An der Weggabelung eines Landes
Am Wahltag hat sich im von unsicheren Vorzeichen verdunkelten Wald eine Lichtung aufgetan. Sie ist schwarz und größer als gedacht. In der Mitte der Lichtung steht Landeshauptmann Markus Wallner, er sonnt sich im Wahlergebnis. Fast 40 Prozent! Zwar das schlechteste ÖVP-Ergebnis der Landesgeschichte, aber Wallner und seine Partei können sich als Sieger fühlen. Zurecht. Von dieser Lichtung führen zwei Wege in die Zukunft: einer rechts, einer links. Dazwischen noch einige bei der ÖVP wenig beliebte bunte Trampelpfade. Wallner kann sich entscheiden, welchen Weg er beschreitet.
Auf der rechten Seite erwartet Wallner ein steiniger blauer Pfad mit Stolperfallen. Nach zehn Jahren Schwarz-Grün würde Vorarlberg eine politisch komplett andere Richtung einschlagen – mit einem Landesstatthalter Christof Bitschi. Ein zweites und vielleicht drittes Regierungsmitglied wäre bei diesem Wahlergebnis auch keine Überraschung. Einige Regierungskolleginnen und -kollegen Wallners dürften zittern, etwa der aktuelle Sicherheitslandesrat Christian Gantner, der mit Bitschi sehr gut kann. Ohne Sicherheitsressort wird Bitschi wohl keinen Koalitionsvertrag unterschreiben. Wallner muss sich zudem bewusst sein: Wenn er sich für den rechten Weg entscheidet, sendet er ein Signal nach Wien – und bringt seinen Parteichef Karl Nehammer unter Druck. Umgekehrt stellt sich die Frage, ob er sich von der Bundespartei in der Koalitionsfrage etwas einflüstern lässt. Eine Koalition mit Christof Bitschi ist immer eine Koalition mit der Partei von Herbert Kickl. Wallners Entscheidung wird auch hinter dem Arlberg auf großes Interesse stoßen.
Auf der linken Seite der Lichtung befindet sich ein holpriger grüner Pfad. Nach zehn Jahren etwas verstaubt, aber bewährt – und für die ÖVP eine angenehme Alternative. Erstens im Verhandlungspoker mit der FPÖ („Wenn ihr nicht spurt, haben wir eine weitere Option.“). Zweitens im Verhandlungspoker mit den Grünen („Friss oder Opposition.“). Eine schwarz-grüne Landesregierung würde Beständigkeit signalisieren, die handelnden Personen kennen sich und schätzen sich zum großen Teil. Auf die herzeigbare Bilanz der vergangenen zehn Jahre lässt sich eine Zusammenarbeit aufbauen. Der linke Weg hat allerdings seine Tücken: Koalitionsverhandlungen im Zeichen der letzten S-18-Diskussion und der Debatte um den Stadttunnel könnten schwierig werden. Das grüne Verhalten während der Wirtschaftsbundaffäre haben so manche Koalitionspartner noch immer nicht verziehen. Bitschis Brandreden im Landtag hinterließen bei der ÖVP weniger Eindruck als Zadras Meldung an die Staatsanwaltschaft, als es um Wallners Handy ging. Und: Die Regierungsparteien haben gemeinsam 11,7 Prozentpunkte verloren – keine gute Ausgangsposition für eine Fortsetzung.
Wallner und andere ÖVP-Politiker haben eine Dreierkoalition praktisch ausgeschlossen. Jetzt muss sich der Landeshauptmann entscheiden: rechts, unsicher, weil neu, aber mit der Gewinnerpartei? Oder links, beständig, aber mit Verliererimage? Die Anzeichen am Sonntag waren eindeutig. Wallner hat seine Leitplanken für zukünftige Koalitionsverhandlungen skizziert. Klimaschutz? Fehlanzeige. Stattdessen: Zuwanderung begrenzen, Wirtschaftspolitik und Teuerung. Er spüre den Wählerwunsch nach Veränderung. Klingt, als hätte sich Wallner bereits entschieden, welchen Pfad er einschlägt. Vorarlberg steht vor einem politischen Richtungswechsel – nach rechts.
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