Mutloses Regieren
Das Prozedere wiederholt sich: Vor Wahlgängen versprechen Parteien, was sie sich in der kommenden Periode alles vornehmen. Dass davon nicht immer alles umgesetzt werden kann, ist nachvollziehbar. Bei einer Frage ist unsere Landespolitik allerdings seit vielen Jahren sträflich nachlässig: der Wohnbaupolitik. Spätestens seit der Finanzkrise 2008 hat sich abgezeichnet, dass sich sowohl Grundstücks- als auch Baupreise rascher erhöhen als die Einkommen der Arbeitnehmer.
„Die Lust vieler Wahlberechtigter, Neues zu wagen, dürfte in hohem Maße vorhanden sein.“
Es bedurfte also wenig intellektueller Potenz, zu erkennen, dass sich die Situation am Wohnungsmarkt für immer mehr Menschen verschärfen wird. Dennoch wurde wenig unternommen, um gegenzusteuern zu können. Statt der Spekulation am Grundstücksmarkt Einhalt zu gebieten oder den sozialen Wohnbau zu stärken, wurde schlichtweg nur zugesehen, wie sich die Immobilien- und Baubranche eine regelrecht goldene Nase verdient. Doch damit nicht genug, es wurde nicht nur tatenlos zugesehen. Die Landesregierung hat es auch geschafft, die Bauleistung der gemeinnützigen Wohnbauträger zurückzufahren. Und dies mit dem Argument, dass Bauen zu teuer sei. Wohlwissend, dass Vorarlberg im bundesweiten Vergleich den weitaus geringsten Anteil an Sozialwohnungen aufweist. Deshalb steht bei den Parteien auch 2024 zum wiederholten Male die Schaffung von leistbarem Wohnraum in den Wahlprogrammen. Konkrete Vorstellung dazu haben alle.
Skurill mutet es angesichts ihrer jahrzehntelangen Regierungsverantwortung lediglich bei der ÖVP an, wirft man einen Blick in ihr Wahlprogramm. Dort ist nämlich zu lesen, dass der soziale Wohnbau zur bedarfsgerechten Versorgung der Bevölkerung und zur Entlastung des Wohnungsmarktes beiträgt. Und dass der Bodenfonds helfen soll, die Wohnungssituation hierzulande zu verbessern. Was es aber nicht tun wird, weil im nächsten Satz klargestellt wird, dass nur drei bis vier Pilotprojekte für die nächsten fünf Jahr geplant sind. Das ist eine wahrlich schwache Ansage und wird den Unmut der von den hohen Wohnungskosten geplagten Bevölkerung nicht lindern können. Diese fortgesetzte Ankündigungspolitik schwächt jedenfalls das Vertrauen in die Umsetzungskraft der Politik. Und bringt die Wähler dazu, auf neue politische Kräfte zu setzen, denen man eher zutraut, etwas zur Verbesserung ihrer individuellen Situation zu tun. Die Lust vieler Wahlberechtigster, Neues zu wagen, dürfte im hohen Maße vorhanden sein. Dies könnte für eine andere politische Weichenstellung im Lande sogen. Eine erstarkte FPÖ, eine neu aufgestellte Neos-Führung und mit Mario Leiter eine durchaus bürgerlich angehauchte SPÖ positionieren sich als wählbare Alternative zur ÖVP, deren Gestaltungs- und Durchsetzungskraft dramatisch abgenommen hat. Und daran trägt bestimmt nicht nur die alles andere als friktionsfreie Koalition mit den Grünen Schuld.
Rainer Keckeis ist ehemaliger AK-Direktor Vorarlberg und früherer Feldkircher VP-Stadtrat.
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