äußern kann, aber in einzelnen Kreditgeschäften haben wir natürlich nichts verloren.

FPÖ-Chef Christof Bitschi hat im VN-Sommergespräch angeregt, dass über den Verkauf der Landesbank diskutiert werden sollte. Steht das für Sie zur Diskussion?

Wallner Eigentlich gar nicht. Wir brauchen in Vorarlberg ein Bankunternehmen wie die Landesbank, auch in dieser Größenordnung, die in der Lage ist, bei der Exportwirtschaft mitzuhalten und zu sagen, wir sind keine kleine schnuckelige Regionalbank, sondern wir müssen größer denken, müssen die Industrie in ihren Dimensionen begleiten können.

Zur Person

Markus Wallner

Landeshauptmann, Obmann der Volkspartei Vorarlberg

Geboren 20. Juli 1967

Ausbildung Studium Politikwissenschaften und Geschichte an der Universität Innsbruck

Laufbahn 1991 bis 1994 Mitarbeiter Industriellenvereinigung, 1995 bis 1997 Presseferent VP-Landesorganisation, 1999 bis 2006 Landesgeschäftsführer VP Vorarlberg, 2000 bis 2006 Landtagsabgeordneter, 2003 bis 2006 Klubobmann der VP-Landtagsfraktion und zwischen 2006 und 2011 Landesstatthalter und stellvertretender Landeshauptmann, seit 2011 Landeshauptmann

Familie verheiratet, dreifacher Vater

Die Arbeitslosigkeit steigt, aber das AMS-Budget wird gekürzt, wie passt das zusammen?

Wallner Gar nicht. Wenn sich die Lage weiter anspannt, ist eine Reaktion notwendig. Man muss darauf achten, dass das AMS ordentlich ausgestattet ist und die Programme ordentlich ausfinanziert sind. Dort wo das Land finanziert, wird stärker finanziert werden, wenn sich die Arbeitsmarktsituation anspannt. Der Bund muss das auch tun.

Sommergespräche, Fotos vom Sommergespräch mit Markus Wallner. Interview führen Isabel und Birgit.
Das VN-Sommergespräch fand in Schwarzach statt. VN/STeurer

Sie fordern, dass man die Lohnnebenkosten senken muss. Damit werden unter anderem die Arbeitslosenversicherung, die Pensionsversicherung, die Wohnbauförderungsbeiträge finanziert. Wo sehen Sie das Möglichkeiten zu kürzen?

Wallner Die Belastung für die Unternehmen ist an sich zu hoch, was Steuern, Abgaben und Lohnnebenkosten angeht. Wenn wir zu Senkungen kommen, muss es das Wachstum ankurbeln, sonst wird sich die Gegenfinanzierung nicht ausgehen. Ich gehöre nicht zu denen, die glauben, dass wir bei der Senkung der Lohnnebenkosten riesige Schritte machen können, aber wir sollten ausloten, ob was drinnen ist.

Die Industriellenvereinigung fordert, dass 0,5 Prozent der Lohnnebenkosten gekürzt werden könnten, wenn man den Wohnbauförderungsbeitrag nicht länger über den Arbeitgeberbeitrag finanziert. Was halten Sie davon?

Wallner Ich sehe im Moment den Spielraum für eine Senkung der Wohnbauförderungsbeiträge nicht, wenn von allen Seiten die Forderung kommt, wir sollten mehr tun, was gemeinnütziger Wohnbau, Wohnbauförderung und Wohnbeihilfe anbelangt. Den Wohnbauförderungsbeitrag brauchen wir dringend, wenn er richtig verwendet wird, bringt er am Ende mehr als eine Kürzung.

Sommergespräche, Fotos vom Sommergespräch mit Markus Wallner. Interview führen Isabel und Birgit.
Wallner würde Spielräume für Steuersenkungen ausloten wollen. VN/Steurer

Welche roten Linien werden Sie denn für die kommende Regierungsbeteiligung vorgeben?

Wallner Wer rote Linien zieht, muss vorsichtig sein. Erstens braucht man ein solides Wahlergebnis und einen klaren Auftrag für eine Regierungsbildung. Dann muss man Verhandlungen mit möglichen Partnern führen und ausloten, was geht.

Ist eine Zusammenarbeit von ÖVP und Grünen in Zukunft noch möglich?

Wallner In den besonders schwierigen Phasen der Krisen, hat die Regierung gut gehalten. Was mich eher gestört hat, ist, dass diese gute Zusammenarbeit zum Ende hin da und dort ihre Federn lässt, dass Ideologie stark Platz greift. Wir schauen uns nun an, was für Vorarlberg notwendig ist, mit wem wir das machen können und wo wir die größten Schnittmengen finden. Für mich bleibt das offen.

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Was eine künftige Koalition anbelangt, lässt Wallner alles offen. VN/Steurer

Wordrap

Was ist Ihre größte Stärke? Durchhaltevermögen.

Welches Buch lesen Sie gerade? Das habe ich im Moment gar nicht in Erinnerung.

Telefonanruf oder Textnachricht? Textnachricht.

Ihre Urlaubspläne diesen Sommer? Berge.

Eine Sache, die Sie an Vorarlberg ändern würden? Mir gefällt Vorarlberg sehr gut. Da will ich gar nichts ändern.

Was gefällt Ihnen am besten an Ihrem Job? Mit vielen Menschen zusammenkommen.

Was ist Ihr Lieblingsgericht? Riebel oder Kaiserschmarren

Welcher zeitgenössische Politiker beeindruckt Sie am meisten? Am liebsten hätte ich einmal Helmut Kohl getroffen.

Mit welcher historischen Persönlichkeit würden Sie gerne einmal sprechen? Gerlinde Kaltenbrunner, Extrembergsteigerin.

Wie beenden Sie Ihren Tag? Ein letzter Blick ins Handy.