Wolfgang Burtscher

Kommentar

Wolfgang Burtscher

Wahl-Duelle

Politik / 16.09.2024 • 07:20 Uhr

In meinem letzten Kommentar habe ich die Freude in unserem Wahlkampf vermisst, unter Verweis auf die geradezu lustvolle Kampagne von Kamala Harris. Aber unsere Politiker könnten auch von der TV-Debatte zwischen Harris und Trump viel lernen. Ebenso die Veranstalter der Konfrontationen. Das beginnt bei den Spielregeln. Harris und Trump durften keine Notizen ans Rednerpult mitnehmen. Zum Vergleich: Andreas Babler hat in der Diskussion mit Nehammer permanent in seine Spickzettel geblickt, um ja nichts zu vergessen, was seine Berater aufgeschrieben hatten. Mit ein Grund für seine nicht enden wollenden Ausführungen. Babler (auch die meisten anderen) legt ein Sprechtempo vor, bei dem niemand mehr mitkommt.

Man sehe sich die Aufzeichnung von Trump gegen Harris an: Klare, einfache Sätze, die in den sozialen Medien zig-fach wiederholt werden und im Gedächtnis bleiben. Bei der US-Debatte waren die Mikrophone stummgeschaltet, wenn jemand nicht am Wort war. Was wäre das für ein Segen bei den Duellen Kogler-Kickl oder Nehammer-Babler gewesen! Streckenweise ein unverständliches Durcheinander ohne Chance des Eingreifens für die Moderatorinnen. Kontraproduktiv ist das verwendete Vokabular. Eine Auswahl: „Lügenpropaganda“, „von vorn bis hinten erlogen“, „Putin-Bruder“, „furchtbarer Blödsinn“ (Kogler jeweils zu Kickl“). Oder: „Schandfleck“, „Lügen- und Unterstellungsgeschwurbel“, „es wäre gescheiter, wenn Sie den Mund halten, um wenigstens etwas Restwürde zu bewahren“, „Blödsinn“ (Kickls Repliken). Bei dieser Art des Diskutierens stellt sich nicht die Frage, wer gewonnen und verloren hat – die Politik generell hat verloren.

Harris und Trump war das ständige Unterbrechen verwehrt. Man konnte die jeweilige Reaktion nur mimisch zum Ausdruck bringen. Weite Teile der Diskussion wurden als Split-Screen übertragen, also mit geteiltem Bildschirm. Da konnte man einerseits sehen, wie immer mehr missmutig, sich entlarvend und wütend Trump auf die Fallen reagierte, die ihm Harris gestellt hatte. Und wie Harris die teils hanebüchenen Vorhalte Trumps quittierte. Mimik, gelegentliches Kopfschütteln und ein Lächeln als stille Antwort. Sagt mehr als tausend Worte. Man hätte ja ohnehin nicht gehört, wenn sie etwas gesagt hätte, angesichts ihres stumm geschalteten Mikrophons. Jetzt stellen Sie sich vor, sie sähen das Gesicht von Kickl exakt in der Sekunde, in der er mit einem ihm unangenehmen Thema konfrontiert wird, etwa zu seinen Nebeneinkünften. Sekunden später, wenn die Kamera auf ihn schwenkt, hat er sich, diszipliniert wie er ist, vermutlich schon wieder erfangen. Anmerkung: Der ORF macht jetzt vom geteilten Bildschirm etwas mehr Gebrauch. Das ist dramaturgisch nicht ohne.

Harris hingegen setzte auf die feine Klinge statt des Holzhammers. Als Trump damit prahlte, er könnte in 24 Stunden den Ukraine-Krieg beenden, sagte sie nur: „Wladimir Putin würde ihn zum Mittagessen verspeisen“. Durchaus angriffig, durchaus scharf, aber immer ruhig. Nicht verbissen, eher belustigt über das Gegenüber. Haben Sie Kogler oder Kickl oder Babler oder Nehammer jemals mit einem Lächeln gesehen? Als Trump über die unter Joe Biden gestiegene Kriminalität faselte, war Harris´ èinzige Reaktion: „Wow!“. Nehammer hätte vermutlich zwei Minuten lang doziert. Während Kickl und Kogler sich vierzig Minuten lang angifteten, hat sich Harris nur kurz an Trump, dann direkt an die Zuschauer gerichtet, also ihnen zugewandt. Das Publikum fühlt sich angesprochen. Bei uns – die Quoten stimmen ja – ergötzt sich das Publikum höchstens an einer Art Wrestling-Match. Nächste Auflage heute, Kickl gegen Babler.

Wolfgang Burtscher, Journalist und ehemaliger ORF-Landes­direktor, lebt in Feldkirch.