Vom Drückeberger zur zentralen Säule: “Ohne Zivis hätten wir ein Versorgungsproblem”

Politik / 15.04.2025 • 14:42 Uhr
Vom Drückeberger zur zentralen Säule: "Ohne Zivis hätten wir ein Versorgungsproblem"
In Vorarlberg liegt die Bedarfsdeckung aktuell bei 80 Prozent, berichtet Ministerin Claudia Plakolm. Elias Stoß erklärt, warum er dem Roten Kreuz nach seinem Zivildienst treu geblieben ist. APA/ROTES KREUZ

Vor 50 Jahren nahmen die ersten Zivildiener ihre Arbeit auf. Heute sind sie gefragter denn je.

Schwarzach, Wien 50 Jahre sind vergangen, seit der erste Zivildiener in Österreich seinen Dienst angetreten hat. Seither leisteten fast 440.000 junge Männer den Wehrersatzdienst ab. „1975 waren Zivildiener nur die ‚Drückeberger‘, und das war noch die netteste Bezeichnung. Heute wäre ohne sie vieles gar nicht möglich“, sagt die zuständige Ministerin Claudia Plakolm. Ähnliches betont Daniel Peter, der beim Roten Kreuz in Vorarlberg für das Personalmanagement im Bereich des Ehrenamts, des freiwilligen sozialen Jahrs und des Zivildienstes zuständig ist. „Wir sind in der glücklichen Lage, dass wir einen guten Zulauf haben.“ Als Zivildienststelle der Kategorie 1 werde das Rote Kreuz auch bevorzugt behandelt: „Das ist wichtig, sonst hätten wir ein Problem in der Versorgung.“ Dies würde hauptsächlich die Krankentransporte betreffen. Ohne Zivis wäre diese im aktuellen Ausmaß und zu den aktuellen Preisen nicht mehr durchführbar.

Vom Drückeberger zur zentralen Säule: "Ohne Zivis hätten wir ein Versorgungsproblem"
Ohne Zivildiener wäre heute vieles gar nicht möglich, sagt Plakolm. APA

Rund 235 Zivis zählt das Vorarlberger Rote Kreuz jedes Jahr. 250 Plätze hätte es. Vor allem für die Dienste, die in den Monaten von März bis inklusive Juni beginnen, sei es schwierig, Zivildienstleistende zu finden. „Die Plätze für September, Oktober sind meistens schon fast ein Jahr im Voraus voll“, sagt Daniel Peter. So ist es auch heuer. Nur noch für Juli und August bestehe ein minimaler Restbedarf.

Elias Stoß, Rettungssanitäter
Vor zwei Monaten beendete Elias Stoß seinen Zivildienst, nun arbeitet er als Rettungssanitäter mit. Rotes KReuz

Einer der im Mai vor einem Jahr begonnen hat, ist Elias Stoß. Der 20-Jährige beendete seinen Dienst vor zwei Monaten, bleibt dem Roten Kreuz aber als Rettungssanitäter treu. „Mir hat die Tätigkeit gut gefallen. Ich bin gerne für andere da.“ Als weitere Gründe für seinen fortlaufenden Einsatz nennt Stoß die Kollegialität, das erlangte Wissen und die Freundschaften, die er beim Roten Kreuz geschlossen habe. Der 20-Jährige, der hauptberuflich bei der Firma Hilti arbeitet, lobt den respektvollen Umgang und die offene Kommunikation: „Nach schwierigen Einsätzen konnten wir immer darüber sprechen.“

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Zivildiener wie Stoß bleiben österreichweit gefragt. Im ersten Quartal konnten rund 90 Prozent der offenen Stellen besetzt werden. In Vorarlberg liegt die Bedarfsdeckung bei knapp 80 Prozent. Aktuell sind bundesweit 11.798 Zivildiener im Einsatz, davon 737 in Vorarlberg. Im ersten Quartal wurden 3043 junge Männer einer Zivildienstorganisation zugewiesen, 185 von ihnen zu einer Einrichtung im Land. Die drei beliebtesten Tätigkeitsbereiche sind das Rettungswesen, die Sozial- und Behindertenhilfe sowie die Altenbetreuung. „Die Zivildiener lernen Empathie und soziale Skills. Das höre ich von vielen“, sagt Daniel Peter. Beim Roten Kreuz absolvieren sie zudem die Ausbildung zum Rettungssanitäter und erhalten einen Blick hinter die Kulissen des medizinischen Systems in Vorarlberg, den sie so sonst nicht hätten.

Vom Drückeberger zur zentralen Säule: "Ohne Zivis hätten wir ein Versorgungsproblem"
Daniel Peter war selbst als Zivildiener tätig. Rotes Kreuz

Daniel Peter weiß, wovon er spricht, zumal er selbst Zivildiener war. Damals dauerte der Wehrersatzdienst noch zwölf Monate. 2006 wurde er auf die bis heute gültigen neun Monate verkürzt, wobei es bis 2011 möglich war, den Dienst um drei weitere Monate freiwillig zu verlängern. Ein solches Modell wäre heute wieder sinnvoll, vor allem angesichts der demografischen Entwicklung, sagt Peter: „Man könnte schauen, ob eine solche Lösung funktioniert, bevor man in Richtung Verlängerung für alle geht.“ Die zuständige Ministerin bleibt diesbezüglich vage. Plakolm lässt offen, inwiefern sich die diskutierte Verlängerung der Wehrpflicht auf die Dauer des Zivildienstes auswirken würde. Man warte die Ergebnisse jener Kommission ab, die sich derzeit mit der Wehrhaftigkeit Österreichs beschäftige.

Der Zivildienst als Wehrersatzdienst

Mit 1. Jänner 1975 trat das Zivildienstgesetz in Kraft, ab 1. April 1975 leisteten die ersten jungen Männer ihren Wehrersatzdienst. 344 Personen nahmen damals übers Jahr verteilt diese Möglichkeit in Anspruch. Mit Abschaffung der Gewissensprüfung im Jahr 1992 stieg die Zahl der Zivildiensterklärungen von 4573 auf 12.039 sprunghaft an. 2004 waren erstmals mehr als 10.000 Zivildiener im Einsatz. 2014 verzeichnete die Republik mit 16.957 Zivildiensterklärungen einen absoluten Höchststand. Insgesamt haben in den vergangenen 50 Jahren 439.805 junge Männer den Wehrersatzdienst abgeleistet. Mittlerweile werden sie auch etwas besser vergütet. Seit Jahresbeginn erhalten Zivildiener 605,60 Euro monatlich. Hier finden Sie die Chronik zum Zivildienst.

Sie traten 1975 den Wehrersatzdienst an und wollen darüber erzählen? Welche Aufgaben wurden Ihnen übertragen? Wie waren die Reaktionen auf Ihren Dienst? Wenn Sie uns von Ihren Erfahrungen berichten wollen, melden Sie sich unter politik@vn.at