Pflegende Angehörige: Die größte, aber unsichtbarste Gruppe
![ABD0117_20240320 – LENZEN – DEUTSCHLAND: PRODUKTION – 20.03.2024, Brandenburg, Lenzen: In der “Tagespflege Am Brink” des DRK in Lenzen hlt Britta Rawald (l), Betreuungsassistentin, die Hand von einer alten Frau. 6 bis 10 ltere Menschen werden hier den Tag ber betreut, den Rest des Tages verbringen sie zu Hause. Bundesgesundheitsminister Lauterbach spricht am 20.03.2024 in […]](/2024/09/ABD0117-20240320-1-scaled.jpg)
Die Aufopferung ist enorm, auch die Belastung. In Vorarlberg pflegen fast 40.000 Menschen ihre Liebsten daheim. Doch trotz der vorhandenen Angebote kämpfen viele mit den Herausforderungen.
Bregenz Es kann von heute auf morgen passieren und das ganze Leben verändern. Rund 40.000 Menschen in Vorarlberg sind davon betroffen. Sie pflegen ihre Angehörigen: Eltern, Partner, Kinder. 80 Prozent der Pflegebedürftigen werden in Vorarlberg derzeit zu Hause versorgt. „Und dennoch wird über die pflegenden Angehörigen am wenigsten gesprochen“, sagt Christiane Massimo. Sie ist diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerin und leitet den Bereich „Rund um die Pflege daheim“ im Bildungshaus Batschuns. Zudem ist Massimo selbst Betroffene. Sie pflegt ihre Mutter, was auch sie vor Herausforderungen stellt. Das bestehende Angebot sei gut, es brauche aber mehr.

Heute, Freitag, ist der nationale Aktionstag für pflegende Angehörige. Er soll auf die anspruchsvolle Situation der rund 800.000 pflegenden Angehörigen in Österreich aufmerksam machen.
“Zeichen von Stärke”
„Ich erlebe häufig, wie sich pflegende Angehörige verausgaben. Sie gehen oft über ihre eigenen Grenzen hinaus“, sagt Soziallandesrätin Katharina Wiesflecker, während sie in ihrem Büro mehrere Broschüren über Unterstützungsangebote auf den Tisch legt. Am Ende zückt sie eine A5-große Karte und zitiert einen Teil des darauf stehenden Textes: „Hilfe annehmen ist ein Zeichen von Stärke.“ Es geht um ein neues Angebot der Connexia, die Beratung und Begleitung für pflegende Angehörige bietet.
Pflegegeldbezieher und Pflegende Angehörige in Vorarlberg
18.400 Personen beziehen in Vorarlberg Pflegegeld.
40.000 Personen pflegen Angehörige.
Über 70 Prozent der pflegenden Angehörigen sind Frauen, die Hälfte davon in Pension.
Christiane Massimo kennt die Schwierigkeiten. Sie selbst habe sich gefragt, ob sie Pflege und Job unter einen Hut bekommen werde. „Ich konnte meine Arbeitszeit reduzieren, um mehr für Mama da zu sein. Die Vereinbarkeit ist für viele ein Thema.“ Man dürfe sich auch nicht selbst vergessen, müsse Zeit für die eigene Gesundheit haben. „Gerade in Vorarlberg gibt es aber die Mentalität, dass man sich erst Hilfe holt, wenn es brennt.“ Viele wollten keine fremden Menschen im Haus, manche Pflegebedürftige würden diese zu Beginn nur schwer akzeptieren.
Mehrere Angebote
Sowohl Massimo als auch Wiesflecker raten pflegenden Angehörigen, sich in einem ersten Schritt ans Case Management in der Gemeinde zu wenden. „Dort wird der individuelle Fall betrachtet und darauf geachtet, was die pflegenden Angehörigen brauchen und welche finanzielle Unterstützung es gibt“, erklärt die Soziallandesrätin. Die Mobile Hilfsdienst (Mohi) und die Hauskrankenpflege seien ebenso zentral. „Es ist beachtlich, was sie leisten.“

Die Hauskrankenpflege sei ein attraktiver Arbeitgeber, was sich auch bei den Bewerbungen zeige, berichtet Wiesflecker. Gleiches gelte für den Mobilen Hilfsdienst, wo die Nachfrage nach einer Fixanstellung gut sei. „Wir wollen die Plätze laufend erhöhen“, bekräftigt die Landesrätin. Es sei aber auch eine Frage des Budgets. Allein die Ausbildung zur Heimhilfe, die für eine Fixanstellung nötig ist, zeige aber, dass Interesse bestehe. In der Regel würden drei Lehrgänge laufen, die bis zu 60 Absolventinnen und Absolventen jährlich bringen. Die Tagesbetreuungsangebote würden indes unterschiedlich angenommen.
Mobiler Hilfsdienst (MOHI) 2023 in Vorarlberg
- 46 Stützpunkte
- 1800 Mohi-Helferinnen
- 240 Fixanstellungen (Voraussetzung: Heimhilfe-Ausbildung)
- 616.000 geleistete Stunden
- Rund 6600 Klinten und Klientinnen inklusive Tagesbetreuungen
- 17 Standorte für Tagesbetreuungen + 1 Standort gerontopsychiatrische Tagesbetreuung
- Mehr als 40 Lehrgänge zur Heimhilfe-Ausbildung mit 800 Absolventen in den vergangenen zehn bis 15 Jahre
Christiane Massimo hält die Tagesbetreuung für wichtig. „Sie sind im Land aber unterschiedlich ausgebaut. Manche Gemeinden sind sehr aktiv und vorbildhaft, andere hinken hinterher.“ Was den Mohi und die Hauskrankenpflege betrifft, spricht Massimo von spürbarem Personalmangel.
Gleichzeitig plädiert sie dafür, hinzusehen – zu den pflegenden Angehörigen. „Es ist eine große Gruppe. Diese muss einbezogen werden“, ist die diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerin überzeugt. Mit dem Land gebe es eine gute Zusammenarbeit, „und auch ein offenes Ohr.“ Man tue, was man könne, glaubt Massimo. „Es gibt viel Angebot, aber es bräuchte oft mehr.“
Hauskrankenpflege (HKP) 2023 in Vorarlberg
- 341 Pflegefachkräfte landesweit tätig (knapp 80 Prozent davon diplomiert)
- 305.000 Leistungsstunden
- Knapp 9000 Patientinnen und Patienten
- 500 Menschen ehrenamtlich in Vorständen und Vereinsstrukturen