So begründet der Richter das Urteil gegen Simon Tschann – und was der Bürgermeister dazu sagt

Der Bludenzer Bürgermeister Simon Tschann ist wegen Amtsmissbrauchs und falscher Beurkundung verurteilt worden. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Kurz nach dem Prozess nahm er Stellung.
Feldkirch Betretene Gesichter im Schwurgerichtssaal des Landesgerichts Feldkirch. Simon Tschann ringt nach Worten, blickt ungläubig zu Boden. Um ihn herum stehen seine beiden Anwälte und einige Freunde. Der Bludenzer Bürgermeister und ÖVP-Politiker ist soeben wegen Amtsmissbrauchs und falscher Beurkundung verurteilt worden. Er fasst elf Monate Haft auf Bewährung sowie eine Geldstrafe von 51.000 Euro aus. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
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Nach einem kurzen Durchschnaufen wendet sich Tschann noch im Saal an die Presse: Er werde das Urteil bekämpfen. “Ich bin absolut erstaunt. Wir haben die Fakten klar dargelegt und ich bin nach wie vor überzeugt, dass ich nicht schuldig bin”, kommentiert der Bludenzer Bürgermeister. “Ich kann es nicht nachvollziehen, wir gehen in Berufung.” Er werde natürlich auch im Amt bleiben.
Amtsverlust vermieden
Das geht wegen des Strafmaßes, wie Richter Alexander Wehinger bei seiner Urteilsverkündung erläutert: “Den Amtsverlust können wir erst mit zwölf Monaten aussprechen, das haben wir nicht gemacht.”
Tschann wurde vorgeworfen, bei einem Baubescheid für ein Projekt in der Fohrenburgstraße Amtsmissbrauch begangen zu haben. Er soll einen Baubescheid unterschrieben haben, der nicht alle Voraussetzungen erfüllte. Im Prozess führt Staatsanwalt Richard Gschwenter aus, dass Kritik des Amtssachverständigen ignoriert worden sei und der Abstand des zweiten Baukörpers zur Straße lediglich 90 Zentimeter betrage – dem Amtssachverständigen seien schon 2,5 Meter zu wenig gewesen. Ob Ortsüblichkeit vorgelegen habe, sei nicht geprüft worden, der Sachverständige habe nie zugestimmt. “Man wollte das Projekt mit Gewalt durchbringen”, ist der Staatsanwalt überzeugt.
150 Baubescheide pro Jahr
Tschanns Anwälte werfen hingegen nicht nur die Frage auf, ob das Projekt überhaupt Ortsüblichkeit widersprechen kann, schließlich befindet sich auch die Fohrenburg-Brauerei in der Nähe. Sie versuchen auch darzulegen, warum es gar nicht möglich sei, dass sich Tschann intensiv mit dem Projekt und den Gutachten beschäftigt hat. Das ist Tschanns Hauptargument: Er habe den Bescheid gar nicht gelesen, sondern verlasse sich voll auf die Expertise seiner Fachabteilung. Er könne gar nicht anfangen, alle Bescheide zu prüfen, 150 Baubescheide pro Jahr würden auf seinem Tisch landen. Dazu kommen zahlreiche weitere Schriftstücke.
Schon während des Prozesses widmet sich der Richter vor allem diesem Aspekt. “Aber Sie wissen schon, dass Sie die Baubehörde sind?“, fragt er den Bürgermeister. „Ja“, antwortet Tschann. Der Richter lässt nicht locker: „Sie verlassen sich sehr auf ihre Mitarbeiter?“, fragt er. Tschann: „Ja.“ Der Richter: „Gerade bei so einem Projekt, bei dem zu diesem Zeitpunkt schon klar war, dass es medial ein großes Thema wird? Wollten Sie sich da nicht einmal hinsetzen und sich alles ansehen?“ Tschann: „Es ist eines von vielen Projekten.“ Richter: „Sind Sie der Meinung, dass das Unterschreiben eines Baubescheids ohne ansatzweise inhaltliche Prüfung der Verantwortung eines Bürgermeisters gerecht wird?“ Tschann fragt zurück: „Wie soll es funktionieren, wenn ich es selbst prüfen soll? Ich müsste Unterlagen einfordern, Pläne ansehen, Abstände nachmessen und so weiter. Ich wäre sicher eine Woche dran pro Projekt.“
Am Ende glauben ihm der Richter und seine Schöffen nicht: “Wir sind der Meinung, dass Sie den Bescheid durchgelesen haben.” Beim betroffenen Projekt habe es sich schließlich um eines mit besonderer Brisanz gehandelt. “Deshalb gehen wir davon aus, dass Sie wissen, was im Bescheid steht”, sagt der Richter, während Tschann den Kopf schüttelt. Dasselbe gelte für ein Schreiben zum Fall an den Volksanwalt mit einer Falschinformation, das Tschann ebenfalls unterschrieben hat und was ihm zusätzlich eine Verurteilung wegen falscher Beuurkundung im Amt einbringt. “Dass Sie dieses Schreiben nicht gelesen haben, wenn es um Sie geht, kann ich mir nicht vorstellen”, ist der Richter überzeugt.
“Alles richtig gemacht”
Als er Tschann schließlich vorrechnet, dass er 51.000 Euro Strafe und die Prozesskosten zahlen muss, entfährt dem Bürgermeister ein Lachen. Als der Richter ihm erläutert, dass auch die Staatsanwaltschaft in Berufung gehen kann, das Urteil dann aber höher sein könnte, was wiederum den Amtsverlust zur Folge hat, fragt Tschann, ob sich ohne Bürgermeistergehalt seine Geldstrafe verringern würde. Der Staatsanwalt hat Berufung eingelegt.
Kurz darauf betont Tschann, von Medienvertretern angesprochen auf die Urteilsverkündung: “Ich bleibe dabei. Ich hätte gerne die Zeit und die fachliche Expertise, um alles zu lesen. Dafür habe ich Mitarbeiter. Deshalb bin ich nach wie vor überzeugt, dass wir es richtig gemacht haben. Meine Mitarbeiter haben richtig gearbeitet.” Großen Einfluss auf die Gemeindevertretungs- und Bürgermeisterwahl am 16. März sieht Tschann nicht. “Natürlich werde ich antreten”, bekräftigt der Bürgermeister.
Verdaut hat er das Urteil zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht. Als er den Saal verlässt, dreht er sich noch einmal zum Richter und den Medienvertretern um, hebt den Daumen und sagt: “Bürgermeister, ein super Job.” Dann verlässt er den Saal. Jetzt ist die nächste Instanz am Zug.