Was ÖVP, SPÖ und Neos zu Gemeinsamer Schule, S18 und Mieten planen

Künftige Dreierkoalition hat ihr gut 200-seitiges Programm vorgestellt.
Schwarzach Es war ein turbulentes Hin und Her mit immer neuen Überraschungen: Die Regierungsbildung auf Bundesebene nach der Nationalratswahl am 29. September. Ein erster Anlauf von ÖVP, SPÖ und Neos scheiterte zunächst, dann waren sich auch Volkspartei und Sozialdemokraten nicht einig. Verhandlungen zwischen ÖVP und FPÖ führten ebenfalls in eine Sackgasse. Nun hat es das Dreierbündnis in einem zweiten Anlauf geschafft. Österreich steht vor seiner ersten schwarz-rot-pinken Koalition. Sie hat am Donnerstag ihr Regierungsprogramm vorgestellt. Wegen der schwierigen finanziellen Situation stehen alle Maßnahmen ab 2027 unter einem Budgetvorbehalt.
Einfachere Modellregion
Schon lange macht sich Vorarlberg für die Gemeinsame Schule der Zehn- bis 14-Jährigen stark. Das Land plante zuletzt einen Schulversuch in einer Region, wollte am besten im Schuljahr 2025/26 starten. Nun könnte auch der Bund mitziehen. Im Regierungsprogramm von ÖVP, SPÖ und Neos findet eine Gemeinsame Schule der Zehn- bis Zwölf- beziehungsweise 14-Jährigen Erwähnung: Modellregionen dafür sollen erleichtert werden, Pilotprojekte wissenschaftlich begleitet. Details nennen die drei Parteien aber noch nicht. Daneben sollen Ganztagsschulen ausgebaut werden, und zwar mit dem Ziel, ausreichend wohnortnahe Angebote zu schaffen. Alle Eltern sollen die Wahlfreiheit haben, ob und welche ganztägige Schulform besucht wird. In „Schulen mit sozialen Herausforderungen“, gemeint sein dürften sogenannte Brennpunktschulen, soll das psychosoziale Unterstützungspersonal ausgebaut werden.

Mehr Ressourcen für Kinderbetreuung
Das Dreierbündnis will eine „Qualitäts- und Ausbauoffensive“ in der Elementarpädagogik. Dafür soll der Bund ab 2026 ein zusätzliches Ressourcenpaket zur Verfügung stellen. Es ist an bundesweite Qualitätsstandards mit Übergangsfristen gekoppelt, außerdem sollen die Gruppen kleiner werden. Dazu kommt eine Garantie auf einen ganztägigen, ganzjährigen Kindergartenplatz. Unter der Überschrift „Sprachförderung“ ist auch die Rede von einem zweiten verpflichtenden Kindergartenjahr. Außerdem plant die Dreierkoalition eine Ausbildungs- und Jobinitiative im Bereich der Kindergärten.

Hoffnung für S18?
Kommt die Bodensee-Schnellstraße S18 oder kommt sie nicht? Das Hin und Her um eine hochrangige Autobahnverbindung zwischen Österreich und der Schweiz beschäftigt das Land schon viele Jahrzehnte, auch mit Blick auf das verkehrsgeplagte Lustenau. Die schwarz-blaue Landesregierung will endlich Bewegung in den Bau der umstrittenen Straße bringen, dafür braucht es aber auch den Bund. Im Regierungsprogramm steht, dass Autobahnen und Schnellstraßen, die schon eine Genehmigung haben, „schnellstmöglich“ gebaut werden. Als Beispiel ist nur die S1 Spange in Wien erwähnt. Im Programm von ÖVP, SPÖ und Neos ist nun die Rede davon, dass „anhängige Verfahren und Planungen“ zügig weitergeführt werden. Es könnte also auch bei der S18 etwas weitergehen, schließlich gilt dieser Passus laut Regierungsprogramm für alle Straßen, die im Bundesstraßengesetz angeführt sind. Also auch für die S18.

Asylanträge bei null
Die Regierung plant strenge Vorgaben im Asyl- und Integrationsbereich. Der Familiennachzug soll mit sofortiger Wirkung vorübergehend gestoppt werden. Die neue Regierung will sich für eine Änderung der Familiennachzugsrichtlinie auf europäischer Ebene einsetzen. Und wird der Familiennachzug wieder möglich, können Ehepartner erst ab dem 21. Lebensjahr und nicht wie bisher ab 18 einreisen.
ÖVP, SPÖ und Neos wollen auch die gemeinsame Asylpolitik der EU mit dem Ziel weiterentwickeln, dass die Anträge im Inland bei null liegen. Was sie sich genau darunter vorstellen, bleibt offen. Bei steigenden Zahlen möchten die Parteien eine EU-Notfallklausel auslösen, was de facto bedeutet, keine Ansuchen mehr zuzulassen. Es sollen außerdem Rückkehrverfahrenszentren entstehen, in denen Menschen mit einem negativen Asylbescheid unterkommen. In Vorarlberg sind die Zahlen rückläufig, wie eine Sprecherin des zuständigen Landesrats Daniel Allgäuer (FPÖ) mitteilt. Am Donnerstag befanden sich 2828 Menschen in der Grundversorgung. Davon sind 1467 ukrainische Kriegsvertriebene, die keinen Asylantrag stellen müssen. “Prognosen sind aktuell schwer zu erstellen, der Trend geht seitwärts, mit Tendenz nach unten.”

ÖVP, SPÖ und Neos wollen auch ein Kopftuchverbot für Mädchen umsetzen. Für unmündige Minderjährige soll ein verfassungskonformes Verbot erarbeitet werden. Es gab schon einmal eine solche Vorgabe für Volksschülerinnen, die damalige ÖVP-FPÖ-Bundesregierung hatte sie Ende 2020 eingeführt. Der Verfassungsgerichtshof hob das Verbot auf.
Kampf gegen Kinderarmut
„Die Kindergrundsicherung wird kommen.“ Davon war der frühere Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) überzeugt. Er hatte recht, sie soll nun eingeführt werden – allerdings unter der neuen schwarz-rot-pinken Koalition. Die Kindergrundsicherung zielt darauf ab, Kinderarmut bis 2030 zu halbieren. Sie fußt auf zwei Säulen. In der ersten geht es um den Ausbau von Sachleistungen und einer kindgerechten Infrastruktur, darunter etwa kostenlose gesunde Mahlzeiten in Bildungseinrichtungen und eine bessere Gesundheitsversorgung für Kinder und Jugendliche. Säule zwei konzentriert sich auf bestehende Transferleistungen; sie sollen weiterentwickelt werden. Die Parteien nennen etwa Anpassungen bei der Altersstaffel der Familienbeihilfe. Kinder sollen außerdem als eigenständige Zielgruppe aus der Sozialhilfe herausgelöst und über eine bundesweite einkommensabhängige Leistung abgesichert werden.

Bremse nicht bei freien Mieten
Für Mieterinnen und Mieter soll es Erleichterungen geben. ÖVP, SPÖ und Neos planen, dass Kategoriemieten, Richtwertmieten und Mieten im gemeinnützigen Wohnbau heuer gar nicht mehr erhöht werden, 2026 ist ein Anstieg um maximal ein Prozent erlaubt und 2027 höchstens um zwei Prozent. Für die meisten Mieter in Vorarlberg bringt das aber nicht viel. Denn im Land ist der Anteil an freien Mieten im Bundesländervergleich der zweithöchste, wie Experte Wolfgang Amann vom Institut für Immobilien, Bauen und Wohnen erklärt. „Ich kann nicht nachvollziehen, warum sie sich da nicht getraut haben. Hier wäre es dringlich, einen Deckel einzuziehen. Billigste Mieten bekommen nun einen Mietendeckel, teure nicht.“ Ab 2028 gilt dann allerdings eine Begrenzung bei Mietsteigerungen im „gesamten Wohnbereich“ auf maximal drei Prozent. Bei einer Inflation von über drei Prozent sollen Erhöhungen nur zur Hälfte für die Mieter anfallen.

Zudem beabsichtigt die Politik bei Befristungen einzugreifen. Derzeit liegt sie bei mindestens drei Jahren, künftig sollen es fünf sein. Amann sieht darin zwar keine „dramatische Verbesserung“ aus Mietersicht. Prinzipiell spricht er aber von einem tendenziell ausgewogenen Programm, das sich ÖVP, SPÖ und Neos im Bereich Wohnen vorgenommen haben.