Gewessler kritisiert Schweizer Pläne: „Atomkraft ist brandgefährlich”

Neubau-Verbot aufheben? Ministerin meldet sich zu möglicher Kehrtwende im Nachbarland zu Wort.
schwarzach, Bern Eine Neuigkeit aus der Schweiz hat in Vorarlberg für politischen Wirbel gesorgt. Wie die VN berichteten, erwägt die Eidgenossenschaft das Bau-Verbot neuer Kernkraftwerke aufzuheben. Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) sparte nicht mit Kritik an dem Ansinnen. Nun meldete sich auch Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) zu Wort. „Es ist doch schon längst klar: Atomkraft hat keine Zukunft. Atomkraft ist teuer, unberechenbar und brandgefährlich.“ Dafür gebe es genug Beispiele, „von den tragischen Unfällen in Tschernobyl bis hin zu Fukushima“, bekräftigte Gewessler. „Die aktuellen Schweizer Pläne können uns daher alle teuer zu stehen kommen – und das halte ich für fatal.“ Auch die Vorarlberger Anti-Atomkraft-Aktivistin Hildegard Breiner ist über die Ankündigung aus dem Nachbarland verwundert.
Schrittweiser Ausstieg
Die Schweiz hatte nach dem Reaktorunfall von Fukushima 2011 beschlossen, schrittweise aus der Kernenergie auszusteigen. 2017 gab es eine Volksabstimmung: Damals stimmte eine Mehrheit für den Ausstieg. Neue Kernkraftwerke sollten nicht mehr gebaut werden. Die vier bestehenden AKW dürfen aber, solange sie sicher sind, am Netz bleiben. Es sind Beznau 1 und 2, Gösgen und Leibstadt. Das AKW Mühleberg wurde 1999 stillgelegt.

Nun hat sich die Lage im Nachbarland offenbar geändert. Es sei offen, ob der Ausbau der erneuerbaren Energien rasch genug erfolgen werde, um die wegfallenden Kapazitäten und den steigenden Strombedarf rechtzeitig decken zu können, sagte Energieminister Albert Rösti. „Der Bundesrat will sich die Möglichkeit offenhalten, das heute verfügbare Maß an klimaschonendem, inländischem, ganzjährig und rund um die Uhr verfügbarem Strom zu sichern.“ Bis Ende des Jahres soll ein Gesetzesvorschlag ausgearbeitet werden.
Mehr erneuerbare Energie
Umweltministerin Gewessler entgegnete, dass es für den Klimaschutz mehr erneuerbare Energie benötige. „Wasser-, Wind- und Sonnenkraftwerke sind viel schneller umsetzbar, deutlich günstiger als Atomkraft, und machen uns unabhängig von Importen.“ Österreich sei auf Kurs zum Ziel 100 Prozent erneuerbarer Strom bis 2030.
Zuvor hatte sich Landeshauptmann Wallner ähnlich kritisch geäußert. „Kernenergie ist alles andere als nachhaltig oder zukunftstauglich und damit keine verantwortbare Energiequelle.“ Die Risiken, die von Atomkraftwerken ausgehen, seien gerade für eine Region wie Vorarlberg in unmittelbarer Nachbarschaft zur Schweiz unverantwortlich.

Hildegard Breiner kann den Schweizer Vorstoß ebenfalls nicht verstehen. Für realistisch hält sie ihn nicht. „Auch der Energieminister muss wissen, dass so etwas vors Volk kommt. Da bin ich überzeugt davon, dass nichts mehr zu machen ist“, sagt die Russ-Preis-Trägerin mit Blick auf die Stimmung in der Bevölkerung hinsichtlich der Atomkraft. Betreiberfirmen seien oftmals auch gar nicht mehr interessiert daran, da es zu unwirtschaftlich sei. Gleichzeitig würde das Ziel der Unabhängigkeit konterkariert, es blieben die Probleme der Endlagersuche. Breiner vermutet daher eine Nebelgranate. „Trotzdem müssen wir im Nachbarstaat wachsam bleiben, selbst wenn wir kein Mitspracherecht haben. Druck machen kann man trotzdem.”