Kommentar: Das Patriarchat schlägt zurück
Weltgeschichte bleibt Männersache. Man könnte das angesichts der bald flächendecken gescholtenen Wokeness als schlechten Witz lesen, wenn es nicht so traurig wahr wäre. Denn auch im Jahr 2025 dominieren toxische Männlichkeitsfantasien unsere politischen Systeme. Keine Ausnahmen, keine originellen Typen, keine Neinsager, sondern Alphatiere im fortgeschrittenen Stadium. Putin, Trump, Xi. Daneben die Tech-Milliardäre. Und bei uns auf schmaler Spur: Kurz.
Diese Welt ist ein Trophäenschrank männlicher Egos. Es regieren Männer, die den von Dialektik getriebenen Dialog verachten, Kompromisse als Schwäche sehen und Macht wie ein Monogramm tragen. Die Männer also, vor denen uns der zivilisatorische Prozess hätte retten sollen. Doch das war ein Irrtum auf Raten.
Trump, das groteske Zerrbild des westlichen Führungsmythos, bleibt dabei das lauteste Symptom. Man könnte ihn als Psychopathen abtun, aber das greift zu kurz. In seinem eigenen System ist er durchaus rational, bloß dass dieses System keine Demokratie mehr kennt. Keine Checks, keine Balances, sondern nur Deals. Und selbst die sind meist Attrappen. Die Erzählung vom genialen Dealmaker ist ein Märchen (gerne von Österreichs neuem Star unter den Dealmakern Sebastian Kurz verbreitet). Was bleibt, ist eine aggressive Mischung aus Narzissmus, Selbstzerstörung und latenter Weltvernichtungslust.
Putin treibt dieses Prinzip ins Archaische. Der Angriffskrieg gegen die Ukraine ist ein Frontalangriff auf Pluralismus, Offenheit und historische Vernunft. Putin regiert wie ein Zar im 21. Jahrhundert, seine Männlichkeit ist martialisch, seine Sprache militarisiert. Die Bilder von ihm mit nacktem Oberkörper mögen uns lächerlich erscheinen, doch sie sind Teil eines Selbstbildes, das den Körper als Waffe versteht und jedes Gegenüber als Gegner.
Aber die Alphatiere sind längst nicht nur in der Politik zu finden. Ausgerechnet im fortschrittlichsten Technologieumfeld blüht der männliche Mythos. Elon Musk, Jeff Bezos, Peter Thiel – ihre Missionen sind privatwirtschaftlich, aber ihr Ego ist imperial. Sie sehen sich als Architekten der Zukunft und benehmen sich wie Halbgötter im Sandkasten des Kapitalismus. Musk inszeniert sich als interstellarer Prophet, während auf der Erde seine Plattformen verblöden. Jeff Bezos hat den Handel gekapert und erwürgt wie die anderen auch die Medien. Peter Thiel wiederum finanziert rechte Ideen und gab Sebastian Kurz nach dessen politischen Abgang eine Plattform. Vielleicht, weil er in ihm einen jungen Mann sah, der schon früh begriffen hatte: Macht ist ein Lifestyle.
Kurz erklärte kürzlich auf seinem Lieblingskanal „OE24“, Trump folge einem „ganz genauen Drehbuch“. Nur: Was wäre das für ein Drehbuch? Eine Mischung aus „House of Cards“, „Joker“ und „The Apprentice“? Der ehemalige Politiker und Kulturmanager Thomas Drozda konterte Kurz auf X so: „Seine Interviews entziehen sich zunehmend einer politischen Beurteilung, nicht aber einer ökonomischen Nutzeneinschätzung.“
Wir müssen uns von der Vorstellung verabschieden, Geschichte sei linear, Fortschritt unausweichlich. Der Mensch hat sich nicht verändert, nicht genetisch, nicht strukturell. Die Vorstellung, dass sich innerhalb weniger Jahrhunderte durch Aufklärung und Wissenschaft das Wesen des Menschen tiefgreifend geläutert wäre, ist biologisch absurd. Die DNA des Homo sapiens, des Menschen, des Mannes ist dieselbe geblieben, das Bedürfnis nach Dominanz, Kontrolle, Rangordnung unausweichlich mit ihr. Nur die Werkzeuge wurden raffinierter. Der Fortschritt ist keine Naturgewalt. Er ist eine komplexe zivilisatorische Übung. Und wir sind gerade dabei, durchzufallen.
Christian Rainer ist Journalist und Medienmanager. Er war 25 Jahre lang
Chefredakteur und Herausgeber des Nachrichtenmagazins profil.
Kommentar