“Vereinsmeierei”: Aufwand bremst viele kleinere Energiegemeinschaften

Das Interesse ist groß, auch bei Privatpersonen. An der Umsetzung hapert es aber oft.
Magdalena Raos, Julia Schilly-Polozani
Dornbirn Helmut Baumgartner ist enttäuscht. Der Photovoltaikanlagenbesitzer wollte eigentlich eine erneuerbare Energiegemeinschaft (EEG) gründen. Doch davon sieht der 55-Jährige, der mit seiner Frau den Gemüsebaubetrieb “Gertruds Garten” in Dornbirn betreibt, nun ab. Er kann die Vorgaben nicht nachvollziehen, konkret stört ihn, dass er einen Verein ins Leben rufen müsste. “Ich produziere Strom. Ich möchte Strom verkaufen. Warum muss ich dafür einen Verein gründen, warum keine Firma?” Baumgartner besitzt eine Großanlage, wie er im VN-Gespräch schildert. Ungefähr 180.000 bis 200.000 Kilowattstunden Strom blieben ihm übrig, je nach Jahr. Er würde gerne zu eigenen Konditionen vorgehen, sich nicht mit Vereinsstatuten oder Jahreshauptversammlungen herumschlagen. Außerdem befürchtet er, dass zu viele, auch Fremde, mitreden könnten.

So wie Baumgartner geht es nicht wenigen Menschen. Dabei klingt eine Energiegemeinschaft eigentlich nach einem genialen Konzept. Mindestens zwei Haushalte schließen sich zur gemeinsamen Produktion und Verwertung von Energie zusammen, das macht sie günstiger, nachhaltiger und die Menschen unabhängiger. Das Interesse ist dementsprechend groß, auch in Vorarlberg, wie das Energieinstitut ausführt. Der Teufel steckt aber im Detail. Viele Privatpersonen werfen schnell wieder das Handtuch, wenn sie erst einmal nähere Informationen eingeholt haben. Andreas Peter vom Energieinstitut leitet EEG-Workshops im Rahmen des Projekts “Einfach machen”. Vor allem Leute, die zusammen mit Nachbarn, Freunden, Eltern oder Kindern eine kleine EEG gründen wollen, besuchen sie. “Sie springen, wenn sie vom Organisationsaufwand hören, zu 90 Prozent ab.” Bestenfalls blieben sie in Warteposition.
“Wälderstrom” als Pionier
EEGs wurden 2023 in Österreich rechtlich verankert, ermöglicht durch das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz. Mitglieder dürfen seither untereinander Strom handeln, den Strompreis vereinbaren sie selbst. Für den Transport dieses Stromes können die EEG-Mitglieder das öffentliche Stromnetz nutzen. Ein Pionier im größeren Rahmen war die EEG Vorderwald, auch als “Wälderstrom” bekannt. Die Mitmachplattform steht für alle im Vorderwald offen, um Strom aus der Region zu beziehen und den selbst produzierten Ökostrom in der Region zu verkaufen.
Aufgrund Ihrer Datenschutzeinstellungen wird an dieser Stelle kein Inhalt von Iframely angezeigt.
Im kleineren Rahmen sieht die Sache komplizierter aus. Das Energieinstitut sieht vor allem zwei Barrieren. Wer eine nachbarschaftliche EEG gründen will, muss zum einen, wie von Baumgartner kritisiert, einen Verein gründen, inklusive Vereinskonto. Die Kontoführungsgebühr macht den wirtschaftlichen Vorteil oft schon wieder zunichte. Dazu kommt die Anmeldung des Vereins bei der Bezirkshauptmannschaft, Statuten, Jahreshauptversammlung – das ist nicht für jeden etwas, gerade wenn man noch keine Erfahrung mit Vereinsrecht hat. Eine zweite Hürde tut sich dem Energieinstitut zufolge beim Thema Steuern auf. Zwar dürfe eine EEG nicht mit Gewinnabsicht betrieben werden. Laut Finanzamt sei sie damit aber noch lange nicht gemeinnützig. “Ist an einer EEG etwa ein Unternehmen beteiligt oder sind die PV-Anlagen größer, wird es dann auch ein Steuerthema”, sagt Andreas Peter.
Kein Verein für Tomaten-Verkauf
Für Baumgartner, der sich grundsätzlich ärgert, wie mit Kleinproduzenten umgegangen wird, hat sich das Thema EEG jetzt erst einmal erledigt. Die “Vereinsmeierei” bleibt für ihn unverständlich. Er zieht einen Vergleich: “Wenn ich Tomaten produziere und sie verkaufen will, muss ich doch auch keinen Verein gründen. Dann brauchen wir bald gar kein Geschäft mehr.”