“Die Finanzlage der Gemeinden ist erdrückend”

Politik / 02.07.2025 • 13:38 Uhr
"Die Finanzlage der Gemeinden ist erdrückend"
Gemeindeverbandspräsident Walter Gohm warnt: Die Zahl der Abgangsgemeinden nimmt zu. VN/Paulitsch

Gemeindeverbandspräsident zeichnet düsteres Bild der Gemeindekassen. Agenda Austria fordert Steuerhoheit und Insolvenzverfahren für Gemeinden.

Schwarzach Dieser Tage war aus Kärnten zu hören, was klamme Haushalte für die öffentliche Hand bedeuten: Der Landeshauptstadt Klagenfurt droht in einem Jahr die Zahlungsunfähigkeit. So schlimm sieht es in Vorarlbergs Städten und Gemeinden zwar nicht aus. Aber auch hierzulande wächst der Schuldenberg, wie eine Untersuchung der “Agenda Austria” zeigt. Die Denkfabrik fordert eine große Föderalismusreform mit Steuerhoheit für Länder und Gemeinden.

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Wie schnell der Schuldenberg in den 96 Gemeindestuben des Landes wächst, zeigt ein Blick auf die Statistik. Im Jahr 2012 konnten Vorarlbergs Kommunen noch Geld auf die Seite legen. Sie machten – zusammengezählt – 46 Millionen Euro plus. 2017 folgte die Kehrtwende mit einem zusammengerechneten Defizit von 19 Millionen Euro. In den Jahren 2022 und 2023 begann mit einem öffentlichen Defizit von 87 und 137 Millionen Euro schließlich das große Kämpfen.

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Zahlen der Gebarungskontrolle des Landes unterstreichen diese Entwicklung. Ende 2023 hatten Vorarlbergs Gemeinden insgesamt noch 232,8 Millionen Euro an sogenannten liquiden Mitteln. Ende 2024 waren es 193,3 Millionen. Ein Minus von 39,5 Millionen. Die Rücklagen sind im selben Zeitraum von 235 auf 192,6 Millionen Euro gesunken, also um 42,4 Millionen. Gleichzeitig sind die langfristigen Schulden um 152,7 Millionen Euro auf fast 1,3 Milliarden Euro gestiegen. Aufschlussreich auch der Blick auf die frei verfügbaren Mittel. Heuer budgetieren die Kommunen mit einem Minus von 71,5 Millionen Euro. Sie haben kein Geld zur freien Verfügung, sie brauchen welches.

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Walter Gohm, Frastanzer Bürgermeister und Präsident des Gemeindeverbands, bestätigt: “Den Gemeinden geht es definitiv schlecht. Die Finanzlage ist erdrückend.” Einerseits, weil die Ertragsanteile zurückgehen, andererseits, weil nicht beeinflussbare Kosten steigen. Gohm rechnet vor: Zieht man von den kompletten Ertragsanteilen alle nicht oder kaum beeinflussbaren Ausgaben ab, würden der Gemeinde noch 35 Prozent der Einnahmen übrig bleiben, um alle Aufgaben zu erfüllen. 65 Prozent der Ausgaben seien also nicht beeinflussbar. “Im Jahr 2022 waren es noch 44 Prozent.”

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Mit dem Geld müsse eine Gemeinde alles decken, von der Infrastruktur bis zu den Personalkosten. “Das geht sich für viele in der Form nicht mehr aus”, betont Gohm. “Dann reden wir von Abgangsgemeinden. Sie müssen den laufenden Ausgang fremdfinanzieren. Die Zahl der Abgangsgemeinden steigt.” Laut dem Zentrum für Verwaltungsforschung KDZ wird dies heuer rund 45 Prozent aller Gemeinden in Österreich betreffen.

Agenda-Austria-Experte Jan Kluge sieht auch die Kommunen selbst in der Pflicht. Seine Analyse: Die Gemeinden haben keine Möglichkeit, selbst Geld einzunehmen. Und das führe zum sogenannten Fliegenpapier-Effekt. “Geld, das ich erhalte, gebe ich leichter und ineffizienter aus als Geld, das ich selbst verdienen muss”, beschreibt Kluge. Deshalb brauche es eine umfassende Föderalismusreform mit echter Steuerautonomie.

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Kluge schwebt ein Modell nach Schweizer Vorbild vor. “Der Bund erhebt eine Flattax, also eine Grundsteuer. Beispielsweise eine Einkommenssteuer von zehn bis 15 Prozent. Den Rest können Länder und Gemeinden draufschlagen. Wenn sie schlecht wirtschaften, brauchen sie einen höheren Aufschlag. Das könnte Wettbewerb schaffen und die Gemeinden müssten sparsamer sein.” Gemeindeverbandspräsident Gohm möchte sich dem Vorschlag zwar nicht völlig verschließen, gibt aber zu bedenken: “Man muss sich gut anschauen, mit welchem Aufwand das verbunden wäre.” Gohm baut vor allem auf die geplanten Reformen im Gesundheits- und Sozialbereich, die gerade anlaufen. Da sind die Gemeinden finanziell mit im Boot.

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Agenda-Austria-Experte Kluge hat noch eine weitere Idee: Er fordert eine Insolvenzmöglichkeit für Gemeinden. “Jetzt können sich Bürgermeister sicher sein, dass man sie nicht pleitegehen lässt”, sagt er. Entwarnung kommt von der Gebarungskontrolle des Landes: “Nach derzeitigem Kenntnisstand der Abteilung Gebarungskontrolle steht keine Gemeinde kurz vor der Zahlungsunfähigkeit.”

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