Ende der blauen Träume – und eine neue Erkenntnis

Nun also doch: Die Regierungsverhandlungen zwischen FPÖ und ÖVP sind gescheitert. Das ist zunächst einmal eine gute Nachricht – für Österreich und für die Europäische Union. Denn eine Regierung unter Herbert Kickl hätte dieses Land in eine gefährliche Isolation geführt, in eine permanente Konfrontation mit Brüssel, Berlin und Paris. Die Wirtschaft hätte unter dem Druck des internationalen Misstrauens gelitten, Investoren hätten sich abgewandt, das politische Klima wäre endgültig vergiftet worden. Die Österreicherinnen und Österreich hätten sich schleichend an die Erosion demokratischer Grundsätze gewöhnt.
Doch bei aller Erleichterung über das Scheitern dieses schwarz-blauen Projekts gibt es eine zweite, vielleicht noch wichtigere Erkenntnis aus diesen Wochen: Herbert Kickl ist nicht nur ein rechtsextremer Ideologe, ein verbissener Feind der liberalen Demokratie, ein Xenophober, der mit allen Mitteln gegen Menschen vorgeht, die ihm nicht zu Gesicht stehen. Er hat darüber hinaus ein persönliches Problem – mit sich selbst.
Denn während seine Partei mit ihrer bekannten Mischung aus Hetze und Populismus durchaus bereit war, für die Macht einige ihrer radikalsten Positionen zu verwässern, scheiterte das Projekt letztlich nicht an den Inhalten, sondern an Kickl selbst. Er ist unfähig, seine persönlichen Animositäten von der politischen Notwendigkeit zu trennen. Wo Verhandlungsgeschick gefragt gewesen wäre, ließ er sich von seiner Rachsucht leiten. Wo es um politische Handlungsfähigkeit ging, trieb er seine Koalitionspartner mit unnötigen Demütigungen in die Flucht.
Die ÖVP, die sich zunächst aus innerem Druck, dann wie in Trance auf dieses waghalsige Experiment eingelassen hatte, bekam einen Vorgeschmack darauf, was eine Regierung unter Kickl bedeutet hätte: ein Kanzler, der nicht führt, sondern feuert. Einer, der nicht verhandelt, sondern verhöhnt. Einer, der jede noch so kleine Meinungsverschiedenheit als existenziellen Kampf betrachtet – und seine Macht lieber mit Totalitarismus als mit Pragmatismus sichert.
Diese Erkenntnis ist neu. Denn bislang galt Kickl vor allem als skrupelloser Machtpolitiker, als einer, der mit allen Mitteln seine Agenda durchsetzt. Doch jetzt zeigt sich: Er ist nicht nur gefährlich für Österreichs Stellung in Europa – er ist auch gefährlich für sich selbst. Denn wer in der Politik erfolgreich sein will, braucht ein Mindestmaß an Kompromissfähigkeit. Ein Kanzler muss auch mit Menschen arbeiten können, die ihm nicht ideologisch nahestehen. Kickl kann das nicht.
Schon als Innenminister war er eine Fehlbesetzung, weil er das Amt für die Hygiene seiner kranken Seele missbrauchte. Als Oppositionspolitiker mag seine Rabiatheit für die eigene Wählerschaft attraktiv sein. Doch als Regierungschef wäre er eine Gefahr für Stabilität und Demokratie.
Das Scheitern der Verhandlungen zeigt also nicht nur, dass die FPÖ inhaltlich innerhalb der westlichen Wertegemeinschaft, vulgo EU, nicht regierungsfähig ist – sondern auch, dass Kickl persönlich nicht in der Lage ist, eine Regierung zu führen. Das mag für Österreich eine glückliche Fügung sein. Aber ist es für die FPÖ nicht eine Zeitbombe? Denn wer will auf Dauer einer Partei hörig sein, die nicht regieren kann, weil ihr Chef mit seinen eigenen Dämonen ringt?