Johannes Huber

Kommentar

Johannes Huber

Politik / 31.08.2024 • 07:20 Uhr

Mit dem Schmäh, eine Bewegung zu sein, sind schon Türkise unter Sebastian Kurz dahergekommen. Jetzt behauptet Herbert Kickl, eine „Volkskanzler-Bewegung“ anzuführen. Das soll darüber hinwegtäuschen, dass es allein um ihn geht.

Direkte Demokratie allein setzt Dinge voraus, die Kickl schuldig bleibt.“

Man kann nachvollziehen, was hier läuft: Es gibt eine Krise der repräsentativen Demokratie. Regierende und Parteien sind unten durch. Kickl versucht dem zu begegnen, indem er den Leuten sagt: „Euer Wille geschehe.“ Beziehungsweise sinngemäß: „Ich werde alles wiedergutmachen.“

Jetzt verspricht er auch eine Ausweitung der direkten Demokratie. 250.000 Unterstützungserklärungen sollen genügen, damit eine Volksabstimmung durchgeführt werden muss. Über eine Absetzung von Regierungsmitgliedern genauso wie über eine Einführung der Todesstrafe. Eine solche würde er zwar ablehnen, eine Abstimmung darüber sollte aber möglich sein, wenn’s gewünscht wird, so Kickl im Interview mit den VN und weiteren Bundesländerzeitungen. Vorbild sei die Schweiz.

Warum aber nicht ganz? Natürlich könnte man aus aller Welt übernehmen, was einem gerade gefällt. Herauskommen würde dann aber ein System, das nicht funktionieren kann.

In Bezug auf die repräsentative Demokratie gibt es unerträgliche Missstände. Was vor Wahlen versprochen wird, wird hinterher zu gerne gebrochen. Parteien lassen kein freies Mandat zu, Abgeordnete, die eher dem Willen ihrer Wähler gehorchen, sind rar. Zu oft wird Bürgern das Gefühl gegeben, dass man nur alle paar Jahre an ihrer Stimme interessiert ist und sonst an rein gar nichts.

So zu tun als würde mit ein bisschen Schweiz alles besser werden, wäre jedoch naiv. Allein, dass ein Mann einen Personenkult nur um sich inszeniert, könnte stutzig machen. Vergleichbares ist bei den glücklichen Eidgenossen unvorstellbar. Wichtiger ist jedoch dies: Eine starke direkte und eine ebensolche repräsentative Demokratie sind nebeneinander unmöglich. Auf fünf Jahre Gewählte könnten keinen Plan verfolgen, sie müssten ständig damit rechnen, dass Teile daraus durch ein Plebiszit verworfen werden.

Also entweder oder. Direkte Demokratie setzt jedoch Dinge voraus, die Kickl schuldig bleibt: Parteien müssten geschwächt, das Volk müsste gestärkt werden. Bloß: Mit der weltweit wohl höchsten Parteienförderung hierzulande hat Kickl kein Problem. Im Gegenteil, er verteidigt sie. Parteien wie der FPÖ bleiben damit alle Mittel, um Themen und Zugänge zu ebensolchen zu bestimmen, ja das Volk mithilfe eigener Medien zu manipulieren. Dieses Volk hat umgekehrt kaum Möglichkeiten, sich Gehör zu verschaffen. Bezeichnend auch: Kickl hat sein Wahlprogramm von ein paar Getreuen erstellen lassen und nicht von tausenden „kleinen“ Bürgern, wie es seinen Darstellungen entsprechen müsste.

Im Übrigen ist zu betonen, dass es auch in einer direkten Demokratie Grenzen gibt. Fundamentales darf nicht zur Disposition stehen. Zum Beispiel das Recht auf Leben, dem eine Einführung der Todesstrafe nach europäischem Verständnis klar widersprechen würde. Es lässt tief blicken, dass Kickl das ignoriert.

Johannes Huber betreibt die Seite dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik.