Wolfgang Burtscher

Kommentar

Wolfgang Burtscher

Freude in der Politik

Politik / 02.09.2024 • 07:20 Uhr

Mit Freude vorwärts. Die Freude ist zurück. Mit Lust statt dem üblichen Moralin. Das sind nur einige der Schlagzeilen über den Aufschwung der Demokraten seit der Kür von Kamala Harris. Sie setzt auf Zukunft und Hoffnung. Ihr „running mate“ Tim Walz verspricht „Freude in unsere Politik zurückzubringen“ und punktet mit „joy and fun“, also Freude und Spaß. Das lässt die jetzt schon vom faden Wahlkampf genervten Österreicher ratlos zurück. Mal ehrlich: Haben Sie in diesem Wahlkampf etwas von Freude oder Zuversicht verspürt? Oder gar einen Hauch von Witz oder Humor? Zum Thema Zukunft gibt es allenfalls ein gegenseitiges Lizitieren unfinanzierbarer Wahlversprechen.

Unsere Politiker verstehen Politik als einen Job, in dem es nichts zu lachen gibt. War nicht immer so. Der spätere ÖVP-Obmann Busek hat sich und den Spitzenkandidaten seiner Partei, Josef Taus, als „zwei kalte Knackwürste mit Brille“ bezeichnet. Der selbe Taus bekam die Ironie eines Bruno Kreisky 1975 in einer legendären TV-Diskussion zu spüren („Schauns Herr Doktor, tuns net immer mit dem Finger zeigen. Diese gouvernantenhafte Art wolln die Leut net“). Kreisky gewann das Duell haushoch. In einer anderen Diskussion nahm ÖVP-Kandidat Schüssel dem laufend mit kleinen Tafeln operierenden Jörg Haider (FPÖ) spontan den Wind aus den Segeln: „Jetzt ist Ihnen Ihr Taferl umgfallen“.

Muss der Spaß bei ernsten Themen aufhören? Manchmal ja. Wenn Kickl plakatiert „Euer Wille geschehe“ ist das nichts anderes als Respektlosigkeit gegenüber dem zentralen Gebet im Christentum. Kickl dreht wie sein Vorbild Donald Trump immer weiter an der Spirale der Provokation, siehe seine jüngsten Äußerungen, man könnte die Todesstrafe einer Volksabstimmung unterziehen. Was kommt als Nächstes? Auf diesem Nährboden passieren kulturfeindliche und homophobe Aktionen wie die zweimalige Zerstörung der KUB-Billboards in Bregenz („Wish You Were Gay“) der weltweit anerkannten Künstlerin Anne Imhof. Ich gebe auch zu, dass der SPÖ-Spitzenkandidat Babler wirklich nichts zu lachen hat. Da saß der (vornehmlich bei seinen Leuten) so eloquente Mann fast wie ein Häufchen Elend bei Martin Thür in den ORF-Sommergesprächen und hatte wenig Gelegenheit sein Wahlprogramm abzuspulen. Vor lauter Rechtfertigung gegenüber der partei-internen Kritik. Dass er Teile seiner Partei dabei abwatschte, dürfte nicht gerade motivierend auf seine Leute im Wahlkampf sein. Kurze Zeit später hat dann Fiskalrats-Chef Christoph Badelt Bablers Finanzierungspläne auf ORF III auseinandergenommen („fundamental falsche Zahlen“) und auch dessen Zahlen zur Kinderarmut zerpflückt. Auch nix zum Lachen. Der Vollständigkeit halber: Badelt lässt auch an Nehammers Plänen zur Gegenfinanzierung von Steuererleichterungen kein gutes Haar.

Humor könnte auch eine Waffe gegen Rechtspopulismus sein. Als die AfD-Frontfrau Alice Weidel einmal im Deutschen Bundestag zum Haushalt vor allem über sich und ihre Spendenaffäre sprach, sagte Kanzlerin Angela Merkel: „Das Schöne an freiheitlichen Debatten ist, dass jeder über das spricht, was er für das Land für wichtig hält.“ Das Protokoll vermerkt: Allgemeines Gelächter. Da fällt mir doch ein aktuelles Beispiel zum Thema Humor ein. Der SPÖ-Clubobmann im Nationalrat Philip Kucher hat FPÖ-Obmann Kickl vorgerechnet, dass dieser drei Jahre lang von seiner Partei zusätzlich, aber „unabsichtlich“, pro Monat 10.0000 Euro kassiert habe, „an flotten Zehner“ (Kuchar). Da ist Kickl („Ich weiß nicht, wie das passieren konnte“) das Lachen vergangen.

Wolfgang Burtscher, Journalist und ehemaliger ORF-Landes­direktor, lebt in Feldkirch.