Debatte um den Wolf: “Mir kommt vor, als wären alle Sicherungen durchgebrannt”

Politik / 21.05.2025 • 14:17 Uhr
Debatte um den Wolf: "Mir kommt vor, als wären alle Sicherungen durchgebrannt"
Lange galt der Wolf in vielen europäischen Ländern als ausgerottet. Das hat sich geändert. APA/Techt

Experte kritisiert Politik. Sie übertreibe die Gefahr, Angst vor Rudeln sei unbegründet. Herdenschutzmaßnahmen blieben Gebot der Stunde.

Schwarzach In Mittel- und Westeuropa galt der Wolf lange Zeit als ausgerottet. Das betraf auch Österreich. Das letzte Exemplar soll 1882 im steirischen Wechselgebiet erschossen worden sein. Jetzt ist das Raubtier zurück. Mehr als 20.000 Wölfe soll es im EU-Raum wieder geben. Das hat mit dem strengen Schutzstatus zu tun. Auch in Vorarlberg gibt es regelmäßig Sichtungen. Die Entwicklung sorgt für emotionale Debatten. Immer wieder kommt es zu Nutztierrissen. Vertreter der Landwirtschaft, auch Vorarlbergs Agrarlandesrat Christian Gantner (ÖVP), fordern mehr Möglichkeiten, gegen Wölfe vorzugehen. Andere können das nicht nachvollziehen, zum Beispiel Fachtierarzt Erik Schmid. Er kritisiert die politischen Verantwortlichen. “Mir kommt vor, dass alle Sicherungen durchgebrannt sind.” Besonders die Angst vor einem Rudel hält er für unbegründet. “Ein stationäres Rudel richtet weniger Schaden an als durchziehende Junggesellen.”

Mehr Spielraum

Vor Kurzem hat das Europaparlament dafür gestimmt, den Schutzstatus des Wolfes von “streng geschützt” auf “geschützt” zu senken. Noch müssen die Mitgliedsstaaten zustimmen, das gilt aber als wahrscheinlich und könnte schon bald der Fall sein. Hintergrund ist ein Vorschlag der Europäischen Kommission, die sogenannte Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie FFH in Bezug auf den Wolf zu ändern. Die Staaten hätten dann mehr Spielraum im Umgang mit den Räubern. Übergeordnetes Ziel bleibt aber der “günstige Erhaltungszustand.” Auch Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) setzt sich für die Lockerung ein. “Die Wolfspopulation ist zuletzt um jährlich 30 Prozent extrem angewachsen. Sie hat sich erholt, nun muss sie gemanagt und reguliert werden”, sagte der Minister kürzlich im VN-Interview. Zudem sprach er sich gegen eine “Verharmlosung” der Probleme mit dem Wolf aus.

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Auch Landesrat Gantner lässt keinen Zweifel an seiner Position. In den VN sagte er zur Entscheidung im EU-Parlament: “Das ist erst der Anfang. Wir haben nach wie vor die Einzelfallprüfung. Ziel muss es sein, dass man präventiv Wölfe managen kann.” Er fordert eine Jagdfreigabe, damit sich kein Rudel im Land niederlässt. „Wir stehen für die Alpsaison Gewehr bei Fuß.“

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Diese Aussagen machen Erik Schmid, Fachtierarzt für Tierhaltung und Tierschutz, fassungslos. “Das heißt im Klartext, dass man den Wolf ausrotten oder zumindest die Ansiedlung verhindern will. Ausrottung traut man sich wahrscheinlich nicht zu sagen”, mutmaßt er. Somit handle es sich um eine Absage an die Zielsetzung der EU-Richtlinie. Schmid sieht in der Angst vor stationären Rudeln einen grundsätzlichen Denkfehler. Sie seien weitaus weniger problematisch als durchziehende Tiere. “Junge, abwandernde Wölfe, die ein neues Territorium suchen, gehen jedes Risiko ein.” Im stabilen Rudel lernten die Jungen hingegen über Herdenschutz, dass Menschen und Nutztiere gemieden werden müssen. Zudem hielten sie die gefährlichen Zuwanderer ab.

Fachtierarzt Erik Schmid
Fachtierarzt Erik Schmid machen die Aussagen der politischen Verantwortlichen fassungslos.

Schmid ist überzeugt: “Seit 20 Jahren steht im Gesetz, dass jeder Tierhalter seine Tiere vor Raubtieren zu schützen hat. Für jeden Hobbyhühnerhalter ist klar, dass er die Hennen in den Stall bringt, da sonst der Fuchs kommt. Es würde auch niemand sagen, dass man den Fuchs ausrotten soll.” Der Experte räumt zwar ein, dass Herdenschutzmaßnahmen aufwendig sein können, Geld kosten und nicht immer zu 100 Prozent funktionieren. Klar sei aber: “Wo es am einfachsten ist, bedient sich der Wolf.” In ganz Europa gebe es positive Beispiele, wie das Zusammenleben funktioniert. “Ich würde mir wünschen, dass die Landwirtschaft präventiven Tierschutz betreibt und nicht auf präventive Jagd setzt.”