Budgetloch wächst jeden Tag ohne neue Regierung

Jeder weitere Tag ohne handlungsfähige Regierung schadet dem österreichischen Budget, kritisiert Ex-Rechnungshofpräsident Franz Fiedler. Er warnt zudem vor einer Expertenregierung.
Wien Österreich muss heuer 6,4 Milliarden Euro einsparen. Das steht im Sanierungsplan, den FPÖ und ÖVP der EU-Kommission Mitte Jänner übermittelt haben. Diese Koalitionsvariante ist am Mittwoch gescheitert. Was das für den Staatshaushalt bedeutet und welche Szenarien nun möglich sind, erklärt Franz Fiedler den VN. Der Jurist war zwölf Jahre lang Präsident des Rechnungshofs.
Zunächst die gute Nachricht: Es gibt das Budgetprovisorium. Das bedeutet, dass die Ausgaben, die im Vorjahr festgelegt wurden, auch weiterhin zu gelten haben. “Das wirkt einmal grundsätzlich Ausgaben bremsend. Denn normalerweise wird bei einem neuen Budget die Inflationsrate in irgendeiner Weise einkalkuliert”, sagt Fiedler. Aber, ergänzt der Experte, auf der anderen Seite muss Österreich seinen Schuldenstand reduzieren: “Das kann nicht gelingen, wenn die Ausgaben des Vorjahrs fortgeschrieben werden. Hier muss man tatsächlich irgendwo den Hebel ansetzen.”
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Bildungskarenz wird vorgezogen
Aktuell kann es sogar zu gegenteiligen Effekten kommen, solange keine gesetzlichen Grundlagen geschaffen werden. Seit bekannt wurde, dass die blau-schwarzen Verhandler die Bildungskarenz abschaffen wollten, zogen zahlreiche Menschen die vom AMS bezahlte Bildungsmaßnahme vor. Das Sparpotenzial wird immer kleiner, je länger große Reformen einer handlungsfähigen Regierung verhindert werden. Wie es mit der Bildungskarenz weitergeht, ist übrigens unklar.
Fiskalratspräsident Christoph Badelt erklärte im Ö1-Mittagsjournal, dass der Staat während des automatischen Budgetprovisoriums verpflichtet ist, nicht mehr als die Hälfte der Schulden aufzunehmen, die er im Vorjahr gemacht hat. Das bedeute in der Praxis, dass der Staat wahrscheinlich spätestens im Juni keine neuen Schulden aufnehmen kann und Liquiditätsprobleme bekommt. Daher brauche es bis dahin ein Übergangsbudget – mit welcher Mehrheit auch immer.

“Wir haben eine Regierung”
Immerhin hat sich Österreich auch gegenüber der EU-Kommission zu Maßnahmen verpflichtet, um das EU-Budgetdefizitverfahren abzuwenden. Die Vorschläge sind laut Franz Fiedlers Einschätzung nicht automatisch hinfällig, nachdem die blau-schwarzen Regierungsverhandlungen geplatzt sind, auch wenn leichte Adaptionen möglich sind. Das bestätigte ein Sprecher der EU-Kommission am Donnerstag. Die neuesten Entwicklungen in Österreich würden genau verfolgt und es sei weiterhin geplant, die Situation im April neu zu bewerten.
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Der Ex-Rechnungshofpräsident übt auch Kritik: “Es ist nicht so, dass wir aktuell keine Regierung haben. Diese könnte sehr wohl etwas tun – sei es Maßnahmen treffen oder Vorschläge machen, auch für eine nächste Regierung. Hier habe ich noch überhaupt nichts gesehen. Das halte ich für höchst gefährlich.”
Badelt und Fiedler warnen vor Expertenregierung
Beinahe sechs Jahre ist es her, dass es eine sogenannte Expertenregierung unter Kanzlerin Brigitte Bierlein gab. Bundespräsident Alexander Van der Bellen nannte diese Variante bei seiner Ansprache am Mittwochabend als eine von vier Möglichkeiten. Franz Fiedler hält in der aktuellen Situation weniger von dieser Lösung, da einer Expertenregierung der Rückhalt im Parlament fehlt. “Die Expertenregierung 2019/2020 war als Übergang eingesetzt und stand auch nicht vor den Problemen, die eine jetzige hätte”, sagt Fiedler. Angesichts der aktuellen budgetären Situation käme auf eine Expertenregierung – anders als 2019 – mehr zu als reines Fortführen der Verwaltung.
Fiedler möchte am Schluss auch etwas Positives hervorheben: Alle Parteien sind sich der Problematik des Staatshaushalts bewusst und sind dieses Problem angegangen. “Egal wie die nächste Regierung aussieht, ist doch davon auszugehen, dass die entsprechenden Maßnahmen umgesetzt werden. Es ist eines der wenigen Dinge, die von allen richtig erfasst wurden: Es ist Feuer am Dach.”