Rainer Keckeis

Kommentar

Rainer Keckeis

Mutiger Kraftakt

Politik / 04.11.2024 • 07:15 Uhr

Eines gleich vorweg: Vor der nächsten Landtagswahl in der Steiermark deutet auf Bundesebene alles auf Stillstand. Das Feilschen über die Bildung einer türkis-roten Koalitionsregierung ist sowohl für Karl Nehammer als auch Andreas Babler äußerst schwierig, beide Seiten eint nämlich bislang nur eines: das strikte Nein zu Herbert Kickls FPÖ. Bei zentralen inhaltlichen Positionen bestehen fundamentale Unterschiede. Während die ÖVP mit einem Sparkurs liebäugelt, setzt Bablers SPÖ auf eine andere Gewichtung im Steueraufkommen. Künftig sollen jene mehr zahlen, die es sich leisten können. In der Tat besteht im heimischen Steuersystem eine Bevorzugung großer Vermögen, die vielfach in Stiftungen geparkt sind. Doch damit nicht genug: über eine ganze Reihe von Ausnahmenregelungen wird es großen Unternehmen auch ermöglicht, für hohe Gewinne wenig Steuern zahlen zu müssen.

„Nüchtern betrachtet wird das Problem überschätzt und befeuert eine leidige Neiddebatte.“

Nüchtern betrachtet wird das Problem überschätzt und befeuert eine leidige Neiddebatte. Diese sorgt für Emotionen, bringt aber selten umsetzbare Lösungen. Dabei könnte eine neue Regierung mit einem faktenbasierten Diskurs durchaus punkten. Zumal die Budgetprobleme des Staates nicht unbeträchtlich sind. Die Kosten für das Gesundheitswesen, insbesondere für Spitäler und Pflege, weisen enorme Steigerungsraten auf. Selbst die reiche Schweiz führt derzeit eine breit geführte Debatte über die eklatante Kostenentwicklung im Gesundheitswesen. Dort vor allem über die Auswüchse bei den Ärzteeinkommen, von denen heimische Primarärzte nur träumen können.

Österreich sieht sich darüber hinaus in den kommenden 15 Jahren auch mit einer angespannten Situation bei den Pensionen sowie Begehrlichkeiten und Notwendigkeiten im Sozialsystem konfrontiert. Gleichzeit benötigt der Fiskus künftig sehr viel mehr Geld, um Maßnahmen zur Klimaanpassung zu finanzieren. Die drohende Gefahr besteht in erster Linie darin, dass die noch zu bildende Regierung sich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner verständigt, nämlich so weiterzumachen, wie bisher. Dies wäre angesichts einer anhaltenden Schwäche der deutschen Industrie, die sich logischerweise auch auf die heimische Wirtschaft negativ niederschlägt, fatal. In Zeiten wie diesen sind vielmehr Investitionsanreize für Betriebe und die öffentliche Hand, mehr unternehmerischer Spielraum und, man kann es nicht oft genug unterstreichen, weniger Bürokratie und Regelwerke aus Brüssel dringender denn je angesagt.

So betrachtet wäre ein mutiger Kraftakt der neuen Regierung gefragt: es sollte vor allem der SPÖ in den Verhandlungen gelingen, den unüberlegten Einsatz des Rotstiftes zu verhindern. Damit könnte die künftige Regierung vor dem fundamentalen Fehler, die schwächelnde Konjunktur endgültig abzuwürgen, bewahrt werden.

Rainer Keckeis ist ehemaliger AK-Direktor Vorarlberg und früherer Feldkircher VP-Stadtrat.