Christian Rainer

Kommentar

Christian Rainer

 Wenn Bundesländer wählen

Politik / 22.11.2024 • 16:32 Uhr

Dieses Mal also die Steiermark. Am Sonntag wählt die Steiermark einen neuen Landtag. Und anders als in Vorarlberg liegt die FPÖ dort wirklich gleichauf mit der Partei des ÖVP-Landeshauptmannes, wahrscheinlich sogar vorne. Und falls es diesem Landeshauptmann, Christopher Drexler, nicht doch noch den Boden unter den Füßen wegreißt, wird er dennoch im Amt bleiben und weiter mit der SPÖ eine Regierung bilden. Das alles kommt Ihnen bis auf das Wort „weiter“ bekannt vor? Ganz richtig. So schaut es auch im Bund aus. FPÖ Nummer eins, die zweitplatzierte Volkspartei bildet mit der drittplatzierten Sozialdemokratie eine Koalition, im Nationalrat kommen halt zur Absicherung noch die NEOS dazu.

Mein Demokratieverständnis hat damit kein Problem. Im Gegenteil bin ich es satt, zu hören, die Nummer eins, also die FPÖ, hätte das Recht, den Kanzler zu stellen, oder eben den Landeshauptmann. Genauso wenig kann ich damit anfangen, eine „Mehrheit rechts der Mitte“ müsse quasi per Naturgesetz als Koalition von Blau und Schwarz abgebildet werden. Das zeugt doch nur von einer verqueren Interpretation des Volkswillens. Ja, ich erlaube mir sogar zu sagen, von einer gefährlichen Minderschätzung von Mehrheiten: Die Interessen der Menschen werden durch die von ihnen gewählten Abgeordneten vertreten, und diese Abgeordneten sollen sich so zusammentun, dass sie gemeinsam eine handlungsfähige Regierung stützen. Ich würde –zugespitzt – sogar soweit gehen zu sagen, dass bei einer mit absoluter Mehrheit ausgestatteten Partei die Interessen von Wählern anderer Parteien unter die Räder kommen, zumindest bis zum nächsten Urnengang. Schon richtig: Bei einem Mehrheitswahlrecht wird darauf zugunsten von größerer Effizienz der Regierung wenig Rücksicht genommen. Aber es gibt gute Gründe, warum Österreich kein Mehrheitswahlrecht haben sollte, spätestens seit dem Aufstieg von Jörg Haider ab 1986. Oder wünschen Sie sich einen Bundeskanzler Kickl, der mit seiner FPÖ fünf Jahre lang alleine regieren kann – selbst falls Sie freiheitlich gewählt haben? Maybe not.

Wir könnten anlässlich der Steiermark-Wahl jetzt noch endlos über das Verhältnis von Ländern zum Bund fabulieren, von Landeshauptleuten, die sich Bundesvorsitzende und Bundeskanzler halten. Ich könnte Sie fragen, ob Sie wissen, wann zuletzt ein Landeshauptmann in eine Bundesregierung gewechselt ist und damit über die mangelnde Attraktivität eines Ministeramtes. (Sie werden nie draufkommen: Es war vor sage und schreibe 63 Jahren der Salzburger Landeshauptmann Josef Klaus, der 1961 zunächst Finanzminister und dann ab 1964 Bundeskanzler war.)

Ich will hier abschließend aber einen anderen Gedanken ausrollen. Die Landtagswahlen in Niederösterreich und Salzburg 2023, 2024 in – etwas abgemildert – Vorarlberg und – aller Voraussicht nach – morgen in der Steiermark: Überall verliert die Volkspartei massiv, meist eher zehn als fünf Prozentpunkte. Wie lange wird es noch dauern, bis einer in der ÖVP laut sagt „mit Sebastian Kurz an der Parteispitze wäre das nicht passiert“? Ich habe es jedenfalls schon von ganz weit oben gehört. Und aus dem Umfeld von Sebastian Kurz.