Frauen berichten von Gewalterfahrungen: “Er droht mir mit dem Umbringen”

Politik / 02.01.2025 • 10:52 Uhr
Frauen berichten von Gewalterfahrungen: "Er droht mir mit dem Umbringen"
Vor dem Einzug in die ifs Frauennotwohnung waren die Betroffenen Gewalt ausgsetzt. APA

Fünf Frauen erzählen den VN, warum sie vor ihren Lebensgefährten flüchteten. Sie fanden Schutz im Frauenhaus.

Schwarzach Sie erlebten ein Martyrium in den eigenen vier Wänden: Gewürgt, verletzt, bedroht, von Familien und Freunden abgekapselt. Sabrina, Sarina, Jana, Johanna und Maria erzählen von ihrem Leben in Angst – von ihrem Leben, bevor sie in der ifs FrauennotWohnung in Vorarlberg Schutz gefunden haben. Immer mehr Frauen flüchten vor ihren Lebensgefährten und bleiben in der Regel auch länger im Frauenhaus, berichtet die Leiterin Elisabeth Gruber-Vögel den VN. Man arbeite immer an der Kapazitätsgrenze. Doch es gebe für alle, die es brauchen, einen Platz. Die Namen der Bewohnerinnen im VN-Interview wurden zu deren Sicherheit geändert.

Wann haben Sie sich entschieden, sich bei der ifs FrauenotWohnung zu melden?

Jana Ich habe eine Zeit davor per Mail angefragt, da hat man mir zurückgeschrieben, dass ich jederzeit anrufen kann. Das habe ich dann nicht gemacht. Ein paar Monate später, als er wieder auf mich losging und mich würgte, habe ich mich dann entschlossen doch anzurufen.

Maria Auf Anraten einer Ärztin habe ich mich gemeldet.

Sarina Nach einer langen und schwierigen Phase, bin ich aufgrund der Empfehlung einer anderen Institution eingezogen, da es zuhause nicht mehr erträglich war.

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Wie geht es Ihnen heute?

Sabrina Hier, in der FrauennotWohnung, bekomme ich die Zeit und den Raum, Entscheidungen zu treffen, ohne dass jemand auf mich einredet. Die Bedrohung durch meinen gewalttätigen Lebensgefährten wird mich ein Leben lang betreffen, gerade weil ich mich von ihm getrennt habe. Ich weiß noch nicht, wie ich auf seine Drohungen reagieren soll. Er will die Trennung nicht akzeptieren und droht mir mit dem Umbringen.

Johanna Ich bin seit einem Monat hier und spüre bereits eine Veränderung. Ich habe hier die Gelegenheit, innerlich und äußerlich zur Ruhe zu kommen. Früher konnte ich nicht über die Zukunft nachdenken und jetzt habe ich Lust darauf, für mich und meine Kinder eine selbstständige Zukunft aufzubauen.

Maria Es hat sich vieles verändert. Psychisch und körperlich geht es mir besser. Es gibt niemanden mehr, der mich beleidigt oder mich schlägt, wenn ich nachhause komme.

Sarina Es geht mir heute gut, obwohl ich wegen wichtigen Terminen wie anstehenden Gerichtsverhandlungen, sehr nervös bin.

Wie haben Sie gelebt, bevor Sie ins Frauenhaus gekommen sind?

Sabrina Ich konnte meinen Alltag kaum mehr bewältigen. Schon vor fünf Jahren raste ich in ein Burn-out. In dieser Zeit wurde mir klar, dass ich meinen Lebensgefährten verlassen muss. Doch so wie ich ihn kannte, war es gefährlicher zu gehen als zu bleiben. Letztendlich hatte ich keine Wahl mehr und flüchtete mit den Kindern.

Sarina Mein Leben war sehr stressig, da mein Mann uns das Leben gezielt zur Hölle gemacht hat. Ich war ständig unter Kontrolle und Druck, er hat mich jahrelang manipuliert, bedroht und war psychisch gewalttätig. Ich lebte im Gefängnis ohne Gitter mit einem falschen Lächeln auf meinem Gesicht, bis ich mich fast verloren hatte.

Hat Ihr Umfeld die Situation, in der Sie sich befinden, wahrgenommen?

Sabrina Im Laufe der Jahre habe ich den Kontakt zu all meinen Freunden verloren. Ich habe mich stark zurückgezogen und fand keinen Anschluss mehr, auch innerhalb meiner Familie nicht.  Nur meine Mutter blieb als Bezugsperson bei uns. Sie hat mich unterstützt und wurde immer tiefer in die Gewaltspirale mit hineingezogen. Ich habe mich immer herausgeredet und bin der Realität ausgewichen.

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Wie haben Sie es erlebt, als Sie in der FrauennotWohnung untergekommen sind?

Jana Es hat mir Sicherheit geboten und es war alles gut.

Sarina Natürlich war es eine Umstellung, da hier viele Frauen und Kinder zusammenleben. Wir mussten uns kennenlernen und uns an die Situation gewöhnen. Ich fühlte mich aber endlich in Sicherheit und mein Körper sowie meine Seele können zur Ruhe kommen. Ich habe endlich offene Ohren für meine Probleme gefunden. Die Mitarbeiterinnen hier nehmen meine Gefühle und Geschichte wahr und sie unterstützen mich seelisch, psychisch und beraten mich, wo ich sonst noch Hilfe brauche, etwa finanziell oder was eine Unterkunft anbelangt.

Was hätten Sie sich für Ihre Kinder gewünscht, um ihnen die Umstellung zu erleichtern?

Johanna Die Kinder haben es hier gut. Sie können in verschiedenen Räumen spielen und mit anderen Kindern in Kontakt kommen.

Sarina Ich hätte mir gewünscht, dass wir einen Teil von unserem „alten“ Leben behalten hätten können, wie zum Beispiel die Schule der Kinder, damit sie und ich nicht alles Gewohnte aufgeben hätten müssen. Ich habe aber persönliche Sachen mitgebracht (Nachtlicht, Plüschtier, eigene Spielsachen) und ich achte darauf, dass unser Tagesablauf so gut wie möglich wie davor bleibt.

Welche Wünsche, Hoffnungen haben Sie für die Zukunft?

Sabrina Ich möchte mich an meine Kraft und meinen Mut erinnern.

Jana Ich möchte mir mit den Kindern ein Leben aufbauen und Ruhe finden. Ich möchte, dass es meinen Kindern an nichts fehlt und ich ihnen eine gute Zukunft bieten kann.

Sarina Ich freue mich, dass die Scheidung endlich durch ist. Ich möchte für mich und meine Kinder ein neues Zuhause finden, ein neues und besseres Leben aufbauen.

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Viele Frauen leben mit einem gewalttätigen Partner zusammen, erleben häusliche Gewalt: Welche Ihrer Erfahrungen würden Sie mit ihnen teilen wollen?

Sabrina Schreien, beschimpfen, beleidigen, befehlen… Ist das schon gewalttätig? Diese Frage hat mich lange gequält. Was habe ich falsch gemacht? Was ist falsch mit mir? Nein, ich möchte keinen Sex mit ihm, aber lieber ertrage ich diese Abscheu als seine unaufhörlichen Anschuldigungen und Drohungen.  Ist das schon eine Vergewaltigung? Wer entscheidet, was gewalttätig ist? Ich kann entscheiden, was und wer gut für mich ist. Ich kann mich aber nicht für oder gegen einen Übergriff entscheiden. Gewalt wird mir angetan. Viel zu lange wollte ich nicht wahrhaben, dass mein Lebensgefährte gewalttätig ist. Jahrelang habe ich meine Ängste und Verletzungen unterdrückt. Ich habe Abhängigkeit mit Liebe verwechselt und mich in ein Beziehungsdrama eingesperrt. Jetzt schreibe ich mein eigenes Drehbuch. Vielleicht sogar mit einem Happy End.

Sarina Ich wünsche allen Frauen, die in einer gewalttätigen Beziehung leben, dass sie den Mut haben, sich zu befreien. Es kann und soll anders sein und sie sind nicht alleine. Sie sollen sich nicht schämen, Hilfe zu holen. Wir alle haben Rechte und Möglichkeiten. Sei mutig für dein eigenes Glück.

Kontakt für Betroffene und Angehörige

Gewaltschutzzentrum (05/1755-535), Frauennotwohnung (05/1755-577) oder Gewaltberatung (05/1755-515). Bei akuter Bedrohung wird geraten, direkt die Polizei (133) zu kontaktieren.