Peter Bußjäger

Kommentar

Peter Bußjäger

Kinderehen

Politik / 23.08.2024 • 07:20 Uhr

„Die Regierung verbietet Cousin-Ehen, Heirat erst ab 18 Jahren erlaubt“, war vor wenigen Tagen in diversen Nachrichten zu lesen. Als Jurist möchte man antworten: Die Regierung verbietet gar nichts, verbieten darf nur der Gesetzgeber, das Parlament, und dieses wird am 29. September neu gewählt. Bis dahin ist nicht einmal eine Sitzung vorgesehen, aber man kann sich ja überraschen lassen.

Derzeit besteht die Möglichkeit, mit Zustimmung des Gerichts und der Eltern zu heiraten, wenn einer der beiden Ehepartner zwar das 16., aber noch nicht das 18. Lebensjahr vollendet hat, zu streichen. Das soll nun geändert und stattdessen die Ehemündigkeit generell mit dem 18. Lebensjahr festgesetzt werden.

Es wird keine vernünftig denkenden Menschen geben, die Kinderehen befürworten. Deshalb kann sich die Regierung der Zustimmung der Bevölkerung sicher sein und hat dieses Projekt aus ihrem Fundus der unerledigten Aufgaben ausgegraben und zum Leben erweckt.

Die Medien sollten bei solchem augenscheinlichem Wahlkampfaktivismus nicht so einfach mitmachen und den Eindruck erwecken, als hätte die Regierung tatsächlich endlich ein wichtiges Projekt abgeschlossen, sondern nachhaken: Gibt es überhaupt schon einen Gesetzesentwurf? Wann soll der Gesetzesbeschluss gefasst werden? Und vor allem: Warum ist viereinhalb Jahre lang nichts geschehen?

Wirft man einen Blick auf die Tatsachen, dann zeigt sich, dass die Möglichkeit, vor dem 18. Lebensjahr zu heiraten, jährlich lediglich in ein paar Einzelfällen zur Anwendung gelangt. Das war früher anders: Die vorwiegend bäuerliche Bevölkerung nahm die gesetzliche Möglichkeit, damals bereits ab dem 15. Lebensjahr zu heiraten, häufiger in Anspruch – nicht selten durch bestimmte Umstände gezwungen.

Zwangsheiraten und Kinderehen werden heute eher mit migrantischen Familien in Zusammenhang gebracht. Sie mögen vorkommen, aber sie rechtlich zu erfassen ist schwierig. Dennoch wollen die Parteien mit dem „Kinderehenverbot“ im Wahlkampf punkten und nur zu diesem Zweck soll nun das Ehegesetz geändert werden. Viel mehr als Symbolpolitik ist das nicht.

Peter Bußjäger ist Direktor des ­Instituts für Föderalismus und ­Universitätsprofessor in Innsbruck.