Jürgen Weiss

Kommentar

Jürgen Weiss

Verkehrte Welt

Politik / 25.02.2025 • 07:05 Uhr

Die Antwort auf die Frage, vor wem man sich letzten Endes mehr fürchten müsste – vor Russland oder vor den USA, in wirtschaftlicher Hinsicht auch vor China – war bis vor kurzem für die meisten Leute die Antwort klar. Spätestens seit dem Überfall Putins auf die Ukraine, der Stationierung russischer Atomraketen in Königsberg / Kaliningrad unmittelbar vor den Toren der EU und der russischen Vision einer wiederhergestellten, diesmal aber bis zum Atlantik reichenden Sowjetunion, geht die Sorge um, welches Land als nächstes zum Opfer fallen wird. Die Republik Moldau und die baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen stehen wohl auf der Speisekarte ganz oben, zumal dort wie in der Ukraine russische Minderheiten leben. Unter dem amerikanischen Schutzschirm und einer starken NATO ließ sich aber verhältnismäßig ruhig schlafen. Zudem war nicht vergessen, dass die USA nicht nur im Zweiten Weltkrieg an der Befreiung Europas vom Nazi-Terror maßgeblich beteiligt waren, sondern im Gegensatz zur Sowjetunion auch den Wiederaufbau der Wirtschaft mit dem Marshallplan erfolgreich betrieben hatten.

Mit der Wiederwahl von Donald Trump als Präsident der USA kam jetzt aber ein unsanftes Erwachen. Er gibt der Selbstvereidigung der Ukraine gegen den russischen Überfall die Schuld an dem grausamen Krieg und möchte ihn damit beenden, dass er sie ohne militärische Unterstützung im Bombenregen stehen lässt. Sogar das Abschalten der für die Verteidigung notwendigen Satellitenkommunikation wird in den Raum gestellt. Und um das Ganze noch auf die Spitze zu treiben, verlangt Trump ganz nach dem unseligen Vorbild früherer Kolonialmächte Zugriff auf die wertvollen ukrainischen Bodenschätze, mit dem die bisherige Unterstützung zurückgezahlt werden soll. Damit nicht genug, er möchte notfalls mit Gewalt Zugriff auf den Panamakanal, kann sich Kanada gut als 51. Bundesstaat vorstellen und möchte sich gerne auch das rohstoffreiche Grönland einverleiben. Das gehört allerdings zu Dänemark, als es die USA noch gar nicht gegeben hatte. Dass Europa sich ohne Hilfe aus Amerika selbst verteidigen muss, stellt vor allem Deutschland vor ein großes Problem, weil nicht nur die deutsche Verkehrsinfrastruktur, sondern auch die Bundeswehr in einem beklagenswerten Zustand sind.

Die USA verstanden sich bisher als weltweiter Leuchtturm für Freiheit und Demokratie. Mit einer bisher unbekannten Machtkonzentration beim Präsidenten – seine Partei dominiert beide Parlamentskammern, den obersten Gerichtshof und natürlich auch die Verwaltung (wer dort nicht nach der Pfeife tanzt, wird zügig entlassen) ist diese Strahlkraft allerdings stark verblasst. Das ist neben dem Schulterschluss mit Putin, dem Wiederaufflackern von Handelskriegen und dem in Deutschland zu sehenden unverhohlenen Eingriff in demokratische Wahlen ein Grund mehr zur Sorge.

Jürgen Weiss vertrat das Land als Mitglied des Bundesrates (ÖVP) zwanzig Jahre lang in Wien und gehörte von 1991 bis 1994 der Bundesregierung an.