„Schmerz wird aushaltbar bleiben“

Politik / 03.08.2024 • 14:00 Uhr
Die steigenden Wohnkosten machen immer mehr Menschen schwer zu schaffen.  APA
Nach der Wahl werde eine Budgetsanierung nötig, ist Sozialforscher Bernd Marin überzeugt. Wobei: Von einem “Sparpaket” werde man vielleicht nicht reden.  Foto: APA

Sparpaket: Experte Marin für Pensionsreform und Erbschaftssteuer ab einer Million.

SCHWARZACH. Gabriel Felbermayr, Direktor des Wirtschaftsforschungsinstituts WIFO, und Christoph Badelt, Präsident des staatlichen Fiskalrates, werden von der Regierung nicht ernst genommen. So wirkt es jedenfalls: Weil die jährliche Neuverschuldung über die sogenannte Maastricht-Grenze von drei Prozent des BIP klettert, sagen sie, dass nach der Wahl ein Sparpaket kommen müsse. Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) stellt dies jedoch in Abrede. Es werde ohne gehen, beteuert er.

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Der Sozialforscher Bernd Marin schmunzelt. Natürlich werde man auf einen Maastricht-konformen Budgetpfad einschwenken müssen, Einschränkungen aber nicht als „Sparpaket“ titulieren, sagt er: „So viel Etikettenschwindel muss wohl sein.“ Wobei: Geht das? „Etwaig zugefügter Schmerz wird aushaltbar bleiben“, ist Marin überzeugt. Nachsatz: „Über Verteilung und Zumutbarkeit der Belastungen entscheidet die Zusammensetzung der nächsten Regierung.“ Im Klartext: Es macht einen Unterschied, ob sie FPÖ-, ÖVP- oder SPÖ-geführt sein wird und wer im Übrigen noch dabei sein wird.

VN-Gast Bernd Marin im Grauen Salon
„Über Verteilung und Zumutbarkeit der Belastungen entscheidet die Zusammensetzung der nächsten Regierung”, erklärt Bernd Marin und zeigt Optionen auf. FOTO: VN/STEURER

Überfällig ist nach Überzeugung des Experten eine Pensionsreform. Da belüge man sich nur selbst, verweist er zum Beispiel darauf: Die längst fixierte Änderung der Steigerungsbeträge und des sogenannten Kontoprozentsatzes, die für den Pensionsanspruch maßgebend sind, führe dazu, dass man letzten Endes fünf Jahre länger arbeiten müsse, um auf einen unveränderten Anspruch zu kommen. Da ist es laut Marin widersinnig, nicht am gesetzlichen Pensionsalter zu rütteln. Über 65 mag man nicht gehen. Das ist unhaltbar, findet Marin und drängt darauf, eine Anpassung an die Lebenserwartung vorzunehmen. Das würde dazu führen, dass das Pensionsalter „in homöopathischen Kleinstdosen“ um ein, zwei Monate pro Jahr zunimmt.

Der Bedarf, das Budget zu sanieren, ergibt sich vor allem aus der „Koste es, was es wolle“-Politik in den Krisen der vergangenen Jahre. Bei einer Erhebung, wer das alles bezahlen soll, haben jüngst zwei Drittel der befragten Österreicherinnen und Österreicher Einschnitte im Sozialsystem bzw. bei den Pensionen abgelehnt, aber 87 Prozent eine Vermögenssteuer für das oberste Zehntel der Gesellschaft gefordert.

„Schmerz wird aushaltbar bleiben“
Ein Goldbarren unmittelbar nach der Herstellung: Vermögenssteuern wären administrativ kostspielig und konfliktreich, meint Marin und hält daher “wenig” davon. Foto: APA

Aber wird es wirklich Steuererhöhungen brauchen? „Natürlich wäre gute Wohlfahrt auch mit schweizerischer Sozialquote (die viel niedriger ist als die österreichische; Anm.) herstellbar“, erklärt Marin: „Einnahmenseitige Maßnahmen sind also nicht nötig für den Sozialstaat, wohl aber für ausbalancierte Fairness. Dabei halte ich wenig von administrativ kostspieligen und konfliktreichen Vermögenssteuern. Dagegen wären Erbschaftssteuern jenseits einer Million-Euro-Freigrenze, strikt gebunden an allgemeine Steuer- und Abgabenerleichterungen zumindest gleichen Volumens, eine in Österreich überfällige Maßnahme sozialen Ausgleichs.“