“Kickl hat den Wahlkampfmodus nie verlassen”

Bei Neuwahlen wären die Karten zum Teil neu gemischt. Aus heutiger Sicht würde aber wohl vorwiegend die FPÖ profitieren, sagt Politikberater Thomas Hofer.
Wien Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat es am Mittwochabend ausgesprochen: Neuwahlen sind eine Option. Es ist jedoch unsicherer denn je, was das bedeuten würde. “Wir wissen ja noch nicht alle Parameter”, sagt Politikberater Thomas Hofer im Gespräch mit den VN.
“Wenn es noch in diesem Halbjahr zu Neuwahlen kommt, ist die Frage, ob sich Parteien noch neu aufstellen und wer die Spitzenkandidaten sind.” Nur bei den Grünen ist aktuell relativ klar, dass es wohl eine neue Persönlichkeit wäre. Werner Kogler hat die Übergabe bereits eingeräumt, als Favoritin gilt Klimaministerin Leonore Gewessler.

Schreckgespenst Neuwahlen
Aktuell fordert aber nur die FPÖ Neuwahlen. Kein Wunder: Laut aktuellen Umfragen würden sich mehr als ein Drittel der Wählerinnen und Wähler für die Blauen entscheiden. Das wären mehr als die 29 Prozent, die unter Parteichef Herbert Kickl Ende September erreicht wurden. Die “Imagedelle”, so Hofer, ist bei der ÖVP nach zwei gescheiterten Verhandlungsrunden zudem gewaltig.
“Herbert Kickl ist zwar gescheitert, so wie Karl Nehammer vor ihm gescheitert ist. Das ist ein gewisser Makel”, sagt Hofer, “aber bis auf diese kurze Phase der Budgetsanierungsmaßnahmen hat er den Wahlkampfmodus eigentlich nie verlassen”. Das sei auch an dem Verhandlungspapier abzulesen, das vergangenes Wochenende geleakt wurde. “Die FPÖ stellte heftige Forderungen auf, die in den eigenen Zielgruppen sicher auf Zustimmung stoßen, was etwa internationale Gerichtshöfe oder Organisationen angeht.”
Die Botschaften der Wahlplakate, wie etwa “ich bin euer Werkzeug” oder “gemeinsam Kanzler” habe Kickl bei seiner Pressekonferenz am Mittwochabend wiederholt. Aber, ergänzt Hofer: “Eine Regierungsbildung nach Neuwahlen wäre für ihn wohl um keinen Deut einfacher.” Die Bereitschaft auf Seiten der ÖVP mit Herbert Kickl zu verhandeln, sei wohl kaum gewachsen.
Eine Frage des Geldes
Aus Sicht von SPÖ und ÖVP gibt es also viele Beweggründe, es nicht in Richtung Neuwahlen kommen zu lassen. Das liege nicht zuletzt am Finanziellen, sagt Hofer: “Die FPÖ hat einiges auf der hohen Kante, das Gegenteil ist bei ÖVP und SPÖ der Fall.” Auf die SPÖ kommt zudem die wichtige Wienwahl zu, die am 27. April stattfinden wird.
Welche Optionen bleiben nun für ÖVP und SPÖ? Neue Verhandlungen würden starke Kompromisse abverlangen. “Man darf ja nicht vergessen, dass sich ÖVP und SPÖ nicht einmal darauf einigen konnten, ob die Staatsschulden mit oder ohne EU-Defizitverfahren abgebaut werden”, erinnert Hofer.
Falls es ÖVP und SPÖ noch einmal versuchen, müsste die Botschaft lauten: Kompromissbereitschaft. “Van der Bellen hat in seiner Ansprache viel von der österreichischen Tradition und des Kompromisses und der Lösungsorientierung gesprochen und von Stabilität in diesen Krisenzeiten. Das wäre ein Narrativ.”
Verhandlungen mit oder ohne Babler
Aktuell gibt es Zurufe aus der ÖVP, dass SPÖ-Chef Andreas Babler bei neuerlichen Verhandlungen zur Seite treten soll. Das zementiere aber Bablers Position als SPÖ-Chef nur ein, betont Hofer. Doch auch parteiintern gebe es hier Überlegungen, andere SPÖ-Verhandler wie Doris Bures, Alexander Wrabetz, Wolfgang Katzian oder Josef Muchitsch in den Vordergrund zu rücken. Eines stehe jedoch fest: “Man kann die Verhandlungen zur Bundesregierung nicht über den Wiener Wahltag Ende April hinaus ziehen. Das ist zu lang.”
Oppositionsmonopol für FPÖ vermeiden
Eine weitere Idee ist, dass sich eventuell sowohl Neos, als auch Grüne mit Ministerposten an einer Regierung von ÖVP und SPÖ beteiligen. “Eine Viererkonstellation halte ich für absurd”, sagt Hofer. Denn das spiele einer immer wieder von der FPÖ beschworenen “Einheitspartei” aller politischer Mitbewerber in die Hände. Eine Konzentrationsregierung wäre aus Sicht aller vier Parteien zudem keine gute Option, da das Oppositionsmonopol dann nur noch bei der FPÖ liegt. Eine Alternative wären Sachkoalitionen mit den Grünen und den Neos.